So wohnt Hansi Flick: Die AZ zu Besuch beim Ex-FC-Bayern-Trainer in Barcelona

Hansi Flick, der ehemalige FC-Bayern-Trainer, hat den FC Barcelona wachgeküsst - allerdings begleiten Flick ähnliche Probleme wie in seiner Endphase in München. Eine Spurensuche der AZ in der Katalanen-Metropole.
von  Maximilian Koch
Schon 23 Tore in dieser Saison: Robert Lewandowski (l.), Hansi Flicks bester Stürmer.
Schon 23 Tore in dieser Saison: Robert Lewandowski (l.), Hansi Flicks bester Stürmer. © IMAGO/AFLOSPORT

In der Bar Milagros im Herzen Barcelonas, wo an diesem milden Dezember-Abend ein Duftschleier von frisch gegrillten Gambas aus den gekippten Fenstern zieht, ist Hansi Flick mittlerweile Stammgast. Ungefähr ein Mal pro Woche komme der Barça-Trainer in dem kleinen Restaurant mit seinen roten Ledersitzen vorbei, erzählt der Mann hinter der Theke.

"Erst gestern war er hier und saß draußen auf der Terrasse." Er lacht. "Hansi ist meistens hier, wenn Barça gewonnen hat." Und das war oft im vergangenen halben Jahr, Flicks ersten Monaten beim großen FC Barcelona.

Flicks Stammlokal: Die Bar Milagros im Viertel Sarrià-Sant Gervasi.
Flicks Stammlokal: Die Bar Milagros im Viertel Sarrià-Sant Gervasi. © instagram.com/barmilagrosbcn

In der Champions-League-Tabelle liegen die Katalanen zwei Spieltage vor Vorrundenende auf Platz zwei, in der spanischen Primera División auf Rang drei hinter Atlético und Real Madrid. Die letzte Partie vor Weihnachten ging unglücklich gegen Atlético verloren – 1:2. Doch Flick war zu recht "stolz" und "begeistert" von der Leistung seines Teams. Die Zwischenbilanz zum Jahreswechsel fällt insgesamt positiv aus – auch wenn es in den letzten sieben Ligaspielen nur einen Sieg gab. Denn: Flick hat bei den Katalanen für eine Stimmungswende gesorgt.

Hansi Flick mit einer Wohnung mitten in der Stadt

Man hat das Gefühl, dass der Trainer nach sechs Monaten in Barcelona fast schon einer von ihnen ist, einer der Culers, wie die Barça-Fans heißen. Flick wollte nicht in eine Villa am Strand ziehen wie viele seiner Spieler. Er wollte mitten rein in die Stadt, um die Menschen kennenzulernen, ihren Rhythmus und ihre Wünsche zu verstehen.

Daher wählte Flick eine Wohnung im belebten Viertel Sarrià-Sant Gervasi mit all seinen Cafés und Restaurants, mit den netten Leuten in der Nachbarschaft.

Wie hier in der Bar Milagros, wo die Menschen auch kurz vor Weihnachten abends noch draußen sitzen, frisch gezapftes Mahou-Bier trinken oder edle Weine, Serrano-Schinken und Spezialitäten aus dem Mittelmeer bestellen. Die Jakobsmuscheln sind besonders begehrt.

"In Barcelona kann man gut leben": Matthäus steht mit Flick weiter in Kontakt

"Hansi ist sehr freundlich, ein ganz normaler Typ", sagt der Kellner: "Er kommt hier mit seiner Frau vorbei oder auch mal mit Freunden." Der Inhaber des Restaurants hat dieser Tage ein Foto mit Flick auf Instagram gepostet. "Danke Mister", schrieb er dazu. Flick lächelt, er sieht glücklich aus. Und braun gebrannt im katalanischen Winter. Tagsüber hat es noch knapp 15 Grad, in der Sonne fühlt es sich wärmer an. Abends glitzern die Weihnachtssterne in den Hauptstraßen der Stadt. Eine prächtige Kulisse.

