Rummenigge: „Barca – das Beste, was Europa zu bieten hat“

Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge über den nächsten Gegner in der Champions League, die Finanzkrise und die Hoeneß-Nachfolge.
AZ: Herr Rummenigge, der FC Bayern steht vor entscheidenden Wochen. Am Wochenende hat Barcelona mal wieder ein 6:0 hingelegt. Haben Sie das Spiel gesehen?
KARL-HEINZ RUMMENIGGE: Ja, zum Teil. Eine tolle Mannschaft. Was die Offensive betrifft, ist Barcelona das Beste, was Europa im Moment zu bieten hat. Wir wissen, was auf uns zu kommt, aber man kann sich darauf einstellen.
Schafft Bayern eher die nächste Runde der Champions League oder den deutschen Meistertitel?
Ich habe immer gesagt: Der ehrlichste Titel ist die Meisterschaft. Bei 34 Spieltagen gibt’s kein Glück und Pech. Hingegen bei Champions League kann ein schlechter Tag entscheidend sein. Wir wollen Meister werden, werden aber versuchen, unsere kleine Chance in der Champions League zu nutzen. Unser Ziel ist zumindest ein Tor in Barcelona zu erzielen, um im Rückspiel die Tür aufzuhalten.
Die Wirtschaftskrise trifft Spaniens Fußball besonders hart. Einige Klubs können keine Gehälter mehr zahlen.
Die Finanzkrise dort ist womöglich die größte im europäischen Fußball. Aber das gilt nicht für Barcelona. Mein Kollege Joan Laporta hat von Anfang an Wert darauf gelegt, die Finanzen in Ordnung zu bringen und nicht nur eine starke Mannschaft auf dem Platz zu haben. Barcelona ist durch kluge, gesunde Haushaltsführung überhaupt nicht in diese Krise hineingeraten.
Wie schätzen Sie die Lage in England ein? Dort werden ja gewaltige Summen bewegt. Steht da der Crash noch aus?
Die großen Klubs in Europa kommen bisher ohne große finanzielle Probleme durch die Krise. Es erwischt vielmehr die mittleren und kleinen Klubs. Vereine wie Manchester, Liverpool oder Chelsea sind ganz anders nachgefragt, auf allen Gebieten. Ihr Marktwert hilft ihnen, relativ unbeschadet da raus zu kommen.
Schon lange beklagt Uli Hoeneß das finanzielle Ungleichgewicht in Europas Ligen. Wie realistisch ist sein Zwei-Euro-Vorschlag?
Eine geniale Idee. Das erleben wir jedes Mal bei der DFL, wenn Fernsehausschreibungen sind, dass Fans klagen, dass immer mehr Fußball ins Pay-TV abwandert. Bei der Idee von Uli Hoeneß wäre das Gegenteil der Fall: Die gesamte Bundesliga würde ins Free-TV wandern und auch der kleine Fan könnte für einen überschaubaren Betrag Spiele live im Fernsehen schauen. Ich glaube, viele haben das nicht verstanden. Das Thema ist sehr polemisch dargestellt worden. Eine revolutionäre Idee, aber ich befürchte: Sie hat in dieser Republik keine Chance. Es wäre auch erst für 2013 ein Thema – bis dahin sind die Rechte vergeben. Ich fürchte, wir streiten um den Bart des Kaisers.
In Ihrer Funktion als Vorsitzender der Europäischen Club-Vereinigung gab es zuletzt Gespräche mit Uefa-Chef Michel Platini wegen einer möglichen Kader-Limitierung. Wie würde sich das auf den FC Bayern auswirken?
Es gilt, in der Krise rechtzeitig gegenzusteuern. Es gibt mehrere probate Mittel, unter anderem die Kader-Limitierung. Man hat festgestellt, dass es Klubs in England gibt, die 40 und mehr Spieler unter Vertrag haben. Damit sind erst mal hohe Gehaltskosten verbunden. Zum anderen werden damit dem Markt Spieler entzogen, und das kann nicht im Interesse des Fußballs sein.
In welchem Stadium befindet sich diese Diskussion?
Es gibt die Arbeitsgruppe „Financial Fairplay innerhalb der Uefa“, die Ergebnisse herausarbeiten soll, um den Fußball wieder rationaler zu machen. Es wird auch über „Cost Control“ gesprochen: dass Klubs in der Zukunft nur noch einen bestimmten Prozentsatz der Gesamteinnahmen in Gehälter investieren dürfen. Eine gute Initiative von Platini, die alle zu einem rationaleren finanziellen Wirtschaften zwingen würde, um diese verrückten Dinge der letzten Jahre etwas zu korrigieren.
Wie schnell könnten solche Maßnahmen greifen?
Man muss schon Transistorenperioden einbauen. Wichtig ist, dass man erst mal erkannt hat: Es gibt ein Problem. Ich bin nicht so pessimistisch, dass Ergebnisse rauskommen werden, die den Fußball finanziell normaler machen.
Auch bei Bayern werden bald Maßnahmen greifen: Franz Beckenbauer geht, Uli Hoeneß wechselt vom Manager- auf den Präsidenten-Stuhl. Wird sich das Machtgefüge des FC Bayern verändern?
Wir sollten das sehr unaufgeregt diskutieren, weil wir ausreichend Zeit haben. Wir sprechen vom 31. Dezember. Deshalb haben wir nicht die Problematik wie Schalke, die händeringend einen Manager suchen. Wir sind zwischen Präsidialausschuss und Vorstand so verblieben, dass wir uns in nicht allzu ferner Zukunft zu dem Thema treffen. Diese Zeit sollte man in Ruhe nutzen und nicht den Fehler begehen, den uns gerade die Kollegen in Schalke vormachen: hektisch zu agieren. Wir haben keine Problematik und sollten uns auch keine von außen oktroyieren lassen. Bei uns sind die Dinge alle sehr im Lot.
Aber durch Oliver Kahns Visite bei Schalke-Präsident Tönnies lappt das Thema auch zur Säbener Straße...
Ich möchte nicht auf dieses Personalkarussell aufspringen und solche Namen diskutieren. Das wird intern passieren, und daran möchte ich mich auch halten.
Interview: Thomas Becker