"Sonst gibt es bald keine Fankurve mehr"
Thomas Emmes vom "Fanprojekt München" erklärt, warum sich die Südkurve oft ausgegrenzt fühlt - und was die Konsequenz aus dem Südkurvenstreit sein könnte.
Herr Emmes, wo stehen Sie beim Südkurvenkonflikt?
THOMAS EMMES: Wo es um die Sicherheit geht, sind wir mit Verein und Polizei einer Meinung. Aber insgesamt werden die Fans zu wenig mit einbezogen.
Inwiefern?
Die Stimme der Fanvertreter ist im Gegensatz zu der der Polizei oder der Vorstandsvertreter sehr klein. Es sollte darum gehen, die Kurve möglichst so zu gestalten, dass alle zufrieden sind. Aber so ist es nicht. Die geben vor – die Fans fügen sich. Ich weiß nur nicht, ob der Verein mit den Konsequenzen leben möchte.
Die da wären?
Beim Spiel gegen Lille hat man's doch deutlich gesehen: da war in der zweiten Halbzeit auf einmal Totenstimmung! Man hat sogar die Spieler auf dem Platz schreien hören. Ich dachte, ich bin bei einem Kreisklassenspiel.
Die Südkurvenfans schäumen angesichts der neuen Regeln.
Das hätte nicht sein müssen, wenn man mehr miteinander geredet hätte. Es wird viel zu wenig mit Fans gesprochen, die aktiv in der Kurve anfeuern wollen. Diese Fangruppe ist schon sehr klein – und wird wohl noch kleiner werden, wenn es so weiter geht.
Sind die Fans, die Stimmung machen, nicht erwünscht?
Das ist die Frage! Niemand vom Verein würde zugeben, dass Methode dahinter steckt. Aber ab und an macht es den Anschein, dass man die eine oder andere Fangruppe aus der Kurve haben möchte.
Gibt es Gegenvorschläge?
Der Verein muss sich doch die Frage stellen: Wieso wollen diese Fans eigentlich alle dort gemeinsam mit ihren Freunden stehen und singen? Die Schlussfolgerung daraus ist doch, dass der Bereich vergrößert werden muss – und nicht weiter eingeschränkt. Sonst gibt es bald keine Fankurve mehr, nur noch Operettenpublikum. Mal sehen, wie interessant der Stadionbesuch dann ist, wenn die Stimmung aus dem Lautsprecher kommt.
Wieso geht der Vorstand nicht auf Vorschläge ein?
Wir vom Fanprojekt versuchen Dinge anzuschieben. Als Antwort kriegen wir meist: ‚Wir machen es – aber so, wie wir uns das vorstellen.' Es wäre aber viel besser, die Fans mehr einzubinden als ihnen Entscheidungen vorzusetzen.
Einige wünschen sich die Verhältnisse aus dem Olympiastadion zurück, wo mehrere Blöcke frei zugänglich waren.
Ich weiß auch nicht, woran das in der Allianz Arena scheitert. Man muss auch sehen: Als man 2005 vom Olympiastadion umgezogen ist, hat man die Fankurve entzweit und die Jahreskarteninhaber in der Arena auf Nord- und Südkurve aufgeteilt – was man nie hätte tun dürfen. Die Idee dahinter ist nicht aufgegangen. In der Nordkurve hat sich schließlich keine zweite Fankurve entwickelt.
Klingt fast so, als sollte man das Konzept der Arena komplett neu überdenken.
Es gibt bestimmt viele, die das begrüßen würden.
Wieso gibt es so oft Konflikte zwischen Fans und Verein?
Meine persönliche Vermutung ist, dass das aktuell die Retourkutsche für die Proteste der Kurve gegen Uli Hoeneß vergangenes Jahr ist, als man ihm die Hilfe für den TSV 1860 und den Neuer-Transfer übel nahm. Belegen lässt sich das natürlich nicht. Aber dieser Konflikt schwelt schon länger.
Wird nun bei der Jahreshauptversammlung gestritten?
Kommt ganz darauf an, ob sich jemand traut, Herrn Hoeneß die Stirn zu bieten. Wenn der loswettert und ihm das Volk Beifall klatscht, ist das für den einzelnen nur schwer auszuhalten. Man sollte aber bei dem Thema generell versuchen, die Emotionen rauszuhalten.