Schweinsteiger weg - Der Druck auf Guardiola wächst
Nach dem Abschied von Bastian Schweinsteiger hat Pep Guardiola ein Problem in seinem Luxus-Kader weniger, der Druck auf den Trainer des FC Bayern wird nun aber noch größer.
München - Bei den Fans waren die Schuldigen für den Wechsel ihres Fußballgottes Bastian Schweinsteiger schnell gefunden: Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, vor allem aber Trainer Pep Guardiola. Der Spanier hatte sich bei der Teampräsentation erstmals in seiner zweijährigen Amtszeit beim FC Bayern Pfiffe gefallen lassen müssen.
Das Grummeln der Basis nach dem Abschied der Identifikationsfigur Schweinsteiger macht eines deutlich: Der Druck auf Guardiola ist noch einmal größer geworden, der 44-Jährige ist in München zum Erfolg verdammt. In seinem dritten und möglicherweise letzten Jahr beim deutschen Fußball-Rekordmeister ist die Meisterschaft, aber auch der Titel in der Champions League fast schon Pflicht, um in die Münchner Annalen einzugehen.
Das bayerische Lebensgefühl geht mehr und mehr verloren
Auch wenn der Transfer von Schweinsteiger zu Manchester United sportlich durchaus vertretbar ist, verkörperte der 30-Jährige das bayerische "Mia san Mia", das sich die Münchner auf die Fahnen geschrieben haben, wie kein anderer im Starensemble. Und diese Philosophie, dieses bayerische Lebensgefühl, so die Befürchtung vieler Anhänger, geht mit Guardiola mehr und mehr verloren.
Immer wieder müssen sich deshalb auch Rummenigge und Sportvorstand Matthias Sammer die Frage gefallen lassen, ob Guardiola inzwischen nicht zu viel Macht genießt und ob sich der Klub nicht zu sehr den Vorstellungen des Trainers, dessen Vertrag im kommenden Sommer ausläuft und der noch immer kein klares Bekenntnis zum FC Bayern abgegeben hat, unterwirft. Doch die beiden Verantwortlichen wehren sich stets vehement gegen derartige Bedenken. Guardiola möge die Kultur des FC Bayern, hatte Rummenigge zuletzt betont. Es gebe keine Wunschliste des Trainers, sagte Sammer. Der FC Bayern sei unheimlich stabil aufgestellt - und überhaupt würden die Interessen des Vereins immer über denen des Trainers stehen. Auch im Fall Schweinsteiger, behauptete Rummenigge, habe Guardiola "keine Rolle gespielt. Bastian ist nicht vom Trainer geflüchtet."
Der Realität entspricht dies wohl nicht. Schweinsteiger spürte nie die volle Rückendeckung des Spaniers. Guardiola hat jetzt immerhin ein Problem weniger, nachdem er oft genug ohne großen Erfolg versucht hatte, Schweinsteiger zusammen mit Xabi Alonso, Thiago oder Philipp Lahm ins Bayern-Spiel zu integrieren. Durch den Wechsel Schweinsteigers ist zwar außerhalb des Platzes bei den Bayern eine große Lücke entstanden, auf dem Spielfeld ist diese dagegen vergleichsweise klein. Für die Sechser-Position, die der zuletzt verletzungsanfällige Schweinsteiger am liebsten ausfüllte, hat Guardiola in Thiago, Alonso, Lahm, Sebastian Rode, Javi Martínez, Joshua Kimmich oder auch David Alaba immer noch genügend Alternativen.
Jetzt müssen andere mehr Verantwortung übernehmen
Für Rummenigge war der Transfer deshalb auch in Bezug auf den geplanten Umbruch bei den Bayern ein logischer Schritt. Man benötige "frisches Personal", meinte er geschäftsmäßig und fügte trocken an: "Jetzt muss der eine oder andere Spieler mehr Verantwortung übernehmen." Neben Kapitän Lahm und Torwart Manuel Neuer stand Vize-Kapitän Schweinsteiger in der Hierarchie beim FC Bayern immerhin ganz oben. Nun sollen Thomas Müller, der am ehesten das Potenzial als künftige Münchner Identifikationsfigur besitzt, und auch Jerome Boateng noch mehr in den Fokus rücken. Boateng kündigte in einem Interview auf der Bayern-Homepage am Dienstag schon mal an, seinen Beitrag leisten zu wollen, die Schweinsteiger-Lücke zu schließen: "Ich bin auch an einem Punkt, an dem ich mehr Verantwortung übernehmen will und kann." Boateng und Co. sollen die Mannschaft in der Post-Schweinsteiger-Ära zu neuen, großen Erfolgen führen - dann wird es auch keine Pfiffe gegen Guardiola mehr geben.