"Qualität würde steigen": Bayern-Trainer Julian Nagelsmann plädiert für Auszeiten

München - Den Plan, sich mit seinem Trainerkollegen vom FC Bayern auszutauschen hatte der Coach der Basketballer Andrea Trinchieri, (52) schon, bevor Julian Nagelsmann (34) überhaupt als Cheftrainer der Fußballer an der Säbener Straße angekommen war.
Trinchieri über Auszeiten im Fußball: "Es wäre besser für alle"
"Ich bin von seinem Training beeindruckt", hatte Trinchieri bereits im Juni im AZ-Interview gesagt und ein Treffen angekündigt. "Die Interaktion zwischen der Basketball- und der Fußballabteilung kann etwas sehr Wichtiges und für beide nur gut sein", sagte der Italiener: "Wir haben es mit den gleichen Dingen und Problemen zu tun, nur in einer etwas anderen Situation." Knapp ein halbes Jahr später war es so weit und es kam im Rahmen eines Doppelinterviews für das Bayern-Magazin "51" tatsächlich zum Trainergipfel.
Dabei philosophierten die beiden charismatischen Coaches über Parallelen und Unterschiede ihrer beiden Sportarten. Auch die bei beiden äußerst beliebte Taktiktafel, an der sie sich gegenseitig ein paar Ideen skizzierten, durfte bei diesem kleinen internen Bayerntrainer-Lehrgang freilich nicht fehlen. Längst nicht das einzige Element, das die beiden Coaches verbindet. . .
"Müssen das 'Mia san mia' ausstrahlen"
"Wenn du Cheftrainer beim FC Bayern bist, musst du immer gewinnen, jedes Spiel. Und du musst Titel holen. Ob Fußball oder Basketball: Wir müssen das 'Mia san mia' ausstrahlen", sagte Nagelsmann. Und Trinchieri ergänzte: "Es ist auch wichtig, wie du gewinnst und nicht nur, dass du gewinnst."
Diesen Erfolgsdruck empfinden beide allerdings als großes Privileg. "Ich liebe das Gefühl des gesunden Drucks. Ich liebe es, Spiele unter Druck zu coachen", erklärte Nagelsmann. "Ich sage immer: Unter Druck entstehen Diamanten", sagte Trinchieri und fasste den perfektionistischen Ansatz beider Coaches zusammen: "’Gut’ ist der größte Feind von ‘exzellent’." Beide gaben auch zu, dass sie die Nachbereitung und Verarbeitung der Spiele meist noch bis tief in die Nacht beschäftigt. "Und manchmal, wenn ich nach einem Spiel schlafe, rufe ich die Namen meiner Spieler. Das hat mir meine Frau mal erzählt. Manchmal wacht sie davon in der Nacht auf", verriet Nagelsmann. "Ich habe ein Notizbuch neben meinem Bett", erklärte Trinchieri, "und manchmal finde ich nach dem Spiel Notizen, von denen ich nicht weiß, wann ich sie in der Nacht aufgeschrieben habe."
Emotional und bisweilen impulsiv an der Seitenlinie sind ebenfalls beide Bayern-Coaches. Und nicht nur Trainervulkan Trinchieri explodiert dabei gelegentlich auch schon mal. Nagelsmann berichtete aus Hoffenheimer Zeiten von einem 1:4-Pausenrückstand. "Bei der Halbzeitansprache wurde ich plötzlich immer lauter – und schließlich trat ich gegen eine Metallbox." Diese sei "einmal quer durch die Kabine" geflogen und habe "einen meiner Stürmer am Knie erwischt".
Der blieb zum Glück unverletzt und das Spiel endete dann mit 4:4. "Vielleicht wegen der Box, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls schadet es nicht, seinen Emotionen mal freien Lauf zu lassen."
Bei Lewandowski bekommt man immer ein Tor
Besonders beeindruckt äußerte sich Trinchieri über Bayerns Tormaschine Robert Lewandowski. Bei dem Weltfußballer sei es "so, als würdest du eine Münze in eine Jukebox stecken – und du bekommst dafür keinen Song, aber immer ein Tor. Immer." Nagelsmann empfahl seinem Kollegen im Gegenzug, sich mal von den durchaus sehenswerten basketballerischen Fähigkeiten von Alphonso Davies zu überzeugen.
Und um eine Sache beneidet Nagelsmann seinen Trainerkollegen besonders: Die Timeouts während der Spiele. "Ich setze mich seit fast zehn Jahren dafür ein. Aber es ist nicht so leicht im Fußball, Veränderungen herbeizuführen", erneuerte Nagelsmann sein Plädoyer für Auszeiten: "Ich bin sicher, dass die Qualität der Spiele noch einmal steigen würde, weil die Trainer durch den größeren Einfluss in solchen Timeouts mehr bewirken könnten."
Und wie lautet sein Schlussfazit des Trainergipfels? "Andrea ist ein cooler Typ", sagte Nagelsmann und kündigte an: "Wir werden uns gegenseitig bei unseren Trainingseinheiten besuchen. Und auch bei Teammeetings."