Pressekonferenz des FC Bayern: Medienexperte übt im AZ-Interview Kritik
München - Jo Groebel ist Deutschlands prominentester Medienpsychologe und Gründungsdirektor des Deutschen Digital-Instituts. AZ hat mit ihm über die viel beachtete Pressekonferenz der Bosse des FC Bayern gesprochen.
AZ: Herr Groebel, waren die Bayern-Verantwortlichen mit der Pressekonferenz am Freitag gut beraten?
JO GROEBEL: Ich verstehe ja, dass sich eine Vereinsführung hinter den Klub stellt. Die Art und Weise – wie man an unzähligen Reaktionen sieht – hat aber leider ganz alte, verabschiedet geglaubte Klischees wieder aufleben lassen: von einer arrogant auftretenden, mit zweierlei Maß messenden Truppe. Dabei hatte man in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, der FC Bayern sei menschlich geworden, man Freude sich mit der Mannschaft. Ich war enttäuscht über diesen arroganten Auftritt. Man kann nicht gleichzeitig die Menschenwürde für sich einklagen und die vermeintlich Abtrünnigen der Reihe nach runtermachen. Das hat sehr viele verärgert.
Groebel: "Haben ein wahres Gesicht des FC Bayern gesehen"
Wie erklären Sie sich es, dass sich erfahrene Lenker eines Vereins so verhalten?
Ich bin ja von Haus aus Psychologe. Zugespitzt: Das war eine typische Frustrations-Aggressions-Verbindung. Leute werden besonders aggressiv und offensiv, wenn sie zutiefst frustriert sind. Und das ist man an der Vereinsspitze nach der langen Serie ohne Sieg, auch wenn es gegen Wolfsburg nun wieder positiv war. Das baut einen Ärger auf. Wer sachlich mit seinem Ärger umgeht, kann das von der Wirkung her denken, die Außenwirkung abschätzen. Wer sich – wie Hoeneß – mit der Mannschaft zu 120 Prozent identifiziert, ist nicht mehr so distanziert, dass er über die Wirkung nachdenkt. Die leider hauptsächliche Wirkung des Auftritts ist leider die latente Arroganz, die zum Vorschein kam. Und dann richtet sich diese Aggression gegen andere.
Die Medien in diesem Fall.
Die vielleicht nicht nur bösartig oder zerstörerisch berichten oder schon immer den FC Bayern runtermachen wollten, sondern einfach nur relativ kritisch und objektiv berichten. Aber eingeklagt wird Heiligenverehrung im übertragenen Sinne – und keine distanzierte Berichterstattung. Positiv gesehen: Wir haben auch ein wahres Gesicht des FC Bayern gesehen, das an der Spitze zu finden ist. Wenn auch unfreiwillig.
Außerdem passt eine Pauschalkritik an den Berichterstattern ja – siehe Trump, siehe AfD – in den Zeitgeist.
Da wäre ich zurückhaltender. Ich würde das eher singulär sehen, zumal wir ja schon lange vor Trump immer wieder ähnliche Auftritte gesehen haben. Hoeneß, der vor zehn Jahren schon so war, ist einfach vom Typus her ein Choleriker. Aber viel schlimmer sind doch die, die immer nur eiskalt kalkulieren und jedes Wort genau überlegen. Sympathiepunkte hat das alles dem FC Bayern aber nicht gebracht.