"In Barcelona kann man gut leben", sagt Lothar Matthäus, der Flick-Vertraute, der mit dem Coach weiter regelmäßig in Kontakt steht, im Gespräch mit der AZ: "Das Wetter ist besser als in München, die Lebensqualität noch einmal höher. Und wenn es dann auch sportlich so hinhaut und die Spielweise passt, dann muss man sich einfach wohlfühlen."

Perfekter Saisonstart für Flick in Barcelona – trister November

Der rasante Flick-Fußball mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen in der Defensive passt zu dieser wuseligen, dynamischen Stadt und seinen lebensbejahenden Menschen. Am Samstagmittag, einen Tag vor dem Heimspiel gegen Aufsteiger CD Leganés, das Barça 0:1 verlieren wird, tanzt eine große Gruppe oberhalb der Strandpromenade Salsa, ein paar Meter weiter wird Beachvolleyball gespielt, ein DJ legt House-Musik auf – und manch einer springt sogar ins kalte Mittelmeer.

Unverfroren, diese Katalanen. Womit wir wieder bei Flicks Mannschaft wären. Zu Beginn der Saison lief es nahezu perfekt, ehe im November eine bemerkenswerte Schwächephase einsetzte. Barça blieb in drei Liga-Spielen nacheinander ohne Sieg – was Flick auf seine Art kommentierte: "Wir sind glücklich, dass der Scheiß-November vorbei ist und jetzt der Dezember beginnt."

Trotz Negativtrend zum Jahresende: Hansi Flick hat in Barcelona Eindruck hinterlassen

Doch der Coach freute sich zu früh, im Dezember ging es ähnlich schlecht weiter. Beim 2:2 gegen Betis Sevilla sah Flick wegen Meckerns die Rote Karte, er wurde für zwei Spiele gesperrt. Auf das 3:2 in der Champions League bei Borussia Dortmund folgte die Blamage gegen Leganes, zu allem Überfluss zog sich Juwel Lamine Yamal eine Bänderverletzung im rechten Knöchel zu. Ein Monat Pause.

Bezeichnend: Zum Jahresende hin ging einiges schief – und doch hat Flick einen guten Eindruck in Barcelona hinterlassen. Auf der letzten Pressekonferenz vor dem Atlético-Spiel sprach er erstmals ein paar Worte Katalanisch, wünschte den Journalisten "Bon Nadal" (Frohe Weihnachten) und ein gutes neues Jahr. Im Saal wurde applaudiert. Wer sich im Barça-Umfeld, in den Fanshops und auf den Straßen umhört, fühlt sich schnell an Flicks Zeit beim FC Bayern erinnert. Sympathisch sei der 59-Jährige, offen, nahbar, empathisch – ganz einfach: normal. The Hansi One.

Flicks Verhältnis zu den Barca-Bossen ist exzellent

Ein Cheftrainer, der im Klub jeden Mitarbeiter gleich behandelt, der die Geburtstage der Betreuer kennt. Auf diese Weise schaffte es Flick einst in seiner Zeit in München, als er sieben Titel in 18 Monaten gewann, den gesamten Klub hinter sich zu bringen. Nun ja: fast den gesamten Klub. Denn mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic gab es immer wieder Zoff, was 2021 schließlich zum Bruch und zu Flicks vorzeitigem Abschied führte.

Beim FC Barcelona stellt sich die Situation anders dar. Flicks Verhältnis zu Sportdirektor Deco und Präsident Joan Laporta ist exzellent, beide Seiten können sich eine längerfristige Zusammenarbeit vorstellen. Flicks Vertrag läuft zunächst bis 2026. Was Laporta besonders imponiert: Flick, der seit September auf den schwer am Knie verletzten Stammtorhüter Marc-André ter Stegen verzichten muss, setzt – auch aufgrund der finanziellen Schieflage des Klubs - konsequent auf den Nachwuchs aus der berühmten Jugendakademie La Masia, wo schon Messi, Xavi und Iniesta zu Weltstars heranwuchsen.

