Roter Außenminister: Nagelsmann ist zum Gesicht des FC Bayern aufgestiegen

Julian Nagelsmann ist nach einem halben Jahr schon zum Gesicht und Anführer der Bayern geworden. Hainer sagt: "Ein absoluter Glücksfall".
von  Julian Buhl
"Ich liebe diesen Job bei Bayern", sagt Julian Nagelsmann über seine Arbeit als Chefcoach in München.
"Ich liebe diesen Job bei Bayern", sagt Julian Nagelsmann über seine Arbeit als Chefcoach in München. © Marcel Engelbrecht/firo Sportpho

München - Bevor Julian Nagelsmann seine Spieler nach dem 4:0 gegen Wolfsburg in die Winterpause verabschiedete, war es dem Trainer des FC Bayern ein Bedürfnis, noch in der Kabine ein paar Worte an das Team zu richten. "Ich habe mich für das erste Halbjahr bedankt, es macht sehr viel Spaß, mit der Mannschaft und dem Staff zu arbeiten", verriet der 34-Jährige über seine vorweihnachtliche Botschaft, "und ich habe gesagt, dass ich mich auf die Rückrunde freue."

Beste Hinrunde seit Pep Guardiola

Mit einer - abgesehen von der 0:5-Pokalblamage in Gladbach - starken Hinrunde haben die Bayern diese Vorfreude geweckt. In der Champions League zogen sie makellos mit sechs Siegen ins Achtelfinale ein. Und in der Bundesliga spielten sie mit 43 Zählern die beste Hinrunde seit der Spielzeit 2015/16 unter Pep Guardiola (46 Punkte).

Neun Punkte Vorsprung

"Wir stehen gut da", sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer: "Wir sind immer da gewesen, gerade in den großen Spielen. Das verspricht viel für die Rückrunde und die heiße Phase im März, April." Nachdem Borussia Dortmund im direkten Ligaduell noch hätte vorbeiziehen können, ist der Verfolger knapp zwei Wochen später um neun Punkte distanziert.

Gute Ausgangsposition für den Titel

Nagelsmann darf sich also bereits vorsichtig mit dem Gedanken an seine erste deutsche Meisterschaft - und die zehnte in Folge für seinen Klub - anfreunden. Die Ausgangsposition dafür sei "sicher nicht schlecht", gab auch Herbert Hainer im "Doppelpass" bei Sport1 zu.

Rekordablöse für Nagelsmann

Die Verpflichtung Nagelsmanns im Sommer von RB Leipzig, die sich Bayern eine Rekordablösesumme von über 20 Millionen Euro kosten ließ, bezeichnete der Bayern-Präsident als "einen absoluten Glücksfall": "Wir sind sportlich sehr gut drauf. Und Julian Nagelsmann ist ein hervorragender Repräsentant für den FC Bayern. Wir sind froh, dass wir ihn haben."

"Ich liebe diesen Job bei Bayern, ich liebe die Stadt"

Auch der in Landsberg und als bekennender Bayern-Fan aufgewachsene Nagelsmann sagte: "Der Trainer fühlt sich gut. Ich liebe diesen Job bei Bayern, ich liebe die Stadt, ich bin jeden Tag gerne auf dem Gelände." Und so ist es auch "sehr schnell gegangen, dass man seine Handschrift sieht", wie nicht nur Vorstandsboss Oliver Kahn beobachtet hat.

Unter Nagelsmann blühen Spieler auf

"Er hat frischen Wind in die Mannschaft gebracht", bestätigte auch Kapitän Neuer. Leroy Sané blüht in neuer Rolle sichtlich auf und hat mit jeweils elf Toren und Vorlagen seinen Vorjahresscorerwert bereits eingestellt.

Auch Kingsley Coman agiert deutlich effektiver. "Er hat sehr viel Energie und Lust zu gewinnen, das gibt er eins zu eins an uns weiter", sagte der Franzose kürzlich: "Wir hatten schon lange keinen Trainer mehr, der so einen Einfluss auf die Mannschaft hatte." Oh là là! Coman spielte schließlich auch schon unter Guardiola, Jupp Heynckes und Hansi Flick.

"Er gibt der Mannschaft den gewissen Tick"

"Hansi hat die Atmosphäre in der Mannschaft sehr gut gemacht. Julian macht das auch. Aber er gibt der Mannschaft natürlich den gewissen Tick, was offensive und defensive Arbeit angeht, weil er wirklich seine Idee im Kopf hat", sagte Hasan Salihamidzic über Unterschiede in der "Denke zum Fußball".

Ein konfliktfreies Verhältnis zu den Chefs

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger pflegt Nagelsmann auch zum Sportvorstand ein konfliktfreies Verhältnis. Mit seiner souveränen, lockeren und reflektierten Art machte er bislang ohnehin in Sachen Außendarstellung eine ziemlich gute Figur - auch bei schwierigen Themen abseits des Platzes.

Anführer und Sprachrohr

Er duckte sich - im Gegensatz zu Salihamidzic, Hainer und Kahn - nie weg und wurde so schon zum Gesicht, Anführer und Sprachrohr des Klubs, zum roten Außenminister. "Ich will mich ja hier nicht nur ins Sonnenlicht stellen, kritische Themen gehören dazu", sagte Nagelsmann der "Welt", "und wenn ich zum Thema Impfen, zur Jahreshauptversammlung und zu der Debatte um das Thema Katar gefragt werde, finde ich es wichtig, meine Meinung zu äußern."

Auf Anhieb sympathisch

Nagelsmann, der schon in Hoffenheim und Leipzig ein Menschenfänger war, ist authentisch, direkt, manchmal auch frech und herausfordernd. Sein Lebensmotto: "Glaube an dich selbst und bewahre dir immer ein Lächeln dabei." Damit kommt er auch beim FCB auf Anhieb gut an.

Witzeleien am ersten Tag

An seinem ersten Tag als Bayern-Coach rief er Hainer quer über den Trainingsplatz zu: "Servus, Präsi." Anschließend habe er zehn Anrufe in Abwesenheit von Salihamidzic auf seinem Handy gehabt und sich, wie er grinsend verriet, gedacht: "War's das jetzt schon wieder?" Nein, es war erst der Anfang...

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