München - Am 17. April trifft der FC Bayern im Halbfinale der Champions League auf den alten Rivalen Real Madrid. Für die AZ vergleicht „Sky”-Chefkommentator Marcel Reif die beiden Klubs.
Die Stars: „Vom Star-Appeal und dem, was er draus macht, ist Cristiano Ronaldo der legitime Nachfolger von David Beckham. Da reden wir aber nicht über Fußball allein, sondern über das Gesamtpaket. Ansonsten habe ich nicht den Eindruck, dass sich da viel was nimmt. Bayern ist genauso eine Helden- und Star-Mannschaft wie Real. Ribéry und Robben sind Weltstars. Ein Schweinsteiger gesund und in Form, sowie Lahm und Müller sind Weltklassespieler. Auf der anderen Seite muss Özil noch ein bisschen ran. Das ist ein toller Fußballspieler, großartig wie er sich in Madrid durchsetzt. Aber bis zum Weltstar dauert’s noch ein bisschen.
Die Trainer:
„Mourinho versus Heynckes: Ungleicher geht’s kaum. Das eine ist jemand, der über die Jahrzehnte gelassen geworden ist. Ein altersweiser Trainer, der im Moment alles richtig macht: Bei der Rotation in Nürnberg und auch gegen Marseille wurde er belohnt dafür. Und einer, der geholt wurde, um hier das überhitzte Klima zu befrieden – das hat er fantastisch gemacht. Auch die Krise, die Bayern nach Weihnachten hatte: wie er die moderierte, nach außen wie nach innen – das ist allerhöchste Trainerkunst. Auf der anderen Seite: Mourinho, ein Egomane. Ausrufezeichen! Ausrufezeichen! Der macht sich auch einen Klub wie Real untertan – das muss man erst mal verdauen. Es ist ja nicht so, dass in Madrid alle Mourinho-Fans sind. Es gibt viele, die sagen: ,Das ist nicht mehr unser
Real Madrid.’ Aber er hat Erfolg, und wenn der Erfolg alle Mittel heiligt... Was Mourinho alles für den Erfolg tut, ist für den normalen Menschen zuweilen kaum zu ertragen.”
Der Mythos:
„Der ist bei Real wohl noch größer. Aber wenn ich frage, was ist ein seriöser Großklub, dann ist Bayern ganz weit vorne. Wenn wir alles zusammen nehmen, die letzten Jahrezehnte seit auf Klubebene international gespielt wird, ist Real noch mehr mit Mythos umwabert, ist die Tradition des Mythos noch länger. Aber wenn ich alle Parameter ansetze, die heute gelten, ist Bayern ein Stück vor Real, nicht dahinter. Stichwort „La bestia negra”: Wenn Real
Bayern München
hört, bringt die das regelmäßig zum Schlucken. Da hat sich Bayern einen Mythos erarbeitet. Madrid hätte lieber gegen Barcelona gespielt – da kennt man sich. Aber es geht in Madrid niemand davon aus, dass es den Clasico nun automatisch auch im Finale geben wird. Insofern sind die Bayern, was den Mythos angeht, sogar im Vorteil.”
Das Spielsystem: „Bayern hat ein System gefunden, in dem die Helden, die Stars ihre Top-Leistung bringen. Das ist eine sehr gute Balance aus Defensive und Offensive. Ich glaube nicht, dass sich die Bayern unter Jupp Heynckes
sklavisch an Real ausrichten werden, sondern ihr Spiel so spielen, wie es ist. Mourinho wird alles austüfteln, um die Bayern daran zu hindern, was ihnen auch nur einfallen könnte. Das ist das System Mourinho – ein erfolgreiches
System, mit dem sie in Spanien sechs Punkte vor Barcelona liegen, und das ist das allerhöchste Maß aller Dinge. Das muss einem nicht immer gefallen. Es gibt kein System, das Mourinho spielt. Er möchte das flexibel haben, damit er jederzeit auf Gegner reagieren kann, um denen den Spaß zu verderben, koste es, was es wolle. Da sind alle Mittel recht. Unter Mourinho wird Real Madrid nicht sagen: Wir sind Real Madrid und spielen auch so. Heute sagt Mourinho: Wir spielen so, wie ich es sage. Heute passt das, morgen was anderes. Das ist nicht beliebig, sondern flexibel – wenn man es freundlich ausdrücken will. Man kann aber auch sagen: Das ist Erfolg ohne eigene Philosophie, ohne eigene Seele. Wer glaubt, dass das Spiel in München eine Fußballfestveranstaltung wird, wird wohl enttäuscht werden. Mourinho handelt nach dem Motto: Wenn du Clowns sehen möchtest – geh’ in den Zirkus.”
Die Fans: „Die Fans in München haben mich zuletzt überrascht, auch gegen Marseille. Das war durchaus ein vergnüglicher Abend. Inzwischen kann man hier Feste feiern, wenn sie fallen. Aber nun kommt Real, und deren Spieler stehen nicht unter dem Verdacht, das sie plötzlich das Flattern kriegen, wenn 60000 Menschen nicht ihr Lied singen. Es ist eher andersrum: Sie können das Publikum in Bernabeu sehr schnell ruhig kriegen. Wenn Sie fünf Minuten vor Spielbeginn in dieses Stadio gehen, glauben Sie: Das Spiel findet nicht statt. Plötzlich sind dann alle da, setzen sich auf ihre numerierten Plätze und hätten gerne wie in der Oper das hohe C – aber permanent. Die haben es gern ganz groß. Und wenn Bayern da von Anfang an richtig dagegen hält, kriegen sie plötzlich eine gespenstische Ruhe. Das hilft der heimischen Mannschaft nicht. Das ist ein Opernpublikum, kein Hexenkessel – was man den Bayern auch immer vorgeworfen hat, was sich aber nun bessert.”