Shaqiri euphorisch: "Ich brenne"
Hier erklärt Neuzugang Xherdan Shaqiri, beim Pokal-Sieg Bayerns Bester, wieso er so kämpferisch ist, ein Faible für schicke Mode hat – und weshalb er glaubt, dass ein Star auf der Bank landen wird
AZ: Herr Shaqiri, in München ist man doch eher überrascht über Ihr freches, forsches Auftreten...
XHERDAN SHAQIRI: Ich war schon immer so – auch zu meinen Basler Zeiten. In jungen Jahren habe ich mich auf dem Platz nicht versteckt, sondern bin stets ruhig und cool geblieben. Das ist wohl mein Naturell. Auch gegen Top-Spieler oder Top-Teams in der Champions League habe ich keine Angst gezeigt.
Sie gelten als „Straßenfußballer”. Haben Sie sich dieses Selbstverständnis tatsächlich auf dem Bolzplatz zugelegt?
Das kann gut sein. Wissen Sie, ich komme nicht gerade aus dem Reichtum und musste für alles kämpfen – mehr als die anderen. So ist das eben bei uns in der Familie, uns wurde nichts geschenkt, dafür sind wir umso stärker.
Sie sehen sich selbst somit als Kämpfer...
(lacht) Ja, auf jeden Fall. Wir in der Familie sind alle so.
Wird Ihnen das gerade im Konkurrenzkampf mit Frank Ribéry, Arjen Robben, Toni Kroos und Thomas Müller weiterhelfen?
Ich finde, jeder Spieler kann kämpfen.
Aber nicht jeder tut es.
Ja? Ich hoffe doch schwer, dass jeder kämpft. Es ist eine der wichtigsten fußballerischen Eigenschaften, genauso wie der Wille. Ich gebe nie auf, auch wenn die Chancen gering sein sollten – der Kampf zeichnet mich aus, und davon habe ich bislang auch profitiert.
Wie viel Eingewöhnungszeit geben Sie sich beim FC Bayern?
Man muss doch nur auf die Stürmer schauen (Mario Gomez, Mario Mandzukic, Claudio Pizarro, d.Red.) – jeder der drei will spielen, doch man kann nicht mit drei Stürmern auflaufen.
Also üben Sie sich in Geduld, dabei gelten Sie doch als sehr ehrgeizig.
Jeder Spieler, ob Star oder nicht, muss sich mal gedulden. Auf meiner Position muss ich mich zum Glück nur mit einem oder zwei Teamkollegen um den Platz streiten (lacht). Ich kann links oder rechts auf dem Flügel spielen und auch hinter der Sturmspitze. Das heißt: Ein Star wird auch mal auf der Bank Platz nehmen müssen.
Ihr Start in München war bisher sehr vielversprechend.
Das habe ich mir genau so vorgestellt. Ich habe zwar ein bisschen gebraucht, um mich an alles zu gewöhnen, doch nun bin ich angekommen. Im Team bin ich integriert und fühle mich sehr wohl.
Das merkt man auch auf dem Platz. Am Anfang musste ich viele Sachen regeln, unter anderem den Umzug, das neue Haus, doch nachdem das getan ist, komme ich jetzt immer besser in Fahrt.
Was sind denn die Unterschiede vom kleinen FC Basel zum großen FC Bayern?
Das fängt bei der Medienabteilung an und geht bis zum Trainingsplatz: Andere Arbeitsweisen, Strukturen und Größenordnungen – alles ist eben zwei, drei Nummern größer. Bayern ist einer der Top-Vereine Europas. Das sieht man und merkt man jeden Tag. Für mich ist es der perfekte Klub, um mich weiterzuentwickeln.
Verfolgen Sie noch Ihren Ex-Verein Basel?
Ja, natürlich. Zwar kann ich im TV nicht jedes Spiel live sehen, doch übers Internet versuche ich das, so gut es geht. Ich habe auch noch Kontakt zu Spielern und Trainer Heiko Vogel.
