Sepp Maier über Kahn und Schalke: "Der Olli macht es"
Sepp Maier ist seit Jahren Kahns Vertrauter. Im Interview spricht er über dessen Manager-Pläne und bewertet seine Nachfolger im DFB-Tor.
AZ:Herr Maier, Sie sind einer von drei deutschen Torhüter, die Weltmeister geworden sind. Nun sagte Andreas Köpke, der aktuelle DFB-Torwarttrainer, dass man derzeit „keine absoluten Weltklasse-Torhüter“ habe. Hat er Recht?
SEPP MAIER: Ja, leider. Der letzte Weltklassetorwart, den wir hatten, hat ja leider zu früh aufgehört im Nationalteam.
Sie meinen Jens Lehmann.
Ja, genau... (lacht) Nein, ich meine natürlich den Olli (Kahn, d.Red). Es gibt keine klare Nummer eins derzeit in Deutschland, keiner ist konstant gut. Die Jungen, die zuletzt so hoch gelobt worden sind, also Adler und Neuer, können doch auch noch gar nicht so weit sein. Als Torhüter brauchst du ein gewisses Alter, eine gewisse Reife und die Ruhe, dass du schon einen großen Titel gewonnen hast. Das kann keiner von den Kandidaten vorweisen.
Oliver Kahn ist auch wieder ein Kandidat – für den Posten des Managers beim FC Schalke. Sie sind einer seiner engsten Vertrauten, haben ihn über ein Jahrzehnt trainiert. Macht er's wirklich?
Natürlich wäre er geeignet, keine Frage. Oliver hat sich schon immer mit anderen Dingen als nur mit Bällefangen beschäftigt. Ich frage mich nur: Warum sollte er sich das antun?
Wie meinen Sie das?
Dann hätte er doch keine Zeit mehr, sein Golf-Handicap zu verbessern, dann holt er mich nie mehr ein (lacht). Im Ernst: Ich wusste schon vor seinem Treffen mit Tönnies, dass er da hinfährt. Wenn er das macht, dann zu 100 Prozent, so wie er eben ist. Schlecht wäre es sicher nicht, dort oben könnte er eine Menge bewirken, einen großen Konkurrenten zum FC Bayern aufbauen. Ich glaube, dass er es macht.
Um die Bayern-Bosse zu ärgern? Wäre Kahn als Hoeneß-Nachfolger dann nicht erst einmal außen vor?
Warum? Er kann auf Schalke beweisen, dass er es drauf hat. Dann sehen die Bayern-Verantwortlichen: Hoppla, der kann was – und sie holen ihn in ein paar Jahren zurück. Solch eine Erfahrung, ein Weg über einen anderen Verein in Deutschland, die hat noch keinem geschadet.
Zurück zu den DFB-Keepern: Bundestrainer Löw hat vier Kandidaten für die Nummer eins mit Blick auf die WM 2010 in Südafrika genannt: Adler, Enke, Wiese und Neuer. Wer schafft es Ihrer Meinung nach?
Ich würde Enke oder Wiese favorisieren, einer von beiden packt es. Sie haben zwar etwas Pech mit ihren Vereinen, die beide eine schlechte Saison spielen. Erst nach dem Turnier würde ich einen jungen Torhüter aufbauen, aber für ein Experiment ist die WM zu wichtig.
Löw hat im Herbst Adler debütieren lassen. Sollte er jetzt nicht an ihm festhalten, ihn aufbauen, ihm Stärke geben?
Adler war zuletzt zu inkonstant, bei ihm muss man noch schauen, wie er sich entwickelt. Vielleicht ist die Nationalelf momentan noch eine Nummer zu groß für ihn. Dasselbe gilt für Neuer, da sind mir zu viele Aussetzer dabei.
Löw hat einen offenen Konkurrenzkampf angekündigt. Wann sollte er sich festlegen?
Jetzt noch nicht. Dafür fehlt der Überflieger, der natürliche Nachfolger von Kahn und Lehmann. Eine Situation wie derzeit gab es noch nie im deutschen Tor: Es gibt keinen natürlichen Erben, keinen logischen Nachfolger wie bei mir, als ich 1967 Hans Tilkowski beerbte. Oder mit Toni Schumacher, als er 1979 mein Nachfolger wurde. Ich denke, Löw sollte eine Entscheidung im Frühjahr 2010 treffen, das wäre am besten.
Was ist denn mit Ihrem Schützling, mit Michael Rensing, dem Kahn-Nachfolger beim FC Bayern? Sie bringen ihn doch sonst bei jeder Gelegenheit ins Gespräch.
Seine Schwankungen hat er überwunden, er ist stabiler geworden – weil auch die Mannschaft defensiver denkt und vorsichtiger spielt. Der Schatten von Oliver Kahn ist immer noch da, aber er wird von guter Leistung zu guter Leistung kleiner. Jetzt stellen Sie sich mal vor, Bayern wird mit Rensing Meister und kommt ins Champions-League-Finale. Kann Löw an ihm dann noch vorbei? Kaum. Ich bin mir sicher, dass er zumindest im WM-Kader stehen wird. Jede Wette.
Interview: Patrick Strasser