"Seine private Geschichte und kein großes Thema für uns": Wie der FC Bayern am Reizthema Boateng vorbeiwill

Kopenhagen - Das Spiel am Dienstagabend beim FC Kopenhagen? Nebensache. Im Grunde Pflichterfüllung für den FC Bayern, was die Punkte in der Champions-League-Gruppenphase betrifft. Die Hauptfiguren, um die es sich dieser Tage bei den Münchnern dreht, waren am Montag gar nicht dabei auf der Reise in die Hauptstadt Dänemarks.
Max Eberl, Wunschkandidat von Uli Hoeneß für den vakanten Posten des Sportvorstands, und Jérôme Boateng. Der Innenverteidiger, von 2011 zehn Jahre beim FC Bayern unter Vertrag, trainierte auch am Montag an der Säbener Straße mit – allerdings bei und mit den Spielern der Regionalliga-Mannschaft. Der 35-Jährige soll bis Ende der Woche unter Beweis stellen, ob er sich für einen Vertrag bis Saisonende empfehlen kann.
Der FC Bayern will Boateng, um den Nachteilen eines "kleinen Kaders" zu entgehen
Natürlich war die mögliche Rückkehr von Boateng auf der Pressekonferenz im Stadion "Parken" in aller Munde. "Generell ist es nicht das Thema von uns, wir Spieler entscheiden das nicht", meinte Kapitän Joshua Kimmich, "viele von uns haben viele Titel gemeinsam mit Jérôme gewonnen. Ich habe mich gefreut, ihn wiederzusehen." Weil der Weltmeister von 2014 hilft, wenn die etatmäßigen Innenverteidiger Dayot Upamecano (zuletzt Schambeinprobleme), Min-jae Kim (wieder fit nach muskulären Problemen) und Matthijs de Ligt (Knie) wieder einmal fehlen?
Boateng sei "als Backup" vorgesehen, sagte Bayerns Sportdirektor Christoph Freund vor dem Abflug, "er soll einspringen, wenn es sein muss." Weil der Kader gerade in der Abwehr sehr reduziert daherkommt. Dazu Kimmich: "Ein dünner oder kleiner Kader hat Vor- und Nachteile. Jeder Spieler weiß und merkt, dass er gebraucht wird. Es ist sehr wichtig, dass wir alle an Bord haben. Wenn alle Spieler fit sind, dann reicht das. Wenn wir aber drei verletzte Innenverteidiger wie zuletzt in Münster (Bayern gewann das Erstrundenspiel im DFB-Pokal mit 4:0, d.Red.) haben, dann wird es eng. Aber wir sind in der Lage, auch das zu lösen."
Für Tuchel gilt im Fall Boateng die Unschuldsvermutung: "Das muss einfach drin sein"
Doch da gibt es noch eine andere Ebene. Das Gerichtsverfahren wegen Körperverletzung und Beleidigung gegenüber seiner Ex-Freundin, das am Landgericht München I neu aufgerollt werden muss, weshalb es in den sozialen Medien große Diskussionen gibt über das Signal, dass ein Verein wie der FC Bayern damit aussendet.
Dazu sagte Trainer Thomas Tuchel am Montag in Kopenhagen: "Es gilt die Unschuldsvermutung, wenn ein Verfahren ausgesetzt ist. Das ist aktuell der Fall. Weil das so ist, haben wir als Fußballklub das Recht, Fußball-Entscheidungen zu treffen. Wir haben das Recht, einen verdienten Spieler, bei seinem Verein, wo er Erfolge hatte, mittrainieren zu lassen. Und dann werden wir eine Entscheidung treffen. Das muss einfach drin sein."

Die Bedenken zahlreicher Fans "verstehe" er, so Tuchel. Über den Entschluss, Boateng ein paar Tage unter die Lupe zu nehmen, meinte der 50-Jährige: "Jérôme lebt aktuell in München, hat sich über den Sommer fitgehalten und kein Angebot angenommen, weil es ihm nicht zugesagt hat. Wir haben entschieden, ihn mittrainieren zu lassen. Das ist ein verdienter Spieler, der über Jahre absolute Top-Leistungen gebracht hat. Da stehen die Türen offen. Es ist klar, dass wir das wohlwollend prüfen."

Boatengs Gerichtsverfahren: "Nicht so, dass es in der Kabine ein großes Thema ist"
Sportdirektor Freund, der Boateng als "sehr angenehmen Mann" kennengelernt habe, sagte zum Gerichtsverfahren: "In erster Linie spielen sportliche Überlegungen eine Rolle." Dass der Prozess gegen Boateng wegen Körperverletzung neu aufgerollt wird, sei "seine private Geschichte und kein großes Thema für uns". Es gelte "die Unschuldsvermutung". Auf diese Sprachregelung hat man sich offenbar beim FC Bayern verständigt. Danach gefragt, meinte Kimmich zögernd: "Ich weiß jetzt nicht genau, wie da der Stand ist." Nach einer Pause und der Hilfestellung eines Bayern-Mitarbeiters: "Ich kann dazu nichts sagen." Und schließlich: "Es ist nicht so, dass es ein großes Thema in der Kabine ist."
Ob all das und die möglicherweise neue sportliche Konkurrenz Unruhe in die Mannschaft bringe, wurde Tuchel noch gefragt. Dessen Antwort: "Habe ich nicht wahrgenommen, im Gegenteil." Es sieht also schwer danach aus, dass die Bayern das Ding mit Boateng durchziehen. Nach dem Motto: Augen zu – und durch?