Silbermond-Bassist: RB Leipzig tut ganz Ostdeutschland gut

Johannes Stolle, Silbermond-Bassist und Bayern-Fan, spricht über die Kontroverse um den Ost-Klub und die Probleme in Sachsen.
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"Ich war als Jugendlicher schon krasser Bayern-Fan", sagt Silbermond-Bassist Johannes Stolle. RB Leipzig mit Trainer Ralf Ragnick findet er dennoch gut für den deutschen Fußball.
Chris Gonz/ho, dpa "Ich war als Jugendlicher schon krasser Bayern-Fan", sagt Silbermond-Bassist Johannes Stolle. RB Leipzig mit Trainer Ralf Ragnick findet er dennoch gut für den deutschen Fußball.

München - AZ-Interview mit Johannes Stolle. Der 36-Jährige ist Bassist der sächsischen Erfolgsband "Silbermond", die seit ihrer Gründung 1998 mehr als sechs Millionen Tonträger verkauft hat. Am 8. Februar 2020 gastiert Silbermond in der Münchner Olympiahalle.

AZ: Herr Stolle, man hört, Sie seien unter all den Fußballbegeisterten bei Silbermond der einzige Fan des FC Bayern. Sorgt das in der Band nicht für Misstöne?
JOHANNES STOLLE: Nein, so schlimm ist es nicht, aber es stimmt: Ich war als Jugendlicher schon krasser Bayern-Fan, hatte ein Poster von Mehmet Scholl im Zimmer hängen und wollte immer unbedingt ein Bayern-Trikot haben. Mittlerweile verfolge ich zwar schon noch die wichtigsten Bayern-Spiele, aber Fan in diesem Sinne bin ich heute vor allem von gutem, spannendem Fußball. Aber am Stammtisch halte ich allein schon deswegen immer noch zu den Bayern, weil alle um mich herum dagegen sind. Das ist eine Mischung aus Trotz und alter Verbundenheit.

Kicken Sie eigentlich auch selbst?
Früher hab ich oft gekickt, wir haben als Band sogar mehrere Jahre den "Silbermond Fußball-Cup" veranstaltet. Jetzt spielen wir aber kaum noch, denn gerade wenn man wie wir Verletzungen magisch anzieht, muss man als Musiker irgendwann Prioritäten setzen. Sich beim Fußball zu verletzen und deswegen ein Konzert oder eine Tour abzusagen, käme für uns nicht in Frage. Deswegen daddeln wir als Ersatz manchmal Fifa an der Konsole.

Und wer gewinnt da immer?
In der Regel spielen wir eher zusammen gegen andere. Online. Aber ok, da ich schon viel geübt habe, gehe ich bandintern schon meistens als Sieger vom Platz.

Das Bayern-Gen eben.
So ist es.

Zu wem halten denn die anderen Bandmitglieder?
Die anderen sind nicht auf eine Mannschaft festgelegt. Vielleicht sollten wir unseren Heimatverein Budissa Bautzen unterstützen. Die sind gerade Letzter in der Regionalliga, steigen wohl in die Fünftklassigkeit ab. Oder Dynamo Dresden, auch gleich nebenan. Aber so richtig erwärmt haben wir uns dafür nie.

Und für RB Leipzig, einen Verein, der 2009 gegründet wurde, als Sie schon ihr drittes Album auf dem Markt hatten?
Auch nicht. Wobei ich sagen muss: Ich finde den Klub fußballerisch richtig gut. Die leisten seit vielen Jahren tolle Arbeit, haben kontinuierlich mit jungen Spielern eine starke Mannschaft aufgebaut, dazu ist Ralf Rangnick ein ziemlich guter Typ, der genau weiß, was er macht. Die Kontroverse zur Rolle von Red Bull verfolge ich sehr interessiert, aber schauen Sie nur mal nach Wolfsburg oder nach Leverkusen. Die haben auch große Konzerne im Rücken, die Geld ohne Ende in die Mannschaften pumpen könnten. Ich freue mich vor allem, dass die Region einen Bundesliga-Klub hat, der ganz oben mitspielt. Das tut ganz Ostdeutschland gut.

Nichtsdestotrotz gilt RB als Feindbild und Sinnbild für die grenzenlose Kommerzialisierung des Fußballs.
Ja, aber so einen Sündenbock hat es doch schon immer gebraucht, an dem der Fan seinen Ärger ablassen kann. Ob früher Bayer Leverkusen, später Hopps Hoffenheim, jetzt eben Red Bull Leipzig. Natürlich befremdet auch mich der Fußball inzwischen sehr stark. Allein der unsägliche Wahnsinn, dass man vor jedem Spiel schauen muss, welches Abo ich dafür jetzt kaufen müsste. Sky? Dazn? Eurosport? Ich finde das eine Sauerei. Dem Fan wird damit auf eine recht unsympathische Art vermittelt, dass über all dem einfach nur Geldmacherei steht.

Schauen Sie da überhaupt noch Fußball?
Mir vergeht die Lust, ich habe da langsam auch keinen Bock mehr drauf. Ich merke auch in meinem Umfeld, dass wir langsam anfangen, Fußball im Fernsehen zu boykottieren, weil wir eben nicht noch mehr Geld dafür ausgeben wollen. Das ist aber ganz unabhängig von RB Leipzig. Die machen einen tollen Job und engagieren sich auch extrem für viele soziale Projekte. Für benachteiligte Jugendliche, für Behinderte, auch für Flüchtlinge, der Klub positioniert sich auch ganz deutlich gegen Rassismus.

Das tut gerade in Sachsen nicht jeder Klub und auch nicht die ganze Gesellschaft. Ob die Duldung einer Trauerfeier für einen Neonazi im Stadion des Chemnitzer FC, ob Hetzjagden auf Ausländer, Rechtsextremismus, Fremdenhass. Sie, der Sie sich seit Jahren mit Silbermond gegen Nazis engagieren: Warum immer wieder Sachsen?
Ein komplexes Thema, an dem sich schon Philosophen und Politikwissenschaftler abgearbeitet haben. Ein großes Problem ist meines Erachtens, wenn sich abgehängte und unzufriedene Leute ungehört fühlen und es denen da oben mal so richtig zeigen wollen. Das ist genau das, was die Rattenfänger dann ausnutzen und wo ihre Schwarz-Weiß-Parolen auf einen fruchtbaren Nährboden fallen. Nur wehre ich mich dagegen, dass gleich alle Sachsen pauschal als Nazis verunglimpft werden. Solche Idioten gibt es überall im Land.

Zum sportlichen Abschluss, im Sommer kommt Julian Nagelsmann nach Leipzig, erwarten Sie für nächste Saison einen Dreikampf an der Spitze? Bayern, Dortmund, RB?
Kann gut sein, ich würde mir das wünschen. Leipzig wird sich sicher dauerhaft ganz oben etablieren.

Wie enden die zwei noch ausstehenden Spiele zwischen Leipzig und den Bayern?
Am Samstag machen die Bayern die Meisterschaft perfekt. Und im Pokalfinale gewinnt Leipzig. Das wärs.

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