Schumacher: "Was Bayern mit Rensing macht, gefällt mir nicht"

Ex-Nationalkeeper Toni Schumacher kritisiert Klinsmanns Entscheidung – und hält es dennoch für etwas Besonderes, Torhüter der Bayern zu sein.
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Ex-Nationalkeeper Toni Schumacher kritisiert Klinsmanns Entscheidung – und hält es dennoch für etwas Besonderes, Torhüter der Bayern zu sein.

MÜNCHEN Erst hinter Jörg Butt zur Nummer zwei degradiert – und jetzt auch noch verletzt: Für Michael Rensing kommt es dieser Tage knüppeldick. Für den an einer Sehne der Hand lädierten Torhüter wird der 20-jährige Thomas Kraft als Nummer zwei mit den Bayern zum Auswärtsspiel nach Bielefeld reisen.

Der FC Bayern, seine aktuellen Keeper und der Fall Rensing – im AZ-Interview nimmt der frühere Nationalkeeper und Ex-Bayern-Torwart Toni Schumacher Stellung.

AZ: Herr Schumacher, Sie müssen es wissen: Warum heißt es, ein guter Torwart sollte ein Egozentriker sein?

TONI SCHUMACHER: Das alte Klischee stimmt. Torhüter sind einfach andere Typen als die übrigen zehn Mann auf dem Platz. Welcher Mensch mit klarem Kopf riskiert es schon, sich vor die Beine des Stürmers zu werfen? Der Torwart muss die Drecksarbeit für seine Vorderleute erledigen. Er kann Aggressionen nicht so einfach abbauen wie etwa ein Verteidiger, der sich dann einfach in einen Zweikampf werfen kann. Und der Torwart ist am nächsten dran an den Zuschauern. Diese Situationen übersteht niemand unbeschadet. Deshalb sind Torhüter einfach besondere Typen. Und die ganz besonderen Typen sind einfach die besten und werden dann auch Nummer eins in der Nationalmannschaft.

Gibt’s diese Typen heute noch?

Nein, die sind nicht mehr da. Auch weil die Rotation viel größer ist als noch zu meiner Zeit. Die Spieler bleiben nicht mehr so lange bei ihren Vereinen, sind nach ein bis zwei Jahren weg und denken dann schon wieder an einen Wechsel. Ist ja auch gut fürs Portemonnaie. Dann kommt noch der Berater und sagt: Wird mal wieder Zeit, Junge. Der will ja auch immer was mitverdienen.

Aber daran alleine liegt es doch nicht, dass in der Bundesliga die Rolle des besonderen Typen à la Oliver Kahn nicht mehr besetzt ist?

Heute trauen sich die Spieler nichts mehr. Die Öffentlichkeit und das Fernsehen schaut viel genauer hin als zu meiner Zeit. Das Interesse ist größer. Da lässt sich kaum einer mehr zu einem Spaß oder Unsinn hinreißen, wie das Mehmet Scholl oder Mario Basler gerne gemacht haben. Heute wird vom Fernsehen alles auseinandergepflückt und dem Spieler vor die Nase gehalten.

Michael Rensing musste lange warten, bis er Oliver Kahn beerben durfte. Dann wurde ihm plötzlich von Trainer Klinsmann das Vertrauen entzogen. War Rensing am Ende ein zu geduldiger und freundlicher Typ, der einfach nicht in Ihr Rollenmodell des Torhüters als Freak gepasst hat?

Vielleicht. Ich war ja immer ein Verfechter der Extrovertierten. Alle großen Torhüter waren extrovertiert und auf ihre Weise unangenehm. Oliver Kahn ist das typische Beispiel. Auch Sepp Maier war natürlich so einer. Ich habe auch zu Schalkes Manuel Neuer immer gesagt: Junge, du musst aus dir rausgehen, darfst dich nicht verstecken. Was ich aber nicht verstehe, ist, wenn sich der Cheftrainer in das Torwartgeschäft einmischt.

So wie Klinsmann es beim Fall Rensing getan hat?

Ich habe mich bei Michael Rensing von Anfang an gefragt: Ob das wohl gutgeht? Klar, als Nachfolger von Oliver Kahn hat man es ganz schwer. Ich wusste, es kann mit Rensing im Bayern-Tor nur klappen, wenn die Verantwortlichen hinter ihm stehen. Denken wir mal an Iker Casillas (Kapitän der spanischen Nationalmannschaft und Torhüter bei Real Madrid, die Red.), der hat schon mit 18 Champions League gespielt. Damals hat er noch nicht so gehalten wie heute. Da gab es auch Diskussionen. Aber ihm wurde der Rücken gestärkt. Was man mit Rensing bei Bayern macht, das gefällt mir nicht. Dass ihn Klinsmann einfach fallen lässt und zur Nummer zwei macht, verstehe ich nicht.

Wird der Einfluss des Torhüters auf das Spiel einer Mannschaft generell nicht überschätzt?

Wie hat Bayern in Barcelona denn gespielt?

Sie haben mit Jörg Butt statt Michael Rensing im Tor ziemlich beschämend 0:4 verloren.

Na, also. Der Torwartwechsel hat offensichtlich nichts gebra cht. Klinsmann wollte vor dem Spiel ein Zeichen setzten: Seht her, ich verändere was! Ich bringe den Erfahrenen für den Jungen. Aber dass den Torwart in Barcelona eher geringe Schuld getroffen hat, ist auch klar.

Sie kamen 1991/92 für acht Spiele zu den Bayern. Damals war die Situation ähnlich wie heute: Bayern in der Krise, Sie als erfahrener Torwart mussten einspringen.

Dass ich zu Bayern kam, war auch eher zufällig. Mein Kumpel und Stammkeeper Raimond Aumann hat mich angerufen und gesagt: Toni, ich bin verletzt. Kommst du her? Ich sagte: Selbstverständlich, wenn du mich darum bittest. Ersatzmann Gerald Hillringhaus sah in einigen Spielen unglücklich aus. So kam ich ins Tor. Aber ich habe mich total zurückgehalten – und Hillringhaus eher unterstützt.

Sie waren Jörg Butts Torwarttrainer in Leverkusen. Würden Sie ihm wünschen, er bliebe langfristig die Nummer eins?

Klar. Nummer eins im Bayern- Tor zu sein, würde ich ihm auf jeden Fall zutrauen. Sein Alter ist kein Problem. Ob ein Torwart 34 oder 38 ist, spielt keine Rolle. Solange er gut hält. Ich jedenfalls würde auch heute noch gerne für Bayern im Tor spielen...

Aha, Sie haben also Ambitionen, Nachfolger des Rensing-Nachfolgers zu werden.

War natürlich ein Scherz. Aber Bayern ist einfach der beste Verein in Deutschland. Dort zu arbeiten ist etwas ganz Besonderes.

Bayern sucht nun einen neuen Keeper. Wen empfehlen Sie? Robert Enke? Rene Adler?

Natürlich hätte ich den einen oder anderen Tipp für die Bayern. Aber einen Keeper zu finden, ist der Job des FC Bayern, nicht meiner.

Interview: Reinhard Keck

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