Scholl: Der vorlaute Junior-Chef

Die AZ beobachtet Mehmet Scholl bei seinem ersten Training mit Bayerns Drittliga-Team. Gerland sieht zu – und feixt sich eins.
MÜNCHEN Es hatte ein bisschen was von Schule, diese erste Unterrichtsstunde von Mehmet Scholl, dem dabei die Rolle des Referendars zukam. Ganz alleine durfte der 38-Jährige seine erste Trainingsstunde am Dienstag ab 10 Uhr auf einem hinteren Platz an der Säbener Straße nicht abhalten. Die Aufsicht hieß: Werner Kern, der Jugendkoordinator des FC Bayern, plus Hermann Gerland.
Beide standen am Rande des Platzes und beäugten, was Scholl, der Teilzeit-Gerland, mit Gerd Müller an seiner Seite da so machte. Ein paar Rentner, eine Handvoll Reporter und Fotografen, immerhin mehr als sonst üblich, waren Augenzeugen.
„Zwei Kontakte und immer den Nebenmann suchen!“, rief Scholl. Wenn ihm etwas gefiel, lobte er: „Das hast du gut gemacht, sehr schön.“
Es waren quasi die ersten Schritte des Trainers Mehmet Scholl. Die ersten mit Erwachsenen, auch wenn viele aus der Drittliga-Mannschaft der Bayern freilich noch Teenager sind. Er ist ein Junior-Chef.
Scholl war dick eingepackt in eine Trainingsjacke, zwischendrin lehnte er lässig am Pfosten, als würde ihn der Alltag des Jobs langweilen. 90 Minuten ließ er die Jungs üben, besonders für Stephan Fürstner (21) und Christian Saba (30), den Amateur-Routinier, dürfte es merkwürdig gewesen sein: Mit beiden hat Scholl früher als Spieler bei den Profis gemeinsam geübt. Nun ist er Boss. Das war er zuvor auch schon, doch seine Akteure waren zwölf, 13 Jahre alt. Auch da hatte er Verantwortung, seit Sommer vergangenen Jahres – für 500 Euro im Monat (laut Eigenauskunft). Nun aber beginnt der Ernst des Trainerlebens, am Freitag mit einem Auswärtsspiel in Erfurt.
„Das ist eine Chance für mich jetzt und hier mit den Jungprofis. Hier habe ich mehr Spaß als im Büro, das liegt mir mehr", sagte Scholl, „ich habe die B-Lizenz gemacht, im Sommer mache ich die A-Lizenz, das ist die logische Folge." So sieht er es. Und hat es auch im Verein immer so proklamiert.
Nun ist er dran. Gerland freut's. Weil dann auch seine langjährige Basis-Arbeit künftig wohl wieder mehr gewürdigt wird. Gerland, der den Heynckes-Assistenten gibt, sagt: „Wenn man intern immer so vorlaut ist wie der Mehmet, soll man auch irgendwann sagen: ,Ja, ich mache es'. Die Jungs aus der Profimannschaft meinen immer, das ist so einfach, so ein Training zu leiten. Ich sage seit 25 Jahren das gleiche, und manche glauben es immer noch nicht. Jetzt soll er mal schauen, wie das geht. Am Montag hat er zu Uli gesagt, jetzt bekommt die Drittliga-Mannschaft endlich einen gescheiten Trainer."
Viel falsch machen kann Scholl kaum in den letzten fünf Spielen. Der Klassenerhalt, das Minimalziel der zweiten Mannschaft ist geschafft. Er darf sich ausprobieren, sich beweisen. „Mein Ziel ist es, ein guter Trainer zu werden. Einfach zu wissen, was man tut“, sagte Scholl. 334 Bundesliga- (87 Tore), 88 Europacupspiele (18 Tore) stehen in seiner Vita, acht Meisterschaften, fünf DFB-Pokalsiege sowie je einen Triumph in der Champions League, im Weltpokal und im Uefa-Cup. Als Trainer steht Scholl bei Null.
Nun hat er eine Chance bekommen. Mit einem Augenzwinkern meinte er: „Man sieht doch: Man kann nichts planen - vielleicht ist das ganz gut so.“ So weiß er auch nicht, was im Sommer passiert. Gerland wird nach seinem Profi-Intermezzo wieder ins zweite Glied zurückkehren, das steht fest. Und Scholl? Wird er dann neben Gerd Müller zweiter Assistent? Achselzucken.
Gerland verlangt lediglich eins: „Ich hoffe, dass ich die Mannschaft in einem besseren Zustand zurückbekommen werde.“ Dann bekommt der vorlaute Schüler auch gute Noten.
Patrick Strasser