"Protz" auf Bewährung

Louis van Gaal erklärt jetzt auch offiziell, warum er sich für Thomas Kraft statt Jörg Butt im Tor entschieden hat. Doch er schränkt auch ein: „Es kann passieren, dass Jörg zurückkommt“
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Thomas Kraft (l.) hat das Rennen um die Nummer 1 im Bayern-Tor gemacht. Hält er nicht das, was van Gaal sich verspricht, kann schnell wieder Jörg Butt im Tor stehen.
dpa Thomas Kraft (l.) hat das Rennen um die Nummer 1 im Bayern-Tor gemacht. Hält er nicht das, was van Gaal sich verspricht, kann schnell wieder Jörg Butt im Tor stehen.

MÜNCHEN - Louis van Gaal erklärt jetzt auch offiziell, warum er sich für Thomas Kraft statt Jörg Butt im Tor entschieden hat. Doch er schränkt auch ein: „Es kann passieren, dass Jörg zurückkommt“

Thomas Kraft ging als Letzter in die Kabine nach dem Vormittagstraining am Mittwoch an der Säbener Straße. Die Bälle in einem großen Sack geschultert, festen Blickes, im Gesicht abzulesen eine Mischung aus Anspannung und Vorfreude. Sein Leben hat sich radikal geändert seit zehn Tagen, die Schultern fühlen sich schwerer an, er ist die neue Nummer eins.

Die Tage verfliegen bis zum Rückrundenstart des FC Bayern am Samstag beim VfL Wolfsburg, der Druck steigt – speziell für Kraft (22) in seiner neuen Rolle. Es wird seine Premiere in der Bundesliga. Und der Mann, der ihm die Chance gibt, erhöht den Druck. Es ist Louis van Gaal. Schon an diesem Wochenende könnte eine Titelvorentscheidung fallen.

14 Punkte Rückstand sind es jetzt, Tabellenführer Dortmund muss am Freitag nach Leverkusen, Bayern will die Aufholjagd mit einem laut vernehmbaren Signal setzen. „Das erste Spiel ist das wichtigste Spiel für uns", sagte van Gaal am Mittwoch. Es dürfte auch das wichtigste in der bisherigen Karriere von Thomas Kraft sein, nach 103 Einsätzen für die zweite Mannschaft.

Der Mann, den sie bei Bayern „Krafti“ oder „Protz“ nennen, hat Jörg Butt abgelöst. Na ja, van Gaal hat es gemacht. Zehn Minuten dauerte das Gespräch mit dem Glücklichen, 15 Minuten mit dem Unglücklichen, berichtete der Trainer, denn „die negativen Gespräche dauern länger“. Das war am 2. Januar in Doha. Letzten Freitag wollte der Holländer seinen Entschluss den Medien mitteilen, wartete jedoch, weil ihn Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge darum gebeten hatte. Drei Minuten wurde über das Thema am Montag mit dem Vorstand und Sportdirektor Christian Nerlinger gesprochen – der Trainer war mit dem Ausgang sehr zufrieden, er hat die Hoheitsgewalt, sportlich.

Nun konnte er seine Rochade erklären; die Idee dazu war schon lange in ihm gereift. Nun, in der Winterpause, sah er die Zeit zum Wechsel gekommen. Bevor es in die Weihnachtsferien ging, gab van Gaal seinem gesamten Trainerstab die Hausaufgabe mit, die Revolution zu überdenken. Die Entscheidung sei einstimmig pro Kraft ausgefallen. Im persönlichen Gespräch rechnete er Butt keine Fehler vor, den Medien auch nicht, er sagte lediglich: „Ich muss an die Zukunft denken." Und ja, das Alter habe eine Rolle gespielt. Was soll Butt, 14 Jahre älter, dagegen einwenden?

Er ist wieder der Herausforderer, mit 36, im letzten Halbjahr seiner Karriere. Butt spielte mit dem Gedanken, seinen Vertrag über 2011 hinaus um ein Jahr zu verlängern, obwohl ihm der Posten als Jugendkoordinator bereits für diesen Sommer zugesichert war. Für van Gaal war das „eine Überraschung", er hatte Kraft länger auf der Rechnung.

Nun liegt die Last auf Kraft. Er geht in eine mehrwöchige Prüfung. „Ich habe großes Vertrauen, dass er das schafft", sagte van Gaal, „die Frage ist: Kann er mit Druck umgehen? Das weiß ich nicht.“ Was bedeutet: Kraft hält auf Bewährung, seine Leistung entscheidet. „Michael Rensing hat auch nur vier Spiele gemacht“, erinnerte van Gaal an den Beginn der Saison 2009/10, als er den Kahn-Nachfolger zunächst gegenüber Butt präferierte und die Entscheidung dann rückgängig machte.

Und diesmal? „Es können fünf bis sechs Spiele sein – oder zwei, wenn er alles falsch macht.“ Van Gaal baut diesen Druck bewusst auf, er versteht sich als Ausbilder von Talenten. Titel jedoch will er nicht aufs Spiel setzen. „Ich werde nicht zu viel Risiko nehmen. Ich bin ein Leistungscoach. Es kann passieren, dass Jörg wieder zurückkommt.“

Sieben Spiele, inklusive des Pokal-Viertelfinals in Aachen, sind es bis zum ersten Duell mit Inter Mailand in der Champions League. Für Kraft die Chance seines Lebens.

Patrick Strasser

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