Ribéry: Das Herz schlägt links
Der wichtigste Spieler des FC Bayern ist zurück. Franck Ribéry soll nun nach van Gaals Wunsch im Zentrum spielen, doch es zieht ihn nach außen: „Links kann ich meine Stärken besser ausspielen.“
MÜNCHEN Louis van Gaal hatte den Arm um die Schulter von Franck Ribéry gelegt, gar väterlich sah das aus. Hermann Gerland stand bei ihm an der Seitenlinie, redete – womöglich in einer Art Ruhrpottfranzösisch – auf ihn ein, ermunterte ihn, gar kumpelhaft wirkte das. Die Fans feierten den Rückkehrer bei seiner Einwechslung in der 62. Minute lautstärker und intensiver als später den Torschützen zum 1:1, Mario Gomez.
Da war er wieder, Ri-bé-ry. 0:1 stand es gegen Werder Bremen, da kam der Franzose für José Sosa, für den nächsten gescheiterten Versuch eines Spielmachers, eines echten Zehners wie sich van Gaal das so vorstellt an der Spitze der Mittelfeld-Raute. Thomas Müller im Pokal gegen Neckarelz (3:1), Alexander Baumjohann am ersten Spieltag in Hoffenheim (1:1) und nun Sosa – alle durchgefallen, alle nur Platzhalter für ihn, für Ribéry. Lange war dessen Comeback nach seinen Patellasehnenproblemen herbeigesehnt worden, es war sein erster Einsatz für die Bayern seit dem Saisonfinale der letzten Spielzeit am 23. Mai.
Und es sollte sein erster Einsatz auf einer neuen Position sein, im Training hatte van Gaal damit begonnen, Ribéry umzuschulen. Vom linken Flügel ab in die Mitte. „Franck kann uns auf der Position zehn, wo nur die Besten spielen, die meiste Rendite bringen“, hatte van Gaal in der „SZ“ gesagt und erklärt: „Er hat dort mehr Mittel, er ist näher am Tor, näher bei den Stürmern und er kann auf zwei Seiten ziehen - nicht immer nur von links nach innen, das war einfach für die Verteidiger zu durchschauen.“ Alles klar? Tu comprends, Franck?
Bien sur. Ribéry machte seinen Job, lief nach der Einwechslung sofort an seinen neuen Arbeitsplatz und hielt stur die Position. Sekundenlang. Bis zum ersten Ballkontakt. Dann zog es ihn nach links, auf seine Seite. Als wirke die Außenlinie wie ein Magnet, als sei Ribérys persönlicher Kompass danach ausgerichtet. Er braucht das. Auge in Auge mit dem Gegner. Dann fintiert er, legt den Ball vorbei und zieht einen Sprint an – so bereitete er eine Chance vor, die Olic dann vergab.
"Er hatte eine gute Aktion, aber auch viele Ballverluste"
Es war nicht zu übersehen: Das Bayern-Herz schlägt links. Schweinsteiger musste etwas in die Mitte rücken, Olic schickte Ribéry einmal höchstpersönlich weg aus seinem Revier. Links statt neue Mitte – ein Fall von akuter Befehlsverweigerung? „Ich bin erstmal froh und sehr zufrieden, dass ich wieder spielen kann“, sagte der 26-Jährige und meinte zu seinem ursprünglichen Aufgabengebiet: „Die Position ist neu für mich, aber es ist okay. Von Zeit zu Zeit kann ich mir diese Rolle vorstellen, aber über links kann ich meine Stärken eigentlich besser ausspielen.“ Eigentlich? Er künstelt nach dem Motto: Liberté, Egalité, Ribéryté.
Louis van Gaal reagierte auf die selbständige Job-Rochade des Franzosen wie ein Lehrer, der um die Extravaganz und Kreativität seines Schülers im Kunstunterricht weiß, ihn aber vor allen anderen maßregeln muss, weil er mit den falschen Farbstiften gemalt hatte. „Er hatte eine gute Aktion, aber auch viele Ballverluste“, monierte der Holländer und erklärte: „Man hat gesehen, dass ihm noch Spielrhythmus fehlt.“
Die Mannschaft war geradezu erlöst, dass ihr Freigeist wieder an Bord war. „Franck ist ein Ausnahmespieler, den es nur einmal gibt in der Liga. Da wird unser Spiel gleich anders, da wird es viel flotter, viel aggressiver, da wird es auch viel gefährlicher“, betonte Stürmer Gomez. Und van Buyten meinte: „Franck hat gezeigt, dass er über die Seite sofort Druck machen kann.“ Eben, über die linke Seite.
Bayerns Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld hatte kürzlich gesagt: „Ich sehe Ribéry als Spieler, der auf der Seite Weltklasse ist. Hinter den Spitzen hat er das noch nicht unter Beweis stellen können.“ Auf van Gaal kommt nun eine schwere Entscheidung zu: Bleibt er stur bei seinem Rautensystem mit Ribéry als Spielmacher oder stellt er um und lässt ihn auf links ran? Van Gaal hatte schon vorher angedeutet, flexibel zu sein: „Wenn es nicht klappt, kann ich das System in zwei Wochen auch wieder ändern.“
Patrick Strasser