Sepp Maier: Neuer Weltfußballer? "Es wird Zeit"
Manuel Neuer könnte als erster Torhüter überhaupt zum Weltfußballer gewählt werden. In der AZ erklärt Sepp Maier, warum der Bayern-Keeper gewinnen sollte. „Alles andere wäre eine Farce“, sagt er.
München - Sepp Maier ist eine Bayern-Legende. Der 70-jährige Ex-Torhüter gewann mit dem FC Bayern dreimal den Europapokal der Landesmeister, wurde mit der DFB-Elf Welt- und Europameister. Im AZ-Interview spricht er über die Wahl des Weltfußballers.
AZ: Herr Maier, am Donnerstag wurde Manuel Neuer zum zweiten Mal zum Welttorhüter gewählt. Nun fehlt noch die ultimative Bestätigung. Am Montag gibt die Fifa in Zürich den Weltfußballer des Jahres bekannt. Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder eben Neuer – als erster Torhüter überhaupt. Wer wird’s? Oder anders gefragt: Wer soll es werden?
SEPP MAIER: Es wird Zeit, dass endlich mal ein Torhüter diese Auszeichnung bekommt. Ich bin damals nicht Europas Fußballer des Jahres geworden, Oliver Kahn auch nicht – nicht mal nach seiner überragenden WM 2002 in Japan und Südkorea. Daher sollte jetzt Manuel dran sein. Er hat es verdient – nicht die anderen beiden.
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Es sieht aber so aus, dass Reals Ronaldo oder Barcelonas Messi die Favoriten sind. Vor allem der Portugiese, der mit Madrid die Champions League gewonnen hat. Es entscheiden die Nationaltrainer und -kapitäne aller Fifa-Mitgliedsverbände, sie sind stimmberechtigt.
Wenn wieder Ronaldo gewinnt, sind die für mich alle etwas blind. Ich lasse mich aber gerne überraschen, ob diese Herren diesmal etwas schlauer geworden sind.
Messi hat in der spanischen Primera Division den legendären Torrekord von Telmo Zarra übertrumpft, trifft auch in der Königsklasse wie er will. Und Ronaldo knackt alle Superlative mit Real. Die Königlichen holten 2014 vier Titel, Ronaldo erzielte 56 Pflichtspieltore.
Aber um dich für den Titel des Weltfußballers zu qualifizieren, musst du nicht nur Tore schießen und Titel sammeln, du musst dich auch volksnah präsentieren können, authentisch sein. Einfach ein Star zum Anfassen für die Fans sein. Und das ist in meinen Augen nur Manuel.
Wie meinen Sie das?
Der Messi macht auf mich einen netten, freundlichen Eindruck – das schon. Cristiano Ronaldo kenne ich auch nicht, aber er wird eben extrem vermarktet. Er ist eine Kunstfigur. Den Manuel dagegen kenne ich gut. Ein anständiger Kerl, der bodenständig geblieben ist. Er weiß, wo er herkommt. Außerdem tritt Manuel stets bescheiden auf – auch in Interviews im Fernsehen kommt er freundlich und nicht abgehoben rüber. Und was gerade für mich natürlich ganz wichtig ist: Er kann auch mal lachen, sogar über sich selbst. Diese Fähigkeit haben nicht viele Superstars.
Und kaum ein Torhüter hat seinen Stil drauf.
Manuel ist einfach ein Super-Fußballer, er könnte im Grunde auch im Feld spielen – in der Abwehr. Er hat eben den Blick für die Situation, antizipiert Spielzüge.
Bleibt Ihnen nicht manchmal das Herz stehen, wenn Neuer aus dem Strafraum stürmt, um einen gegnerischen Angriff abzufangen – im Irgendwo des Spielfelds?
Nein, wieso? Manuel kann das Risiko kalkulieren. Er haut den Ball auch nicht irgendwo in die Zuschauerränge – na ja, nur im äußersten Notfall. Nein, meist kommt die Kugel elegant beim Mitspieler an.
Es heißt immer, das sei das moderne Torwartspiel.
Ach was, ich bin zu meiner Zeit auch 20 Meter vor dem Tor gestanden, das war normal. So extrem wie bei Manuel vielleicht nicht. Aber du musst als Torhüter in Gedanken mitspielen und eben rechtzeitig eingreifen. Früher gab es dafür einen Libero, der Steilpässe abfängt, aber den gab es bei Bayern und in der Nationalelf nicht – denn wir hatten den Franz (lacht). Und Beckenbauer ist immer vorne rumgeturnt, die Abfangjäger waren der Katsche Schwarzenbeck und ich.
Kann Manuel Neuer eigentlich noch besser werden? Er ist erst 28 Jahre alt...
Klar, weil er immer erfahrener wird – und damit automatisch besser. Im Sport nach oben zu kommen ist das eine, aber sich halten, oben bleiben – das ist die wahre Leistung, weil viel schwieriger. Das Können hat Neuer, ich wünsche ihm das nötige Glück dazu. Dann wird er alle Rekorde brechen, die es gibt.
Also kann es am Montag nur einen geben?
Aber ja! Alles andere wäre eine Farce, womöglich ist dann Schiebung im Spiel. Dann hätte diese Wahl künftig keinen Sinn mehr. Es geht doch um 2014 und da ist Manuel Weltmeister geworden. Er hat das Größte erreicht, die WM findet nur alle vier Jahre statt, ist das höchste aller Gefühle. Ronaldo erzielt jedes Jahr Torrekorde, das ist doch nichts Besonderes mehr.