Was gefällt Ihnen an München bislang am besten?
Im Detail habe ich mich damit noch nicht befasst, doch was ich von der Stadt gesehen habe, gefällt mir sehr. Ich werde mir aber nach und nach ein Bild davon machen, angefangen bei all den Sehenswürdigkeiten.
Ihr Modebewusstsein wurde auch schon thematisiert.
Ich habe am Anfang meiner Karriere bei einem Herrenausstatter eine Ausbildung begonnen und ziehe mich daher gerne gut an (lacht) – aber das ist ja kein Verbrechen.
In dieser Hinsicht hat München viel zu bieten.
Es lässt sich hier auf jeden Fall gut leben. Ich wohne aber nicht direkt in der Stadt, sondern etwas außerhalb, da ich die Ruhe brauche. In der Schweiz habe ich auch schon in einem kleinen Ort gelebt.
Mit welchen Spielern unternehmen Sie in Ihrer Freizeit etwas?
Ribéry wohnt gleich um die Ecke. Mit David Alaba und Emre Can und noch ein, zwei Spielern unternehme ich sehr viel. Wir sind ein lustiger Haufen (grinst).
Haben Sie auch einen Mentor in der Mannschaft?
Eigentlich brauche ich das nicht, obgleich ich die älteren Spieler schätze und respektiere. Zu Hause bei mir ist außerdem immer einer aus meiner Familie da, damit ich mich nicht langweile. Allerdings bezweifle ich, dass es mir in München langweilig werden könnte.
Sie haben gerade Ihre Familie angesprochen. Wie wichtig ist Ihnen dieser familiäre Rückhalt?
Sehr wichtig. Bevor man Fußball spielen geht, muss daheim alles passen, vor allem für mich. Wenn man zuhause Probleme hat, dann kann man keine guten Leistungen auf dem Platz bringen. Meine Familie nimmt mir viele Dinge ab, sodass ich mich ausschließlich auf den Fußball konzentrieren kann. Das hilft mir sehr.
Haben Sie sich für die neue Bundesligasaison klare Ziele gesetzt? Und was erwartet Trainer Jupp Heynckes von Ihnen?
Der Coach hat mir nicht gesagt, so viele Tore oder Vorlagen muss ich machen. Das mache ich nicht einmal selbst. Ich werde mich in jedem Training anbieten und will meine Leistung auf dem Platz sprechen lassen. Zahlen nenne ich keine. Mein Ziel ist, Stammspieler zu werden.
Heynckes hat in der Vorbereitung und im Pokal den jungen Spielern überraschend viel Einsatzzeit gegeben: Mitchell Weiser, Emre Can – und eben Ihnen.
Das Vertrauen des Trainers in uns junge Spieler tut sehr gut. Das wollen wir ihm bestmöglich zurückzahlen. Wir sollen ja auf die Arrivierten auch Druck ausüben, und jede Minute, die wir auf dem Rasen stehen, bringt uns voran. Ich brenne, zu spielen. Ich will ja eine Verstärkung, keine Ergänzung sein. Und bisher hat man gesehen, dass man auf uns junge Spieler setzen kann.
Alabas Stern ging vergangene Saison auf, nun sind er und David Contento aber verletzt. Ist das ein Problem?
Wir haben genügend Alternativen für hinten links: Can, Lahm und auch Luiz Gustavo. Der FC Bayern ist dieses Jahr in der Breite sehr gut aufgestellt. Klar ist David Alaba etwas enttäuscht, doch er wird wieder zurückkommen.
Wie bedeutsam war der Sieg im Supercup gegen Dortmund?
Für die Moral sehr gut. Der erste Titel gibt uns einen Schub für den Saisonstart. Für mich war es der erste Titel mit den Bayern überhaupt – und bestimmt nicht der letzte. Wir wollen unbedingt Meister werden und die Titel erringen, die wir im vergangenen Jahr nicht holen konnten. Wir gehen mit Vollgas in die neue Saison.