Sebastian Rudy: Alonsos stiller Erbe

Sebastian Rudy ist beim FC Bayern der Gewinner der Vorbereitung. Davor hatte ihn kaum jemand auf dem Zettel, jetzt gilt er als Nachfolger des Spaniers. "Einer der am meisten unterschätzten deutschen Topspieler".
München - Sebastian Rudy ist leicht zu übersehen. Nicht sonderlich groß oder breit, kein aufwendiges Brillengestell, keine auffällige Frisur.
In diesem Sommer aber führte bislang kein Weg an ihm vorbei: Beim Confed Cup gehörte er unter Bundestrainer Joachim Löw zum Stammpersonal, und auch bei Bayern-Trainer Carlo Ancelotti dürfte der 27-Jährige Stammgast in der Aufstellung sein.
Als im Januar der Doppel-Transfer von Rudy und dem 21-jährigen Niklas Süle von 1899 Hoffenheim zum FC Bayern offiziell wurde, dachten viele: Süle? Klar. Der Innenverteidiger hatte nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen das Interesse vieler Vereine geweckt. Aber Rudy?
Rudy, der ablösefrei kam, hatte bis dahin fünf Pflichtspiele im Trikot der Nationalmannschaft gemacht, aus dem vorläufigen EM-Kader wurde er 2016 gestrichen. Schnell prophezeiten ihm viele ein ähnliches Schicksal wie Sebastian Rode, Jan Kirchhoff, Pierre-Emile Höjbjerg und Nils Petersen. Gut - aber für die hohen Ansprüche des Rekordmeisters eben nicht gut genug.
Dann zog der Schwabe beim Confed Cup in Russland, den die deutsche Auswahl mit dem Sieg krönte, souverän und unerschrocken die Fäden im defensiven Mittelfeld. "Es gibt viele Menschen, die vielleicht manchmal unterschätzt werden, obwohl sie sehr ehrgeizig und mutig sind - wenn man es analysiert, steckt sehr viel dahinter", sagte der ehemalige Münchner Sportvorstand Matthias Sammer. Das sieht auch der ehemalige Kaderplaner der Münchner, Michael Reschke, so. Er hatte Rudy einst den "am meisten unterschätzten deutschen Topspieler" genannt - und ihn nach München geholt.
"Bayern München kann man zu dieser Verpflichtung nur gratulieren. Was mich beeindruckt hat, sind seine Aussagen: Er müsse sich weiter verbessern, er müsse sich weiter steigern. Er hat ein Gen in sich, das total zum FC Bayern, zu den Besten passt", sagt Eurosport-Experte Sammer. Rudy habe "eine unglaubliche Klarheit in seinem Spiel", außerdem eine "große Spielintelligenz", hinzu kämen Spielfreude, Ballsicherheit und Zweikampfstärke.
"Das sind außergewöhnliche Fähigkeiten", betont der ehemalige Sportvorstand des FC Bayern, und behauptet: "Wenn er jetzt eine Konstanz in seine Leistungen bringt, wird er der Stabilitätsfaktor. Nicht nur beim FC Bayern München, sondern auch bei der Nationalmannschaft."
Rudys vielleicht größtes Glück: Durch den Rücktritt von Xabi Alonso ist dessen Stelle vakant. Mit Rekord-Transfer Corentin Tolisso und Arturo Vidal ist die Konkurrenz dort zwar groß, doch spätestens nach dem Sieg im Supercup bei Borussia Dortmund (5:4 i.E.) feierten viele Rudy schon als Alonsos Nachfolger.
Rudy selbst hält sich naturgemäß eher zurück. "Xabi Alonso war ein herausragender Spieler. Jeder weiß, was für eine unglaubliche Qualität er über die ganzen Jahre gezeigt und wie viele Titel er gesammelt hat", sagte Rudy: "Wenn ich mit ihm in einem Satz genannt werde, ist das natürlich eine Ehre. Das nehme ich gerne an."