Rebell Micho: Das Ende?
MÜNCHEN - Nachdem van Gaal ihn aus der Stammelf streicht, weigert sich Martin Demichelis, auf der Bank Platz zu nehmen und spricht von „getrennten Wegen“. Bayerns Cheftrainer sucht bereits nach Lösungen
Mehr als acht Wochen lang, seitdem die Vorbereitung der Bayern läuft, war es trotz der 25 Mann im Kader ruhig gewesen. So ruhig, dass die Bosse, der Trainer und die Spieler schon gefragt wurden, wie das denn sein könne. Kein Murren, kein Aufbegehren? „Unser Vorteil ist, dass hier Ruhe ist", hatte Louis van Gaal am Donnerstag gesagt.
Vorbei. Wenige Stunden danach gab es den ersten Eklat an der Säbener Straße. Beim Abschlusstraining vor der Partie gegen Wolfsburg eröffnete der Coach Martin Demichelis, dass Daniel van Buyten (obwohl zuletzt wegen seiner Sprunggelenksverletzung geschont) und Holger Badstuber die Innenverteidigung bilden. Demichelis muss draußen bleiben. Und bei van Gaal ist ein Stammplatz ein Stammplatz - bis sich einer verletzt. Frag' nach bei Gomez, Klose oder Altintop, den Star-Reservisten der vergangenen Saison.
Die Reaktion von Demichelis (29): Er bockte. „Martin hat den Trainer darum gebeten, nicht auf der Bank zu sitzen“, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, „und der Trainer hat diesem Wunsch entsprochen.“ Es bleibt abzuwarten, wie van Gaal, der alles dem Gemeinsinn unterordnet, mit diesem Affront umgeht.
Kurz vor Beginn des Spiels gegen Wolfsburg versuchte der Coach in der ARD, den Ego-Trip von Demichelis herunterzuspielen. „Er hat diese Woche gehört, dass er nicht in meiner Stammmannschaft sein wird. Das war ein großer Schock für ihn. Da muss er mit umgehen, das ist nicht einfach für ihn. Er braucht Zeit.“
Zeit, die sich der beleidigte Demichelis offenbar nicht geben will. Schmollend erklärte er noch am Freitagabend bei „bild.de“: „Die Wahrheit ist, dass ein Zyklus zu Ende geht und es für beide Seiten besser ist, wenn wir getrennte Wege gehen. Ich hielte es auch nicht für richtig, bei der Mannschaft zu bleiben, wenn die Zeichen auf Trennung stehen.“ Dies konterkarierte, was sein Trainer zuvor über ihn gesagt hatte: „Der Spieler hat professionell reagiert, das war gut."
Professionell? Indem er, seit 2003 im Verein, nicht mal auf die Bank wollte und auch nicht in der Allianz Arena auftauchte? Laut Christian Nerlinger hat Demichelis gebeten, frei zu bekommen. „Ich finde das gut und denke, dass der Trainer damit sehr human umgeht", so der Sportchef.
Dennoch: War's das für Martin Demichelis? Schon einmal gab er den Rebellen: Im März 2008 hatte er sich unter Trainer Ottmar Hitzfeld geweigert im defensiven Mittelfeld zu spielen und war aus dem Kader gestrichen worden. Später wurde er begnadigt.
Ist diesmal das Maß voll? Bis zum 1. September ist die Transferliste offen. Bis dato ist Rummenigge nicht gewillt, ihn abzugeben. „Klar, er ist enttäuscht, aber deshalb stehen die Zeichen ja nicht gleich auf Trennung“, sagte der Boss. Aber er meinte auch: „Wir brauchen auch Ersatzleute.“ Diese Aussage dürfte Demichelis weiter verärgern, schließlich charakterisiert Rummenigge ihn als „stolzen Argentinier, der spielen will“.
Doch das darf er nur, wenn sich jene vor ihm verletzen. Trainer van Gaal jedenfalls reagierte merkwürdig auf die Fragen, ob Demichelis die längste Zeit Bayern-Spieler gewesen ist. Er sagte, in Kenntnis von Demichelis’ Aussagen: „Nein, denn wenn er weggeht, habe ich ein Problem. Dann habe ich keinen Ersatzspieler für van Buyten. Aber okay, auch dann finde ich eine Lösung.“ Und weiter: „Ein Spieler hat immer das Recht, eine Entscheidung zu treffen.“ Was dann doch stark nach Abschied klang.
Patrick Strasser