Sie lebte für den FC Bayern: Fan aus Syrien im Mittelmeer ertrunken
Der FC Bayern hat Fans auf der ganzen Welt. Auch in Syrien, wo Millionen zwischen den Fronten von Machthaber Assad, Rebellen und der Terrormiliz IS um ihr Leben fürchten. Nawf war Bayern-Fan und flüchtete vor dem Elend Richtung Deutschland. Am Sonntag ist die 30-Jährige im Mittelmeer ertrunken.
München – Sie fliehen aus Angst. Angst vor dem Krieg in ihrem Heimatland, Angst vor Assads Bomben, Angst vor dem Terror des IS. Die meisten syrischen Flüchtlinge machen sich über das Festland auf den langen, beschwerlichen Weg nach Europa. Andere wählen den weitaus gefährlicheren Weg über das Mittelmeer. Allein seit Jahresbeginn sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bei der Flucht über das Mittelmeer 2862 Menschen ums Leben gekommen - eine von ihnen ist Nawf Kamil Sattah.
Am Montag erreichte die AZ über Whatsapp eine Nachricht von Mounir Moukkar, einem marokkanischen Vollblut-Fan des FC Bayern. Mounir ist Mitglied eines Fanclubs in Marokko. Dieser pflegt wiederum enge Beziehungen zu einer Vereinigung von Bayern-Anhängern im kriegsgebeutelten Syrien, dessen Mitbegründerin Nawf Kamil Sattah war. Gemeinsam mit ihrer Schwester Mary ist die 31-Jährige am Sonntag im MIttelmeer, irgendwo zwischen der türkischen und der griechischen Küste, ertrunken.
Mounir erzählte uns ihre traurige Geschichte.
Ein Leben zwischen Ruinen - für den FC Bayern
Nawf Kamil Sattah gehörte der christlichen Minderheit in einem kleinen Dorf Names Fayrouza in der Nähe von Homs an. Vor allem die Christen in Syrien fürchten durch die gnadenlose Verfolgung durch die fanatischen Islamisten des IS täglich um ihr Leben.
Das Herz der 30-Jährigen, die einen Uni-Abschluss in englischer Literatur hat, brannte, wie das ihres marokkanischen Freundes, für den FC Bayern. "Ihre Liebe zum FC Bayern war so groß wie nie. Mit Leib und Seele", erzählt Mounir Moukkar.
Gemeinsam mit ein paar anderen syrischen Bayern-Fans rief sie schließlich den Fanclub "Bayern München fans in syria" ins Leben, der Anfang des Jahres vom FC Bayern unter der Nummer 99905108 als offizieller Fanclub bestätigt wurde. "We gladly welcome you as a part of our 'FC Bayern family'" - "Wir sind froh, euch als neuen Teil der FC-Bayern-Familie willkommen zu heißen", schrieb Ex-Profitorwart und Leiter der "Direktion Fan- und Fanclubbetreuung" des FC Bayern, Raimond Aumann, am 8. Januar in einem Brief nach Damaskus.
Nawf war in der Administration des Fanclubs tätig. Sie lud zum Public Viewing von Spielen in einem Café ein und organisierte Veranstaltungen - für sie ein Stück Glück und Zusammenhalt im zerbombten Krisenland. Nawfs größter Traum: Einmal ein Spiel ihres FC Bayern in der Allianz Arena miterleben.
Mit diesem Schreiben bestätigte der FC Bayern den "Bayern München fans in syria", dass sie als Fanclub offiziell anerkannt wurden.
Die Chance auf ein besseres Leben gegen die böse Vorahnung
Irgendwann fasste sie, gemeinsam mit Schwester Mary, den Entschluss, "aus der Hölle des Kriegs und der Not zu entkommen und ein besseres Leben in Deutschland zu suchen", berichtet Mounir. Gemeinsam reisten die Schwestern in die Türkei. Dort stiegen sie vergangene Woche in ein Flüchtlingsboot und traten die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer an. Nächste Station: Griechenland.
Nawf war sich der Gefahren, die sie erwartet bewusst. Noch vor ihrer Abfahrt in der Türkei postete sie ein Gedicht auf Facebook. "Als ob sie es gewusst hätte", sagt Mounir, der der AZ das in arabisch verfasste Gedicht etwa so übersetzt hat:
"Vaterland heißt Verwandschaft, Kameradschaft und die Liebe zueinander. Es ist keine Geschichte von Flucht oder Auswanderung. Es ist eine Chance auf ein besseres leben. Eine Chance, ein neues Leben zu beginnen. Vielleicht wird man es bereuen, vielleicht nicht. Aber wir werden alles tun, um unsere Träume zu verwirklichen. Wir sind Reisende und unser Weg ist so lang. Bitte betet für uns und haltet uns immer in Erinnerung"
Es war das letzte Lebenszeichen von Nawf und ihrer Schwester. Am Sonntag sind die beiden auf der Überfahrt ertrunken. Einige von Nawfs Freunden in Syrien sagten Mounir, das mit Flüchtlingen vollgestopfte Boot sei von der türkischen Küstenwache angegriffen worden und gesunken. Was genau passiert ist und wie viele Menschen noch sterben mussten, lässt sich nicht sagen. Sicher dagegen ist, dass Bayern-Fans rund um die Welt, Nawf in Erinnerung behalten werden.
„Nawf Sattah, ein großer Bayern-Fan, ist auf der Flucht aus Syrien im Meer ertrunken. Unser herzliches Beileid!“, teilte die Fanbetreuung des FC Bayern bei „Twitter“ mit.
Mounir Moukkar und sein marokkanischer Fanclub haben in Gedenken an sie und ihre Schwester einen Hashtag ins Leben gerufen. #mia_san_nawf.
Nawf Sattah, ein großer Bayern-Fan, ist auf der Flucht aus Syrien im Meer ertrunken. Unser herzliches Beileid! pic.twitter.com/jXtkXCCIhN
— FCB-Fanbetreuung (@FCBayern_FB)
22. September 2015