Hansi Flick setzt in Barcelona auf den Nachwuchs

Er wahrt damit die Barça-Identität. "Flick hat verstanden, dass La Masia unser Schatz ist", sagt Laporta. "Er ist ein Trainer, der nicht nach Ausreden sucht. La Masia hat viele Spieler, aber er war mutig genug, sie in die erste Mannschaft zu holen."

Allen voran ist da freilich der famose Yamal (17) zu nennen, im Sommer Europameister mit Spanien und zuvor schon von Flick-Vorgänger Xavi besonders gefördert. Aber auch Pau Cubarsi (17), Marc Casadó (20) oder Alejandro Baldé (20) sind Stammkräfte. Marc Bernal (17), zu Saisonbeginn von Flick entdeckt, zog sich einen Kreuzbandriss zu. "Wenn wir einen Spieler brauchen, wissen wir, dass wir ihn in La Masia finden", sagt Flick. Seit 2020 haben sage und schreibe 23 Spieler aus der Talentschmiede bei den Profis debütiert. Nun bilden Spieler wie Pedri, Gavi, Casadó, Yamal oder Cubarsi das Gerüst des Teams – ergänzt von Routiniers wie Kapitän Raphinha, Robert Lewandowski oder Neuzugang Dani Olmo.

Barças größtes Juwel: Flick mit Spaniens Europameister Lamine Yamal.xJavierxBorregoxRamosx
Barças größtes Juwel: Flick mit Spaniens Europameister Lamine Yamal.xJavierxBorregoxRamosx © IMAGO/ZUMA Press Wire

Ex-Bayern-Stürmer Lewandowski trifft unter Flick regelmäßig

Ex-Bayern-Torjäger Lewandowski trifft unter Flick wieder regelmäßig, insgesamt schon 23 Mal in dieser Saison. Nach dem 4:1 in der Champions League gegen den FC Bayern schwärmte er von seinem Coach. "Hansi hat immer ein Rezept. Wir glauben an ihn, er glaubt an uns", sagte Lewandowski. "Er schafft es, zwischen erfahrenen Spielern und jungen Spielern immer eine Balance zu finden, so dass wir alle zusammen in eine Richtung gehen."

Ausrufezeichen in der Champions League: Flick und Barça besiegen Vincent Kompanys FC Bayern mit 4:1.
Ausrufezeichen in der Champions League: Flick und Barça besiegen Vincent Kompanys FC Bayern mit 4:1. © IMAGO/MIS

Dabei helfen Siege wie gegen Bayern oder Real Madrid. Die Königlichen wurden mit 4:0 aus ihrem eigenen Stadion, dem Bernabéu, geschossen.

"Es ist unglaublich, diese Eier zu haben und mit einer derart hohen Verteidigungslinie zu spielen", sagte Defensivmann Casadó zu Flicks aggressiver Taktik. Die zeitweise ihre Tücken und manchmal Lücken hat. Denn auch das kennt man aus Flicks Bayern-Zeit: In der Saison 2020/21, also nach dem Triple-Rausch, kassierten die Münchner deutlich zu viele Gegentore. Die Gegner hatten Flicks System entschlüsselt.

Schon 23 Tore in dieser Saison: Robert Lewandowski (l.), Hansi Flicks bester Stürmer.
Schon 23 Tore in dieser Saison: Robert Lewandowski (l.), Hansi Flicks bester Stürmer. © IMAGO/AFLOSPORT

Hansi Flick hat seinen Ruf in Barcelona wieder aufpoliert

Ganz ähnlich sieht es nun mit Barça aus. Mit 22 Gegentoren in der Liga sind die Katalanen defensiv das schwächste aller Topteams. Flick ist im neuen Jahr zu Korrekturen gezwungen, seine Mannschaft sucht nach Balance. Privat hat er diese Balance in Barcelona schon gefunden, die dunklen Bundestrainer-Zeiten mit dem WM-Vorrundenaus 2022 inklusive Graugänse-Dokumentation sind vergessen.

Flick hat seinen Ruf wieder aufpoliert. Aus dem Grau ist für den deutschen Coach längst ein buntes Leuchten geworden. Wie in den Straßen Barcelonas, die im Dezember in Gold, Rot und Blau erstrahlen. Den Barça-Farben.

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