Renato Sanches und der FC Bayern München: Seine letzte Chance
München - "Hey!", schreit Renato Sanches über den Platz, so laut, dass man es auch noch im nahe gelegenen Schwimmbad in Harlaching hören könnte: "Ja, ja, ja!" Er reißt die Arme nach oben, zeigt mit seinen Händen in die Richtung, in die er den Pass gespielt haben möchte.
Und dann schreit er wieder, es ist beinahe ein Flehen an seine Bayern-Kollegen: Gebt mir endlich diesen verdammten Ball! Sanches (20), das ist schon jetzt im Training zu erkennen, ist mit einem gehörigen Schuss Motivation an die Säbener Straße zurückgekehrt.
Diese völlig frustrierende Saison bei England-Klub Swansea City mit nur 15 Einsätzen und keinem einzigen Tor? Vorbei. Vergessen. Er will es sich und den Bayern beweisen. Sanches weiß: Es ist seine letzte Chance, doch noch ein Großer im Weltfußball zu werden.
"Ich werde versuchen, es zu schaffen, dass er sich hier wohlfühlt", sagt der neue Trainer Niko Kovac über Sanches. "Wenn sich jemand wohlfühlt, ist es sehr viel leichter, Leistung zu bringen."
Clement: "Im Training war er der beste Spieler"
In den väterlichen Äußerungen Kovacs, der sich schon bei Eintracht Frankfurt einen Namen als Spielerversteher machte, steckt natürlich eine Menge Wahrheit. Sanches fühlte sich seit seinem Abschied aus Lissabon 2016 nie wirklich heimisch, auch nicht in seiner ersten Bayern-Saison unter Carlo Ancelotti 2016/2017. Lediglich 17 Bundesliga-Partien absolvierte der Portugiese.
Und das, obwohl er zuvor bei der Europameisterschaft so stark gespielt hatte. Portugal holte den Titel, Sanches wurde zum besten jungen Spieler gekürt. Doch schon kurz danach begann der Absturz. "Er hat Fähigkeiten, die man in der Bundesliga nicht alltäglich sieht, deshalb hat ihn der FC Bayern verpflichtet", sagt Kovac.
Grundsätzlich ist man bei Bayern von Sanches' Qualität überzeugt, von seiner Dynamik, seiner Wucht im Zweikampf und im Torabschluss. Nicht zu vergessen: Sanches war Bayern 35 Millionen Euro Ablöse wert, Prämien noch nicht eingerechnet.
"Ich wünsche mir, dass er den Kampf annimmt", sagt Kovac, "dass er so motiviert ist, dass er von der ersten Minute an Gas gibt. Dann bin ich überzeugt, dass er die Leistung bringen kann, die wir von ihm erwarten und die auch er von sich erwartet."
Der erste Trainingseindruck von Sanches ist positiv, auch wenn ihm beim Kreisspiel ein paar leichte Passfehler unterlaufen. Dann gibt's sofort einen frechen Spruch von Franck Ribéry, Sanches lacht. Und flitzt mit seiner wehenden Rasta-Mähne gleich dem nächsten Ball hinterher.
Paul Clement, ehemals Co-Trainer von Ancelotti bei Bayern und anschließend Sanches' Coach bei Swansea, hat in der "Times" einen interessanten Satz gesagt. "Im Training, wenn es keinen Druck gab, war er der beste Spieler", sagte er über Sanches. "Doch in den Spielen traf er die falschen Entscheidungen, er schoss aus 40 Metern aufs Tor."
Ob Kovac Sanches hinkriegt?