Interview

Präsident Herbert Hainer über demokratische Verantwortung des FC Bayern: "Damit sich die Geschichte niemals wiederholt"

Die Abendzeitung feiert 75 Jahre Grundgesetz: Für die Jubiläumsserie hat die AZ mit Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern, über die demokratische Verantwortung des Münchner Weltklubs gesprochen.
von  Krischan Kaufmann
Klare Kante gegen alle Demokratie-Feinde: Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern.
Klare Kante gegen alle Demokratie-Feinde: Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern. © imago

AZ: Herr Hainer, vor 75 Jahren wurde mit dem Grundgesetz das bis heute gültige Fundament unseres Zusammenlebens in Deutschland geschaffen. Gibt es eine Frage, die Sie – wenn Sie könnten – den Müttern und Vätern unserer Verfassung zu dieser Erfolgsgeschichte gerne stellen würden?
HERBERT HAINER: (schmunzelt) Zunächst einmal ist das von Ihnen eine interessante Frage. Ich denke, ich würde in erster Linie ein Lob und einen Dank an die Menschen aussprechen, die unsere Verfassung aufgesetzt haben. Gerade in einer Zeit, in der in unserer Gesellschaft zersetzende Kräfte wirken, sollten wir uns alle bewusst machen, wie tief und wie stark die Fundamente unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens sind. Unsere Demokratie, unsere Verfassung, ein Europa mit gemeinsamen Werten: Das sind Stützen für die Zukunft. Am 9. Juni sind Europawahlen, und in dem Zusammenhang erleben wir aktuell, dass Politikerinnen und Politiker sowie Menschen, die sich ehrenamtlich für unsere Demokratie engagieren, angegriffen und sogar brutal zusammengeschlagen werden. Das ist absolut inakzeptabel. Wenn so etwas passiert, trifft uns das alle. Auch vor diesem Hintergrund möchte ich an alle appellieren, sich an den anstehenden Wahlen zu beteiligen und ein Zeichen zu setzen, dass es nur zusammen in eine Richtung gehen kann. Was wir machen und was nicht, bestimmt die Zukunft unserer Demokratie. In einer Demokratie muss man aktiv sein: Wer wählt, nimmt Einfluss.

FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer: "Eine funktionierende Demokratie ist unabdingbar"

Sport soll ja eigentlich nicht politisch sein – und dennoch: Welche demokratische Verantwortung hat ein Weltklub wie der FC Bayern?
Sport an sich ist nicht parteipolitisch, hat aber eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Wenn zum Beispiel eine Partei wie die AfD unsere Gesellschaft spaltet und zu Teilen nachweislich die Basis unserer Verfassung verlässt, sollte der Sport aufstehen und gegensteuern: Sport verbindet die Menschen, er vermittelt zentrale Werte wie Zusammenhalt, Zusammenspiel, Gemeinschaftssinn – jeder Mensch ist gleich, egal welchen Hintergrund er hat. Im Sport wird Demokratie vermittelt. Eine funktionierende Demokratie ist unabdingbar, um die Interessen aller zu vertreten, zu schützen und zu leben. An der Stelle sehe ich einen Klub wie den FC Bayern in der Verantwortung, seine Strahlkraft einzusetzen, um zu verdeutlichen, für was wir stehen. Und das machen wir.

So engagiert sich der FC Bayern für Toleranz und Offenheit

Mit "Rot gegen Rassismus" engagiert sich der FC Bayern seit Jahren für Toleranz und Offenheit auch außerhalb des Fußballplatzes - was will der Klub vermitteln?
Es ist bei weitem nicht allein damit getan, an Aktionstagen mal ein Shirt mit dem Motto zu tragen – sondern das Bewusstsein der Menschen für das Thema zu schärfen, indem wir unser Engagement mit Leben füllen. Ein Sportverein ist etwas Dynamisches, wir wollen die Menschen bewegen: auf und außerhalb des Platzes. Wir sind mit "Rot gegen Rassismus" bei Demonstrationen vertreten, sind Teil der "Sei ein Mensch"-Kampagne der Stadt München, unterstützen Initiativen wie "buntkicktgut" oder das Bellevue di Monaco, gehen in Schulen und haben mit unserem Gehörlosen-Fanklub "Red Deaf" Gebärden für die Spielerinnen und Spieler entwickelt. Wir schaffen Raum für Begegnungen, zum Beispiel im Zeichen der Erinnerungskultur oder durch unsere Beteiligung am Christopher Street Day. Zudem haben wir Module entwickelt, um unsere Mitarbeitenden zu sensibilisieren. Es geht um Inhalte und Begegnungen, nicht um Parolen - und um eine klare Botschaft: Vielfalt bereichert!

Erinnerung und zugleich Mahnung: Die Geschichte des ehemaligen Bayern-Präsidenten und NS-Opfers Kurt Landauer ist für den Klub und seine Fans stets ein Zeichen für Vergebung und niemals Vergessen.
Erinnerung und zugleich Mahnung: Die Geschichte des ehemaligen Bayern-Präsidenten und NS-Opfers Kurt Landauer ist für den Klub und seine Fans stets ein Zeichen für Vergebung und niemals Vergessen. © imago

Lehrt gerade die Geschichte von Ehrenpräsident Kurt Landauer all seine Nachfolger, wie wichtig es ist, frühzeitig gegen undemokratische Auswüchse die Stimme zu erheben? Und wie sehr fühlen Sie sich diesem Erbe verpflichtet?
Kurt Landauer steht für eine beispiellose Botschaft der Versöhnung, weil er damals nach all den furchtbaren Ereignissen in der NS-Zeit dem Verein und der ganzen deutschen Gesellschaft wieder die Hand gereicht hat. Anlässlich des Holocaust-Gedenktags haben wir dieses Jahr mit unserem FC Bayern Museum und "Rot gegen Rassismus" Stadtführungen für Mitglieder auf den Spuren unseres Vereins zur NS-Zeit veranstaltet. Das Fazit der Teilnehmenden lautete, dass es alarmierend war, wie einem bei so einer Führung bewusst wird, dass damals alles unmittelbar vor den Augen der Gesellschaft passiert ist, mitten unter uns. Auch deshalb haben wir den Blick gleichzeitig nach vorne gerichtet und am selben Wochenende mit Münchner Jüdinnen und Juden der Israelitischen Kultusgemeinde um ihre Präsidentin Charlotte Knobloch Schabbat gefeiert, um Raum für Begegnungen zu schaffen. Wir alle sind verpflichtet, immer wieder deutlich zu machen: Wir sind mehr. Damit sich die Geschichte niemals wiederholt.

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