Schweinsteiger: Lieber Erfolg haben als geliebt werden

Bayerns Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger spricht im großen AZ-Interview über sein Image, seinen Körper sowie die heutige und die frühere Spielergeneration.
Gunnar Jans, P. Strasser |
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Ein Straßen-Schild als Geschenk: Bayerns Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger, hier in der Agentur Avantgarde, freute sich über das Mitbringsel der AZ. Reiner Zufall übrigens, vor welchem Wahrzeichen er für das Foto posierte: Londons  Tower Bridge. Foto: Jans
Foto: Jans Ein Straßen-Schild als Geschenk: Bayerns Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger, hier in der Agentur Avantgarde, freute sich über das Mitbringsel der AZ. Reiner Zufall übrigens, vor welchem Wahrzeichen er für das Foto posierte: Londons Tower Bridge. Foto: Jans

AZ: Herr Schweinsteiger, nach Ihren starken Spielen rudern jetzt auch die Experten zurück. Olaf Thon etwa bezeichnete Sie in der AZ als „überragend“, schloss aber auch nicht aus, Sie mit seiner Kritik zuvor angestachelt zu haben. Jetzt fehlt nur noch Günter Netzers Entschuldigung.
BASTIAN SCHWEINSTEIGER: Ich denke, ich habe zu diesem Thema genug gesagt. Eins nur: Die Leute sind zu weit weg, um mich korrekt zu beurteilen.

AZ: Wir gehen jetzt mal davon aus, dass Sie nach Ende Ihrer Karriere nicht als TV-Experte arbeiten wollen?
Viele meiner früheren Mitspieler haben das früher gesagt. Man soll zwar niemals nie sagen. Aber ich glaube, dass ich mich da eher fern halten werde. Eben weil ich dann nicht nah genug dran wäre.

AZ: Von wem nehmen Sie Kritik an?
Eigentlich nur vom Trainer, meinen Mitspielern oder von denen, die nah an der Mannschaft sind. Denn nur die wissen, wie man tickt, wie man zu funktionieren hat und was man auf dem Platz zu tun hat.

AZ: Sie haben Jupp Heynckes angesprochen. Wie hoch ist sein Anteil am aktuellen Erfolg?
Sehr hoch. Der Trainer ist einer der Schlüsselpunkte. Jupp Heynckes hat ein unglaublich gutes Gespür, wie er mit der Mannschaft umgehen muss, er hat so viel Respekt verdient. Er ist jetzt 67 Jahre alt und hat noch so eine unglaubliche hohe Leidenschaft, ist mit so viel Herzblut dabei.

AZ: Was werden Sie in seinem Alter machen?
Ich mit 67? Da sitze ich irgendwo an einem See, trinke Cappuccino und esse Kuchen.

AZ: Ganz direkt gefragt: Wie alt fühlen Sie sich aktuell?
Wenn ich heute die Jungen sehe, denke ich mir oft: ich wäre auch gerne nochmal 20, hätte einen Super-Körper, mir würde nichts weh tun. Ich habe mit Arjen (Robben, d.Red.) gesprochen, dem geht es genauso, er wäre auch gerne nochmal zehn Jahre jünger. (lacht) Aber das ist nicht die ganze Wahrheit.

AZ: Sondern?
Ich bin andererseits sehr froh, noch die Generation mit Kahn, Effenberg, Ballack, Sagnol & Co. miterlebt zu haben. Zum Fußball gehört nicht nur Talent, sondern Wille und harte Arbeit. Die heutige Generation ist eine andere, die Typen im Fußball haben sich verändert.

AZ: Was können Sie den Teenagern von heute mit auf den Karriere-Weg geben?
Ich sage den Jungen oft, sie sollen sich früh um ihren Körper kümmern, sich pflegen. Ich habe damit etwas zu spät angefangen. Für so einen jungen Burschen hört es sich zunächst blöd an, aber die verstehen mich schon.

AZ: Gab es da für Sie ein Schlüsselerlebnis?
Nein, das nicht. Eher dieses generelle Gefühl: Wenn du nach einem Spiel völlig leer bist, dich nicht mehr bewegen kannst in der Kabine, dann denkst du dir: das gibt’s doch nicht! Nachdem ich meine Einstellung geändert hatte, konnte ich schneller regenerieren. Nach dem Spiel um Platz drei bei der WM in Südafrika habe ich mir gedacht: Hey, ich könnte jetzt noch ein Turnier spielen.

AZ: Sie sind Vize-Kapitän, nehmen sich auffallend oft der Jungen in der Mannschaft an.
Als ich jung war, war ich froh, wenn ein älterer Spieler mit mir gesprochen hat, mir unter die Arme gegriffen hat. Das habe ich dann aufgesogen. Also rede ich viel mit den Jüngeren. Ich will ihnen so viel und so gut wie möglich helfen – auf dem Platz und außerhalb. Natürlich will ich nicht mit zu ihnen nach Hause fahren und kontrollieren, ob sie ihre Haare färben oder sich die Fingernägel schwarz lackieren. Ich habe ja da einige Erfahrung gesammelt. (lacht) Aber Fehler gehören dazu. Wenn ich was falsch gemacht habe, habe ich auch die Watschn dafür bekommen. Man darf Fehler nur nicht zwei- oder dreimal machen. Man muss daraus lernen, ich habe selten einen Fehler zweimal gemacht.

