Schweinsteiger, der heimliche Capitano

Beim FC Bayern ist er offiziell nur dritter Kapitän, bei der Nationalmannschaft streiten Kollege Lahm und Ballack um die Binde. Doch der „emotionale Leader“ ist ohnehin der Star aus Oberaudorf
MÜNCHEN Wenn Bastian Schweinsteiger in der Allianz Arena den Rasen betritt, begrüßen die Fans ihn als „Fußballgott“. Neben Franck Ribéry und Thomas Müller bekommt der Oberaudorfer mittlerweile den meisten Applaus bei den Bayern. Der 26-Jährige, seit 2002 in der Mannschaft und damit dienstältester Profi des Rekordmeisters, ist Publikumsliebling.
Ein Status, den er sich hart erarbeiten musste. Schweinsteiger weiß noch genau, wie er letzten November bei der Jahreshauptversammlung ausgepfiffen wurde. „Das hat mich damals schwer getroffen. Der Moment wird mir immer in Erinnerung bleiben“, hat Schweinsteiger nun in einem Interview der Zeitschrift „11 Freunde“ gestanden.
Die öffentliche Demütigung nagte an ihm. Heute bezeichnet er diesen Augenblick als eine Schlüsselszene seiner Karriere. Möglicherweise war dies der Anfang einer Entwicklung, in der aus Schweini der Bastian Schweinsteiger wurde, als der er sich heute sieht. Als aus dem unbekümmerten Bruder Leichtfuß, der einst mit einer angeblichen Cousine im Whirlpool des Trainingsgelände erwischt wurde und dem Uli Hoeneß den „Puder aus dem Hintern blasen“ wollte, ein Leader wurde, der auf dem Platz Verantwortung übernimmt, ein teils unglaubliches Laufpensum an den Tag legt und sich auch nach den Spielen vor allem um die jüngeren Kollegen kümmert. Er ist mittlerweile Kopf und Herz der Bayern.
Bundestrainer Joachim Löw verlieh Schweinsteiger, der angesichts seiner bislang 81 Länderspiele irgendwann wohl Rekordnationalspieler sein wird, vor der WM in Südafrika den Ehrentitel „emotionaler Leader“. Schweinsteiger, der gefühlte Kapitän.
Bei Bayern ist das ähnlich. Coach Louis van Gaal ernannte ihn schon vor der letzten Saison zum dritten Kapitän hinter Mark van Bommel und Philipp Lahm. Doch Schweinsteiger ist längst der heimliche Capitano, er ist der Kapitän der Herzen – auch ohne Binde. „Natürlich hat es mich geehrt, als van Gaal mich damals zum dritten Kapitän gemacht hat. Aber ich hätte das nie eingefordert“, sagt Schweinsteiger.
Die Kollegen hören auch so auf ihn. Schweinsteiger ist es, der bei der Nationalelf und beim FC Bayern vor dem anpfiff im Spielerkreis das Wort hat. „Mir geht es darum, den anderen nochmal die Wichtigkeit des Spiels zu verdeutlichen und in wenigen Sätzen klar zu machen, was auf dem Spiel steht“, erklärt er.
Das kommt an. „Bastian ist vielleicht nicht der geborene Leader, der von Anfang an Verantwortung übernommen hat“, sagt Verteidiger Daniel van Buyten, „aber er ist gut in diese Rolle hineingewachsen. Er hat sich toll entwickelt, hat ein riesen Selbstbewusstsein, ist immer anspielbereit, immer da, wenn man ihn braucht.“ Eine Einschätzung, die der derart Gelobte selbst teilt. „Bei konstant guten Leistungen kann man Verantwortung übernehmen. Ist es nicht in jedem Beruf so, dass es nach ein paar Jahren leichter wird, Erfahrungen weiterzugeben?“, fragt Schweinsteiger. Er jedenfalls tut das. Linksverteidiger Diego Contento etwa bezeichnet ihn als „Vorbild“. Es sei „eine Ehre“, mit ihm zusammenzuspielen.
Filippo Cataldo