Sepp Maier: "Meine Hoffnung: Kraft wird der neue Sepp"
Torhüter-Idol Sepp Maier lobt die neue Nummer 1 der Bayern und rät den Bossen, auf den teuren Neuer-Transfer zu verzichten. Hier erklärt er, wieso Louis van Gaals Favorit talentierter als Michael Rensing ist.
AZ: Herr Maier, am Samstag dürften Sie die Partie des FC Bayern beim 1. FC Köln ab 15.30 Uhr intensiver als sonst verfolgen. Im Tor stehen sich zwei Ihrer ehemaligen Schützlinge gegenüber: Der neue FC-Keeper Michael Rensing und Thomas Kraft, die neue Nummer eins des FC Bayern. Und? Schon nervös?
SEPP MAIER: Nein, dafür bin ich zu alt. Die beiden Kerle machen das schon.
Ein 0:0 wäre herrlich, oder? Ein Ergebnis, das nur Torhüter zufrieden stellt.
Na ja, ich sage es mal so: Ich wünsche mir ein hervorragendes Spiel mit Strafraumszenen und Torchancen auf beiden Seiten – und am Ende gewinnt Bayern nur 1:0. Erzielt durch einen unhaltbaren Elfmeter.
Wie beurteilen Sie die ersten vier Pflichtspiele von Thomas Kraft, seit Trainer Louis van Gaal über Weihnachten entschieden hat, dass der 22-Jährige Oldie Jörg Butt, schon 36, als neue Nummer eins ablöst?
Thomas macht das sehr gut. Das freut mich wahnsinnig, er wirkt abgeklärt, hat ein ganz ruhiges, souveränes Torwartspiel.
Oliver Kahn meinte gar, er habe Paraden drauf, die ihn an Sie erinnern, Kraft habe etwas katzenhaftes.
Da habe ich geschmunzelt, klar. Vielleicht hat Thomas sich da etwas von diesem alten Mann im Training abgeschaut. Es wird ihm nicht geschadet haben.
Sie haben ihn ja, nachdem er 2004 zum FC Bayern kam, ein paar Jahre trainiert.
Ja, aber das kann ich nicht nur auf meine Fahnen schrieben. Der Bernd (Dreher, jetzt Torwarttrainer unter Felix Magath bei Schalke, d.Red.) hat da auch seinen Anteil. Wir haben ihm alles beigebracht.
Hat Kraft das Zeug dazu, auch langfristig die Nummer eins bei Bayern zu werden?
Aber sicher! Er schafft das. Locker. Es ist doch eine gute Möglichkeit, den Thomas jetzt in der Rückrunde zu testen. Und er hat die Bewährungsprobe der ersten Spiele bestanden. Das Entscheidende ist: Er will. Er hat den Ehrgeiz und das Talent, das ist die Mischung, die man braucht, um ein guter Torhüter zu werden. Ich bin da sehr zuversichtlich.
Doch die Bosse haben offenbar andere Pläne. Sie wollen im Sommer Nationaltorhüter Manuel Neuer verpflichten.
Ah, wo! Das Geld, die Millionenablöse für den Transfer, können sie sich sparen.
Manuel Neuer wird jedoch von vielen Seiten – nicht nur von Schalke-Trainer Felix Magath, sondern auch von ihrem ehemaligen Libero Franz Beckenbauer – als „bester Torwart der Welt“ bezeichnet.
Damit tut man keinem Torhüter einen Gefallen. Ich glaube: Wenn Thomas jetzt eine Super-Saison spielt, werden sie den Neuer nicht holen. Warum denn auch? Das wäre doch die beste Lösung.
Sollte Kraft bleiben, selbst wenn die Bosse Neuer verpflichten?
Auf keinen Fall. Dann würde ich den Bayern raten, einen älteren, erfahrenen Torhüter zu verpflichten – so wie sie das 2008 mit Jörg Butt gemacht haben. Einen Torhüter, der keine Ambitionen mehr hat. Obwohl das ja mit Butt dann alles ganz anders gekommen ist.
Hatte denn der junge Kraft, damals Trainingspartner von Rensing, schon immer das größere Talent?
Ja, Michael hat immer irrsinnig geschuftet. Es freut mich sehr, dass er jetzt den Job in Köln bekommen hat, danach hab’ ich ihm sofort gratuliert. Er war vom Talent her nicht der Überflieger, das weiß er selbst, aber er hat durch seine Einstellung zum Beruf alles erreicht, hatte den Fleiß und Ehrgeiz eines Oliver Kahn.
Und Kraft? Naturtalent oder Trainingsweltmeister?
Ich habe damals schon gesagt als Thomas 16, 17 Jahre alt war: Er hat die besten Anlagen. Meine Hoffnung ist: Kraft wird der neue Sepp!
Interview: Patrick Strasser