AZ: Im Moment, so scheint es, machen Sie und Bayern gar keine Fehler. Ist die aktuelle Mannschaft, auf dem besten Weg zum Triple, der stärkste FC Bayern, für den Sie je gespielt haben?
Wir haben jetzt 20 Spieler auf beinahe gleich hohem Niveau, da hat der Trainer eine wunderbare Auswahl, mehr Qualität auf der Bank. Wenn ich ein Trainingsspiel elf gegen elf von uns sehe, dann könnte das beinahe eine Champions-League-Partie sein, mindestens ein Top-Bundesliga-Spiel. Das war in den Jahren davor nicht ganz der Fall. Außerdem gewinnen wir jetzt viele Spiele von der Bank aus, durch Einwechslungen.

AZ: Wenn man den aktuellen Lauf sieht – was ist anders als letztes Jahr, mit dem Vize-Triple?
Der für mich entscheidende Unterschied ist: Wir treten sowohl in der Offensive als auch in der Defensive als Mannschaft auf. Kleinigkeiten machen wir noch nicht perfekt, aber besser als in der letzten Saison. Ich hoffe, dass wir – wenn die richtig großen Spiele kommen – unser absolutes Top-Niveau erreichen, wie jetzt gegen Dortmund oder in London bei Arsenal.

AZ: Jetzt geht’s in die heiße Phase, den Frühling.
Wir spielen eine exzellente Saison – bis jetzt. Aber wir müssen schauen, dass wir überhaupt so weit kommen wie letztes Jahr. Es ist nicht selbstverständlich ins Champions-League-Finale zu kommen.

AZ: Wie sehr wirkt das verlorene Drama dahoam noch nach – und wie sehr hilft es als Motivations-Elixier?
Durch dieses Negativ-Erlebnis sind wir als Mannschaft enger aneinander gerückt. Wenn wir jetzt mal was gemeinsam unternehmen, dann sind alle dabei, das ist ein gutes Gefühl. Nicht nur elf, nein, 22 oder 23 Leute. Ich glaube, dass wir eine geschlossene Einheit sind, auch dann, wenn es mal nicht so läuft.

AZ: Hilft manchmal auch Reibung als Energie-Erzeuger?
Es muss auch Reibung geben, aber nie respektlos oder beleidigend. Das darf nicht passieren! Im Team muss eine Harmonie da sein. Wenn es gut läuft, ist es natürlich einfacher. Ich mag es, wenn sich die Mannschaft geschlossen wehrt – wie etwa am Wochenende gegen die Rückstände im Düsseldorf-Spiel. Dann spüre ich, ob die Mannschaft intakt ist, ob jeder für den anderen läuft, ob jeder für den anderen Gras frisst. Wenn das nicht der Fall ist, muss man miteinander reden. Wir alle wollen den maximalen Erfolg. Letztes Jahr waren wir hin und wieder nicht geschlossen, haben dadurch Punkte verloren. Das hat uns die Meisterschaft gekostet.

AZ: Und dann kommt im Sommer auch noch Pep Guardiola, der Coach, den alle Top-Klubs haben wollten. Losgelöst von Guardiola persönlich – welche Signalwirkung hat das?
Jetzt hat man die Möglichkeit, solche Persönlichkeiten nach München zu holen. Das macht einen stolz, das zeigt die Stärke und die Anerkennung, die der Verein weltweit genießt. Der FC Bayern ist auf einem guten Weg, so muss es weiter gehen. So sehe ich das auch für mich. Ich habe schon einige Erfolge errungen, aber ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, den Champions-League-Pokal in Händen zu halten. Wir sind in der Lage, weit zu kommen. Aber: Dieses Jahr war es das größere Ziel, die Meisterschaft wieder nach München zurückzuholen. Für die Pokal-Wettbewerbe ist es ein Vorteil, dass wir in der Liga so einen großen Vorsprung herausgeholt haben. Aber es ist kein Versprechen.

AZ: Dieses Jahr werden Sie sicher nicht mit leeren Händen dastehen wie 2012 – und doch war Ihnen da trotz Ihres im Finale verschossenen Elfmeters die Anerkennung der Fans immer gewiss. So gut erging es nicht jedem in Ihrer Mannschaft. Macht Sie das stolz?
Wissen Sie: Image, Anerkennung und Respekt sind mir nicht so wichtig in meinem Leben. Ich möchte glücklich sein, mit dem was ich mache, mit meinem Sport. Ich möchte Spaß haben mit meiner Mannschaft, dass wir einen Plan haben, dass wir erfolgreich sind. Ich verstelle mich nicht für irgendjemanden, das liegt nicht in meiner Natur.

AZ: Möchte nicht jeder Anerkennung erfahren und geliebt werden?
Es gibt ja auch Leute, die erfolgreich sind und Anerkennung erfahren, aber nicht nur gemocht werden. Die ein bisschen anders sind. Wie Eric Cantona, der war beliebt, aber ihn mochten auch nicht alle. Oder José Mourinho, der bewusst aneckt. Er will einfach Erfolg haben – so ist es bei mir auch. Mir ist es lieber, Erfolg zu haben, als groß geliebt zu werden.

 

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