Scholl, der Babysitter

Beim 4:0 gegen Emden feiert Mehmet Scholl sein Heimdebüt als Trainer der kleinen Bayern – und gibt sich bescheiden: „Ich lerne jeden Tag dazu“
MÜNCHEN Eigentlich ist es ein eher bedeutungsloses Spiel. Kickers Emden, der Stolz Ostfrieslands, gastiert bei den kleinen Bayern. Ein Drittligaspiel, in dem es für die Teams darum geht, die Saison hinter sich zu bringen. Doch für einen ist’s ein außergewöhnlicher Nachmittag im Grünwalder Stadion. Für den Interims-Trainer Mehmet Scholl. Der 38-jährige Fanliebling, der seine aktive Karriere 2007 beendet hat, gibt an diesem Samstag auf der Bank der kleinen Bayern sein Heimdebüt.
Und er wirkt – zumindest nach außen – so professionell, als mache er seit Jahren nichts anderes. Scholl fuchtelt am Spielfeldrand wie wild mit den Händen, winkt seine Spieler immer wieder zu sich, gibt Anweisungen, schimpft oder nickt. Ein bisschen Gelassenheit à la Hitzfeld, ein bisschen Theatralik à la Trapattoni, ein bisschen Seriosität à la Magath.
Von den Spielern lässt Scholl sich siezen, obwohl er mit manch einem noch selbst zusammen gespielt hat. „Es geht nicht ohne Abstand und Respekt“, sagt er. Das Outfit unterstreicht dies: In schwarzer Stoffhose, dunklem Hemd und schwarzer Wolljacke hebt er sich von der Trainingsanzugsfraktion ab – und auch von dem, was der Privatmann Scholl so an Kleidung bevorzugt.
Früh steht es 1:0, am Ende 4:0. Von den Rängen tönt es: „Mehmet Scholl, du bist der beste Mann“. Die 500 Fans im Grünwalder huldigen dem 38-Jährigen wie sonst nur ihrem heiß geliebten Hermann Gerland. Der Kulttrainer hilft bekanntlich derzeit bei der Ersten aus, als Assistent von Jupp Heynckes. Und Gerland wäre nicht Gerland, hätte er Scholl nicht schmunzelnd folgenden Satz mit auf den Weg gegeben: „Endlich bekommen die Amateure einen gescheiten Trainer.“
Der eine oder andere Fan will denn auch bereits erste Veränderungen erkannt haben. Sätze wie „Der Mehmet hat schon was verändert“ oder „Die Mannschaft spielt offensiver“ gibt es häufiger zu hören. Gewagte Einschätzungen, schließlich handelt es sich erst um das zweite Spiel des Coaches Scholl. Zudem ist die Saison eigentlich für beide Teams gelaufen.
Scholl selbst läge nichts ferner, als sich zu loben. So erzählt Stürmer Daniel Sikorski, dass nun „mehr Eins-gegen-Eins-Situationen“ geübt würden und dass der neue Trainer mehr Wert auf Offensive lege. Doch nach dem Kantersieg, überzeugend herausgespielt, betont Scholl ein ums andere Mal, dass er Anfänger ist. „Ich lerne jeden Tag dazu“, sagt er bescheiden. „Heute hat mich die Aufstellung des Gegners überrascht. Ich habe mich zwar im Vorfeld schlau gemacht, aber so firm bin ich in der Dritten Liga jetzt auch noch nicht.“ Was ein Routinier natürlich so nie zugeben würde. Scholl kokettiert mit seiner Unerfahrenheit. Täglich habe er Kontakt mit Gerland, gibt er zu, schließlich sei „die Mannschaft dessen Baby“. Und Babysitter Scholl will auf keinen Fall irgendetwas falsch machen.
Schließlich gibt es einige gewöhnungsbedürftige Dinge. Die schlimmste Zeit sei jene vor dem Anpfiff, wenn sich die Mannschaft warm macht. „Als Spieler hattest du da immer was zu tun“, sagt Scholl, „als Trainer stehst du nur rum. Ich habe vorhin zu Gerd Müller (seinem Co-Trainer, d. Red.) gesagt, wir müssen da einen Rhythmus hineinbekommen, einen Kaffee trinken oder so.“ Carolin Blüchel