Senor Heynckes und das Schicksal
BARCELONA Diese kleine, ganz persönliche spanische Meisterschaft des Jupp Heynckes führte ihn in zwei Jahren nach Villarreal, Madrid, Valencia und nun nach Barcelona. Der Bayern-Trainer in seiner dritten Heimat.
Mönchengladbach, „Münschen”, wie er sagt, und Spanien – egal, ob Bilbao, Teneriffa oder Madrid. Hauptsache Spanien. Für sieben Lebensjahre. An keinem Ort fühlt sich der gebürtige Mönchengladbacher so verstanden wie hier, obwohl es nicht seine Muttersprache ist. Wer den 67-Jährigen spanisch sprechen hört wie am Dienstag nach der Ankunft in Barcelona hat das Gefühl, dass in dieser Sprache mehr Herz und Gefühl zeigt, weicher, ehrlicher rüberkommt. Nicht so professionell und abgeklärt wie als Bundesliga-Routinier.
„Dem Trainer gefällt es in Spanien gut, die Sonne, das Klima. Man merkt ihm seine Erfahrung hier an, als wir ein Problem mit dem Aufzug hatten, hat er das sofort geregelt”, sagte Bastian Schweinsteiger. Heynckes blüht auf: Mit Höflichkeit, Diplomatie, Charme. Und Komplimenten eines eingemeindeten Gastarbeiters. Barcelona sei „eine wunderschöne Stadt mit großem kulturellen Wert”, sagte er, der ehemalige Real-Coach, auf Spanisch am Tag vor dem Halbfinal-Rückspiel der Champions League (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht angepfiffen). Barcelona sei „eine Stadt, in die er immer gern komme”. Als hole er sich die Absolution, in seiner Rentne mit seiner Frau Iris, also irgendwann, wiederkommen zu dürfen. Als Tourist in der Sagrada Família oder im Parc Güell. Dass er den Dortmundern im ersten Halbfinale in Madrid die Daumen gedrückt hatte, dafür entschuldigte er sich ausdrücklich („Da bin ich Patriot”). Nein, die Spanier lieben ihren „Don Jupp”, den sie stets beinahe ehrfurchtsvoll mit „Señor Heynckes” ansprechen.
Vor einem Jahr wollte es das Schicksal so, dass er im Bernabeu, der monumentalen Heimstätte der königlichen Madrilenen, das Finale der Champions League erreichte. Überstehen die Bayern das Rückspiel im Camp Nou, zieht Heynckes mit dem legendären Beckenbauer-Förderer Dettmar Cramer gleich. Der Trainer schaffte es 1975 und ’76 in zwei aufeinander folgenden Jahren das Endspiel des Europapokals der Landesmeister zu erreichen. Cramer gewann jedoch beide. Cramer 2:0, Udo Lattek 1:1, Ottmar Hitzfeld 1:1, Pal Csernai 0:1 und Louis van Gaal 0:1 – so die Bilanz der Trainer in Bayerns neun Finalen um Europas Krone.
Hält Heynckes am 25. Mai in London den Henkelpott in Händen, stünde es 1:1. Für ihn selbst 2:1. Mit Real gelang ihm der große Coup 1998.
Dann begänne erst das wahre Übel. Was tun? Was tun, wenn ganz Europa ihm mit 68 Jahren einen Job anbietet? Zurück zu Bilbao? Na ja. Etwa zu Real? Oder gar zu Barcelona – wer weiß? „Alle Topklubs Europas – sei es in Spanien, England oder Italien –, die ihren Trainerposten zu besetzen haben, werden über Jupp Heynckes nachdenken”, sagte Ottmar Hitzfeld der „Sport Bild”. Er selbst wisse, was er ab Sommer mache, betont Heynckes stets, und das „schon länger”. Sich zurückziehen? Raus aus dem Stress, der ihn jung hält?
In die ländliche Idylle seines Bauernhofes: Waldspaziergänge statt Coaching-Zone? „Es ist doch völlig normal, dass nach unseren Leistungen in den vergangenen ein, zwei Jahren spekuliert wird. Aber all die Angebote anzunehmen: Das wäre doch ein bisschen viel mit 68 Jahren”, kokettiert Heynckes. Eins reicht ja. Er, der Überehrgeizige, kann schlecht nein sagen.