Rensing – nun doch der neue Kahn

Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann serviert den Torwart ab – wie seinen Vorgänger Oliver Kahn einst bei der Nationalelf.
MÜNCHEN Sepp Maier, Oliver Kahn und... Vervollständigen Sie diese Reihe und denken Sie dabei an Jürgen Klinsmann! Ein Weltmeister, ein Vize-Weltmeister, ein ? Weltklasse, Weltklasse und ? Die Lösung heißt: Michael Rensing – eine WM hat er bisher nur im TV gesehen, Weltklasse hat er noch lange nicht erreicht. Dafür ist er Teil drei der Opferkette: Maier-Kahn-Rensing. Jürgen Klinsmann hat sie alle eines Jobs beraubt.
Maier war einst Bundestorwarttrainer, bis Bundestrainer Klinsmann kam. Kahn war der Bundestitan, bis der Sommermärchen-Organisator Klinsi kam und ihn weglächelte. Andreas Köpke und Jens Lehmann übernahmen. Seit Samstag, im Grunde aber schon seit Mittwoch in Barcelona, ist Rensing nicht mehr die Nummer eins beim FC Bayern. Der neue Kahn ist er aber nun doch – als Klinsmann-Opfer.
Von einem Prozess spricht der Cheftrainer gerne. Den hat er nun Rensing gemacht. Jörg Butt ist plötzlich aufgestiegen. Mit 34. Dabei ist er eigentlich ein Anti-Lehmann: im Sommer 2008 aus Lissabon gekommen, sich nie über seinen Status beschwerend, brav trainierend und abwartend. Butt hat zehn Jahre Vorsprung gegenüber Rensing.
Ist somit alles nur eine Altersfrage? „Es gibt Momente, in denen ich erkennen muss, dass ich die Verantwortung an einen sehr erfahrenen, ruhigen und sachlichen Torhüter weitergeben muss“, erklärte Klinsmann den Wechsel. Nett herumgeredet um die Frage der Qualität. Auch im zweiten Versuch einer Erläuterung. Klinsmann: „Im Moment muss ich Michael leider wehtun und dessen weitere Entwicklung muss hinten anstehen, damit wir hier die Resultate einfahren, an denen wir alle gemessen werden.“
Klinsmann: "Jörg wird weiter im Tor stehen"
Für einen Torwart wie Rensing hat dieser Satz die Bitterkeit eines Beinschusses. Motto: Wir fördern dich jetzt mal nicht mehr, weil wir nun gewinnen wollen. Es kam noch besser. Klinsis dritte Osterbotschaft: „Von der Qualität muss ich sagen, dass Michael hoffentlich noch da hinkommen wird, wo ein Jörg Butt war oder ist.“ Bei Kahn hieß es am Ende, Lehmann sei „einen Tick besser“.
Fragt sich nur: Warum hat Rensing bislang alle Spiele gemacht? Als reiner Azubi? Butt zieht Klinsmann jetzt durch: „Jörg wird weiter im Tor stehen. Michael ist aber nicht herabgestuft. Er hat riesengroßes Potenzial und wird hoffentlich irgendwann hier die große Nummer eins sein.“ Irgendwann? Wenn Klinsmann mal nicht mehr da sein sollte, kann es ihm ja egal sein.
Rensing schwieg am Samstag. Hätte er nach dem 0:4 in Barcelona, als ihn Butt erstmals vertrat, besser auch getan. „Man hat gesehen, dass es bei uns nicht am Torwart liegt“, hatte er recht vergnügt trotz seiner Ausmusterung erklärt, „sondern an anderen Dingen.“ Was dem Trainerstab gar nicht gefiel.
Butt ist nun Bayerns Teilzeit-Eins, bis Saisonende. Für Rensing war’s das bei Bayern, er wurde hinauskomplimentiert. Seine Saisonleistungen waren eben nur solide, mehr nicht. Mit Schwankungen nach unten, Überragendes, Kahn-(Ab)artiges war nie dabei. Bleibt Klinsmann, bliebe Rensing nur die Flucht. Er wird eher nicht wie Kahn 2006 sagen, dass er sich entgegen aller Erwartungen zum Wohle des FC Bayern als Gutmensch noch ein paar Jahre auf die Bank setzen wird.
Butt spielt auch am Dienstag gegen Barcelona. Und weiter den netten Kerl. Er spricht nicht gerne über sich, nur über die Mannschaft. Was für ihn spricht.
Patrick Strasser