Seitenhieb gegen Ex-Bosse des FC Bayern: Joshua Kimmich reagiert auf ZDF-Doku

München – Es ist eine Geschichte, die von Vertrauensverlust handelt, von einem gestörten Verhältnis, das sich womöglich auf die mittel- und langfristige Zukunft auswirken wird. Es ist die Geschichte von Joshua Kimmich und dem FC Bayern. In der Dokumentation "Anführer und Antreiber" über den Nationalspieler, die am 22. Juni um 23.45 Uhr im ZDF erstmals ausgestrahlt wurde, können sich die Zuschauer ein Bild davon machen, wie sich ein Klub und Spieler voneinander entfremden und weshalb die Gerüchte um einen Verkauf oder eine mögliche Trennung in einem Jahr nicht aus der Luft gegriffen sind. Seit 2016 war Kimmich für die Produktion von Filmautor Jan Mendelin begleitet worden.
Vertragsgespräche mit Kimmich erst nach der EM
Mit dem FC Bayern hat Kimmich bereits alles gewonnen. Acht Meisterschaften, dreimal den DFB-Pokal und die Champions League 2020. Für Uli Hoeneß und vor allem Karl-Heinz Rummenigge war der damals 25-Jährige der Kapitän der Zukunft.
In den vier Jahren darauf, verriet Kimmich 2021 im Zuge seiner Vertragsverlängerung, wollte er den Henkelpott noch zweimal holen, "weil ich der Meinung bin, dass wir eine sehr spannende Mannschaft haben. Wir haben viele junge Spieler, die schon auf einem ganz guten Niveau sind, aber noch nicht ihren Peak erreicht haben. So auch bei mir." Mittlerweile ist Kimmichs Vertrag beim FC Bayern längst erneut zum Thema geworden, im kommenden Sommer läuft dieser aus. Gespräche über eine Verlängerung dürften viel Fingerspitzengefühl benötigen, wenn sie überhaupt noch zu einem gemeinsamen Bekenntnis führen sollten.
"Dieses Vertrauen kann nicht über ein, zwei Gespräche wieder aufgebaut werden"
Um zu bleiben, braucht Kimmich das Vertrauen des Klubs – und genau darin scheint ein Knackpunkt zu liegen. Insbesondere in der Diskussion um seine Corona-Impfung fühlte sich der Mittelfeldspieler und nun wieder Rechtsverteidiger vom Rekordmeister alleingelassen. Das ist nun für jedermann in der Dokumentation nachzuvollziehen. Kimmich hatte während der Corona-Pandemie eine Impfung verweigert, zeitweise musste er als ungeimpfte Kontaktperson in Quarantäne und bekam währenddessen sein Gehalt von den Bayern gestrichen. Schließlich kündigte er an, sich doch impfen zu lassen.
"Ich bin jetzt fast sieben Jahre im Verein und es gab nicht so viele Skandale um meine Person und nicht so viele Dinge, die ich mir zuschulden habe kommen lassen", haderte Kimmich im März 2022. "Das war die erste 'Talfahrt'. Da habe ich gemerkt, wie der Verein reagiert hat und dementsprechend bin ich da schon enttäuscht und auch getroffen." Und weiter: "Dieses Vertrauensgefühl, das ich davor dem Verein gegenüber hatte, ist natürlich kaputtgegangen. Ich weiß nie, was an die Öffentlichkeit kommt, wenn ich jetzt mit dem ein oder anderen spreche. Das ist nicht so, dass dieses Vertrauen über ein, zwei Gespräche wieder aufgebaut werden kann."
Zoff mit dem FC Bayern? Kimmich reagiert auf ZDF-Doku
Nun hat Kimmich klargestellt, dass die kritischen Aussagen nicht das aktuelle Verhältnis zum FC Bayern darstellen. "Generell ist es zwei, drei Jahre her, zu einer Zeit, wo natürlich auch andere Leute da die Verantwortung hatten", sagte Kimmich nach dem 1:1 im EM-Spiel am Sonntagabend in Frankfurt gegen die Schweiz. Eine Spitze gegen die ehemaligen Bayern-Bosse? Damals hatten bei den Münchnern noch Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn das Sagen.
Aktuell habe er vom FC Bayern "noch kein Feedback" auf die ZDF-Doku bekommen. "Wie gesagt, die Aussagen sind von vor zwei, drei Jahren. Das ist das Besondere der Doku, dass es jetzt nicht gemacht wurde mit Aussagen, wie sie heute sind, sondern über die letzten Jahre", erklärte Kimmich weiter. Doku-Projekte laufen inzwischen über viele Jahre. "Dementsprechend ist die eine oder andere Aussage aus der Vergangenheit", so der Nationalspieler.
Unklar, ob sich das gestörte Verhältnis von der neuen sportlichen Führung um Max Eberl wieder kitten lässt. Kimmichs Worte wirken wie ein innerer Abschluss mit dem FC Bayern. Vincent Kompany, der neue Trainer, wird vermutlich recht bald das Gespräch mit Kimmich suchen, der das Gefühl braucht, dass auf ihn gesetzt wird.
Auf dem Platz begann die Zukunft mit Kimmich als Hauptansprechpartner des damaligen Trainers Julian Nagelsmann, aber eben nicht als Kapitän. Die Binde trug weiterhin Manuel Neuer. Unter Nagelsmann-Nachfolger Thomas Tuchel änderte sich das keineswegs zum Positiven: "Bisher war ich es immer gewohnt, dass die Trainer komplett von mir überzeugt sind. Das ist bei Thomas Tuchel nicht zu 100 Prozent der Fall", erklärte Kimmich in seiner Dokumentation. Auch da ließ der Klub den Dingen ihren Lauf.
Tuchel war zur Erkenntnis gekommen, dass für ihn im Mittelfeld andere Profile gefragt sind. Die "Holding-six"-Diskussion sprach Bände. Profile wie "Aleks von unserer U23" (Pavlovic, d.Red.), den Tuchel zunehmend zum Stammspieler formte, standen höher im Kurs. Das damals vorerst vergebliche Werben um Joao Palhinha kam hinzu.
Vertragspoker droht: Schlägt Hansi Flick im Sommer zu?
Und Kimmich? Hat beim FC Barcelona mit Hansi Flick einen großen Fürsprecher, der ihn 2020 in München zum Thiago-Nachfolger machte und auch in der Nationalmannschaft mit dem Michael-Jordan und Kobe-Bryant-Vergleich stärkte. Zieht der gebürtige Baden-Wüurttemberger noch ein Jahr durch, um bei einem ablösefreien Wechsel finanziell selbst mehr zu profitieren als bei einem Transfer in diesem Sommer?
Das wiederum wäre ganz bestimmt nicht im Sinne des FC Bayern, der mindestens noch eine Ablöse einstreichen möchte, sollte sich eine Trennung als unvermeidlich erweisen. Aber vielleicht nimmt darauf Joshua Kimmich einfach mal keine Rücksicht.