Radio Müller wieder auf Sendung bei der Nationalelf

Seefeld - Rein äußerlich kann man nicht davon sprechen, dass Thomas Müller und Mats Hummels Zwillinge sind.
Sehr gute Kumpel sind die beiden jedoch - und das ist in den ersten Tagen des Trainingslagers mehr als ersichtlich. "Thomats" hängen im Hotel Nidum und bei den Übungseinheiten stets zusammen ab, absolvierten auch ein Trainingsspiel zwei gegen zwei auf verengtem Raum mit speziellen Regeln gemeinsam.
Und das mit vollem Engagement, aber auch hin und wieder einer Prise Humor. Das Lachen ist zurück in der Nationalelf. Es ist wieder lauter auf dem Trainingsplatz. Kurz: "Radio Müller" ist zurück. "Ich wurde super aufgenommen", sagte der Rückkehrer, der sein letztes und 100. Länderspiel (bis dato 38 Tore) am 19. November 2018 beim 2:2 in der Nations League gegen die Niederlande bestritten hat, bevor ihn Bundestrainer Joachim Löw - genau wie auch Jérôme Boateng und eben Hummels - im Frühjahr 2019 im Zuge des personellen Umbruchs aussortierte.
Müller scherzt: "Meine DFB-Quarantäne war etwas länger als 14 Tage"
Nun hat Löw zwei dieses Trios wieder zurückgeholt. Die Weltmeister von 2014, die vor drei Jahren als Titelverteidiger bei der WM in Russland schmachvoll in der Vorrunde gescheitert sind. Dass man mit Müller nicht nur sportliche Leistung (bei Bayern erzielte er in der Saison elf Ligatore, lieferte 21 Vorlagen) zurückerhält, sondern auch den amtlichen Humorminister des DFB-Teams, wurde am Sonntagmittag in Seefeld sofort klar.
"Meine DFB-Quarantäne war etwas länger als 14 Tage, aber ich kenne die Spieler natürlich, so wirklich neu kommt mir nichts vor", sagte Müller (31), "wir haben alle eine große Vorfreude. Wir wollen die Segel setzen und loslegen."
Es sprach der neue, alte Motivationskapitän der Mannschaft. Schon am Freitag bei der Ankunft hatte er "volle Attacke" versprochen und freute sich "auf den Start eines neuen Kapitels". Mit Kumpel Mats (32), der zum Ende der Pressekonferenz mit Maske und Kappe auf dem Podium erschien und den zugeschalteten Reportern zurief: "Ich nehm' ihn euch jetzt weg."
Müller: DFB-Ausbootung war eine persönliche Niederlage
Löw hatte Müller die Nationalelf weggenommen, doch der damals Aussortierte ist nicht nachtragend. Über die damaligen Gespräche mit Löw sagte Müller nun: "Ich habe zu dieser Zeit verstanden, was er meint. Die Art und Weise ist jetzt Schnee von gestern."
Er verriet auch, dass der Stachel tief saß. "Ich habe von Jupp Heynckes viele schlaue Sätze gehört, mit einem hat er meinen Nerv getroffen: Die größte Motivation zieht man aus persönlichen Niederlagen. Die Nicht-Nominierung war eine solche."
Nun will Müller wieder Müller sein. Der, den Hansi Flick ab Herbst 2019 wieder stark gemacht hatte. "Ich bin voll im Saft, will an meine Leistungsgrenze herankommen", sagte Müller, "ich hoffe auch, dass ich den Turbo zünden und damit auch bei den Mitspielern noch etwas herauskitzeln kann." Als Freigeist-Zehner im offensiven Mittelfeld und nicht mehr als Rechtsaußen wie früher einmal. Da sieht ihn auch Löw.
Müller: "Wir haben unterperformt - da dürfen wir uns nicht selbst anlügen"
Mit Blick auf die schwierige EM-Gruppe mit Weltmeister Frankreich, Europameister Portugal und Außenseiter Ungarn sagte Müller: "Wir werden als Fußball-Land Leidensmomente haben, das wird kein Spaziergang." Aber: "Wir können Freude in Fußball-Deutschland verbreiten und das gehen wir an. Ich glaube, dass diese Mannschaft ans Limit gehen wird. Wir können auch manches besser als andere. Die Weltrangliste (das DFB-Team liegt aktuell auf Rang zwölf, d.Red.) lügt aber nicht. Wir haben unterperformt - da dürfen wir uns nicht selbst anlügen."
Löw merkte zu den Rückkehrern an, es fühle sich an "als wären sie nie weg gewesen. Sie sind in ihren Vereinen Leute, die den Ton angeben. Das erwarten wir auch hier von ihnen." Lautsprecher in Stereo. Wenn es mal laut und ruppig werde auf dem Platz, dürfen wir alle nicht empfindlich sein", so Müller. Denn: "Am Ende geht es nur um die Glückshormone."
Und ums Aushalten. DFB-Direktor Oliver Bierhoff meinte über Müllers bereits gezündetes Sprüchefeuerwerk: "Wenn die Leistung stimmt, schlucke ich das gerne ein paar Mal am Tag runter." Wohl bekomm's.