Schluss mit lieb! Mehmet Scholl lässt sich jetzt siezen

Der Ex-Profi, einst für seine Lockerheit geschätzt, startet als Trainer mit dem FC Bayern II in die Saison. Er müsse jetzt eine „Respektsperson“ sein, sagt er. Hier lesen Sie, wie es ihm damit ergeht.
MÜNCHEN Mehmet Scholl passt auf. Hört genau zu. Achtet darauf, was er sagt, wie es ankommt. Ob er ein lauter oder leiser Trainer sei, wird er gefragt. „Ein leiser“, sagt Scholl. „Also nicht so direkt und knallhart wie Gerland?“ Diese Fragen! Aufpassen muss man da, mag Scholl gedacht haben. Gesagt hat er: „Leise heißt aber nicht, dass ich nicht auch direkt und knallhart bin. Nur nicht so laut.“
Im April ist der U13-Coach Scholl als Interimstrainer des FC Bayern II eingesprungen, nachdem Hermann Gerland zu den Profis berufen worden war. Unter Louis van Gaal bleibt Gerland Assistent, und auch Scholl behält beim Drittliga-Auftakt am Samstag beim FC Ingolstadt seinen Chefplatz. Der Ex-Luftikus („Ich war ja als Spieler mit meinen Kollegen ein wenig flapsig“) ist um die Korrektur seines Lebemann-Images bemüht.
Das geht so: Setzt der Journalist an „Letztlich müssen Sie Respektsperson sein...“, unterbricht Scholl: „Was heißt letztlich? Zu allererst!“ Klar, er ist Respektsperson: „Der liebe Scholli – das ist Käse. ,Trainer’ und ,Sie’ werde ich genannt. Ich bin dreifacher Familienvater und weiß, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Meine Anordnungen sind so klar, dass da von Spielerseite aus nicht zu rütteln ist. Es kann nicht sein, dass ein Spieler dem Trainer fachlich einen Strick dreht.“
Scholl hat Gefallen am Trainerdasein gefunden. Derzeit besitzt er den B-Schein, benötigt also noch eine Sondergenehmigung. Ende des Jahres will er den A-Schein machen, danach den Fußballlehrer. Er sagt: „Jupp Heynckes hat Recht: Das ist ein Beruf, den man lernen muss.“ Anstrengender für den Kopf sei der neue Job: „Als Spieler bin ich ins Training gegangen, da wurde mir gesagt, was ich machen muss. Wie viele Gedanken sich derjenige, der mir das gesagt hat, gemacht hat, darüber denkst du als Spieler nicht nach.“ Zuletzt habe er „viel konzeptionelle Arbeit“ geleistet.
Mit van Gaal habe er „erst zehn Minuten“ gesprochen. „Meine Verbindung zu den Profis ist Hermann Gerland. Das macht viel Spaß. Mit ihm kann ich herrlich streiten.“
Scholls Ziel ist es nicht, „dauernd die Spiele zu gewinnen, natürlich wenn möglich, sondern sich Gedanken zu machen, welche Spieler herausragende Qualitäten besitzen und wie ich diese fördern kann“. Nach Holger Badstuber und Thomas Müller ist Verteidiger Diego Contento (19) laut Scholl der nächste Junior, den „van Gaal gar nicht mehr hergeben mag“.
Nicht dazu zählt Ex-Kollege Michael Tarnat (39), der bei Bayern Jugendscout wird und sich bis zu seinem Abschiedsspiel in Hannover am nächsten Mittwoch bei Scholl fit halten will. „Tanne kann immer mittrainieren“, sagt Scholl, „ich warte auf ihn.“
Zu eigenen Ambitionen sagt er: nichts. „Ich mache jetzt erst mal die Scheine, dann sehen wir weiter.“ Ein Satz wie im November 2008 rutscht ihm nicht mehr raus. Da hatte er der AZ gesagt: „Klinsmann muss aufpassen: In ein paar Jahren übernehme ich die erste Mannschaft.“
Thomas Becker