Rensing, der Schuabandl-Grant

Torhüter Michael Rensing, erneut von Louis van Gaal zur Nummer zwei hinter Butt degradiert, klingt verzweifelt: „Bei mir ist es ja schon ein Fehler, wenn ich die Schnürsenkel falsch binde“
MÜNCHEN Hundert Kilometer liegen zwischen Lingen und Oldenburg, doch zwei Söhne der Städte trennen gerade Welten. Hans-Jörg Butt, der Oldenburger, würde auf Wolke sieben schweben, wäre er nicht die Bodenständigkeit in Person. Bei Michael Rensing, dem Lingener, ist das Stimmungsbarometer auf unter null gefallen. Denn: Butt, die 22, ist wieder die Nr. 1, und Rensing, die Eins, ist nur noch die Zwei.
Mal wieder. Ein neues Kapitel in van Gaals Torwart-wechsel-dich-Spiel. Ein besonders bitteres für Rensing, gefühlte Äonen lang einzig möglicher Kahn-Nachfolger. Die Zeiten sind vorbei. Rensing weiß das. Sein Groll wird größer.
Als Erster stellte er sich nach der Partie den Reportern: „Van Gaal ist ein Trainer, bei dem kein Spieler gesetzt ist. Ich habe in Mainz einen Ball reingelassen, der nicht hätte reingehen dürfen. Ich denke, nicht jeder Trainer wechselt nach vier Spielen den Torwart. Aber bei mir will man ja nur die Fehler sehen. Hätte ich so einen Fehler wie Benaglio gemacht, wäre ich zerrissen worden. Bei mir ist es ja schon ein Fehler, wenn ich die Schnürsenkel falsch binde.“ Der Schuabandl-Grant zeigt, wie sehr es ihm an Selbstvertrauen mangelt.
Seit ein paar Tagen wisse er von der erneuten Strafversetzung. Ein „gutes Gespräch mit dem Trainer“ habe er gehabt: „Er hat es begründet mit dem Gegentor in Mainz, das kann ich nachvollziehen.“ Parallelen zur Demütigung, die ihm Jürgen Klinsmann in der letzten Saison vor dem Champions-League-Spiel in Barcelona zuteil werden ließ, sieht er nicht: „Damals war die Art und Weise link. Ich hatte mir davor kaum grobe Schnitzer erlaubt. Diesmal hat der Trainer von vornherein gesagt, dass kein Spieler seinen Platz im Team sicher hat.“
Wann ist die Schmerzgrenze erreicht? Warum wechselt er nicht? Rensing trotzig: „Da denke ich noch gar nicht dran.“ Andere schon: Der Cottbuser Gerhard Tremmel wird als neue Nummer 2 gehandelt. Egal, Rensing will es weiter versuchen: „Was soll mir noch passieren?“ Schlimmer kann’s wohl nicht mehr werden. „Ich hab’ schon mal mehr Spaß am Job gehabt“, sagt der Gedemütigte, „das ist der schwierigste Job, den es gibt, hier in meiner Situation Nummer eins zu werden.“
Kontrahent Butt hat Verständnis: „Für einen Fußballer ist es das Schlimmste, was es gibt, ganz klar.“ Aber: „Jeder muss der Mannschaft helfen, die auf dem Platz steht. Das habe ich gemacht, als ich auf der Bank war.“ Überrascht war er von van Gaals Entscheidung nicht: „Ich hab’ ja gesagt, dass die Saison sehr lange ist.“ Aber: „Der Trainer wird sicher nicht nach jedem Patzer wechseln. Ich muss mich jeden Tag neu beweisen, wir sind hier beim FC Bayern! Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass ich das schaffe.“
Thomas Becker