Rummenigge: "Wir waren noch nie so gierig!"
Karl-Heinz Rummenigge verrät, warum die Champions League "fast etwas Heiliges ist", welche Klubs attraktiver sind als der FC Bayern. Und er verspricht: "Wir werden die Preise in den Kurven nicht erhöhen!"
AZ: Herr! Rummenigge, unsere These: Hätte der FC Bayern im letzten Sommer die Champions League gewonnen, wäre er jetzt in der Liga nicht so dominant mit 17 Punkten Vorsprung.
KARL-HEINZ RUMMENIGGE: Das unterschreibe ich sofort. Hätten wir sie gewonnen, würde uns jetzt ein Stück Gier fehlen. Ich habe nach einem Fußballspiel noch nie solche Gesichter unserer Fans gesehen wie nach dem verlorenen Finale. Uns im Verein ging es nicht anders: wir waren fertig. Mental fertig.
Und heute?
Das ist wie ein Trauma, und der Stachel ist immer noch drin. Er ist erst raus, wenn wir die Champions League irgendwann mal wieder gewinnen. Das habe ich selbst auf unserer Weihnachtsfeier gemerkt.
Inwiefern?
Wir hatten neun Punkte Vorsprung in der Liga. Aber von Euphorie war nichts zu spüren. Es war ein Gefühl: weitermachen, weitermachen, weitermachen. Die Gier war noch nie so groß bei Bayern – höchstens 2001. Die Mannschaft damals hatte auch diese Gier durch die dramatische Niederlage von 1999 in sich.
Wie haben Sie das Trauma persönlich aufgearbeitet?
Ich habe mir alle Spiele der Champions-League noch einmal angeschaut. Nicht nur das Finale. Alle Spiele!
Und?
Ich habe festgestellt, dass wir auch Glück hatten im Halbfinale in Madrid. Eine Meisterschaft ist ein Stück weit planbar: durch Qualität, durch Transfers. Einen Sieg in der Champions League kann man nicht planen. Dann hätten wir auch gar keine Chance gegen die Abramowitschs und die ganzen Scheichs, die in Europa aktiv sind.
Alle reden davon, dass die Bundesliga attraktiver wird. Beim Blick auf die Tabelle zeigt sich: sie ist langweilig.
Es gab immer schon zwei große Mannschaften, die um die Meisterschaft spielen: Bayern/Gladbach, Bayern/Hamburg, Bayern/Dortmund, Bayern/Bremen. Jetzt sind es Dortmund und wir. Auf Sicht traue ich Schalke zu, dass sie da mitmischen. Und eine ganz andere Sache ist doch positiv.
Ja, bitte?
Seit 15 Jahren standen nicht mehr drei deutsche Mannschaften in einem Achtelfinale der Champions League. Nächste Woche ist gut möglich, dass drei Mannschaften sogar im Viertelfinale stehen! Die Bundesliga ist attraktiv. Und sie ist gut.
Wird sie auch für große Stars attraktiver?
Erst wenn Financial Fairplay seriös umgesetzt wird, also ab dem 1. Juli 2014. Solange andere Klubs unseriös wirtschaften und Unsummen an Gehältern zahlen können, werden große Stars lieber nach Manchester, Paris oder Chelsea gehen. Weil eine Mentalität herrscht: mitnehmen, was mitzunehmen ist. Liverpool hat jetzt in einem Jahr 47 Millionen Euro Verlust gemacht. Laut Financial Fairplay sind aber nur 45 Millionen erlaubt – auf drei Jahre verteilt! Ich war lange skeptisch, ob sich Financial Fairplay durchsetzt. Weil Fußball immer auch Hollywood ist. Am Ende aber war es einstimmig.
Welche Klubs sind in Europa attraktiver als Bayern?
Real Madrid und der FC Barcelona. Sie stehen im Moment, was die Strahlkraft angeht, noch eine Stufe über uns. Wir sind auf einem guten Weg.
Und sportlich?
Liegen wir im Uefa-Ranking auf Platz zwei, hinter Barça. Unser Ziel ist es, unter den Top fünf zu sein.
Wie bitte? Mehr nicht? Sind Sie doch schon!
Natürlich wollen wir die Champions League gewinnen. Aber ich bin demütig geworden. Die Champions League hat für mich fast etwas Heiliges. Weil jeder Fehler bestraft wird. Weil du dir nie sicher sein kannst. Nicht mal die, die meinen, dass sie den Champions League-Titel mit Geld erkaufen können.
Bayern ist der finanzstärkste Klub in Deutschland. Wie viel Luft ist noch nach oben?
Nächstes Jahr kommt ein neuer Fernsehvertrag, der garantiert deutlich mehr Geld. Real und Barça bekommen pro Jahr rund 150 Millionen Euro Fernsehgeld, wir 30. Ich hoffe, dass wir bald zumindest mal italienische Verhältnisse haben, in der alle Vereine zusammen eine Milliarde aus dem Fernsehvertrag bekommen. Ich bin zuversichtlich, wenn sich "Sky" weiterhin so positiv entwickelt.
Fans interessieren sich für Eintrittspreise. Können Sie versprechen, dass sie nächste Saison stabil bleiben?
Das haben wir intern noch nicht besprochen, aber ich kann gesichert versprechen, dass wir die Preise in den Kurven nicht erhöhen! Das ist der Bereich, in dem der FC Bayern sozialverträglich bleiben muss.
Wie groß ist eigentlich die Genugtuung nach dem Sieg gegen Dortmund? Bei Uli Hoeneß war sie deutlich spürbar.
Wir haben alle gelitten die vergangenen zwei Jahre. Der Uli ein bisschen mehr. (lacht)