Pizza Problembär
Die Kritik an Werder-Rückkehrer Claudio Pizarro nimmt nun auch in Bremen zu. Ausgerechnet gegen seinen alten Verein, den FC Bayern, will sich der Peruaner nun aus der Krise schießen.
BREMEN Immerhin: Die gute Laune lässt sich ein Claudio Pizarro nicht verderben. Sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen, ist nicht und wird nie seine Art sein. Probleme geht der Peruaner offen wie offensiv an - also auch jenes, das den 29-Jährigen gerade bei Werder Bremen plagt. Denn ausgerechnet vor dem Gastspiel beim FC Bayern (Samstag 15.30, Live-Ticker bei abendzeitung.de) - wo Pizarro sechs Jahre lang beschäftigt war - wächst die Kritik.
Pizarro bewegt sich noch wie ein Problembär bei jenem Verein, der einst Türöffner für seine Karriere war. „Druck ist immer da", entgegnete er nun - und lachte. „Als ich damals fast noch als Junge nach Bremen gekommen bin, habe ich noch nicht gewusst, was Druck ist. Ich bin derzeit in einer etwas schwierigen Situation. Ich habe mit dem Trainer geredet - alles ist geklärt."
Wirklich? Für den Auftritt an alter Wirkungsstätte steht der aus der peruanischen Nationalmannschaft suspendierte Profi in der Bringschuld. Sein Trainer Thomas Schaaf verkneift sich zwar öffentliche Kritik („Er besitzt keine Spielpraxis"), doch der Druck auf den immer smarten, ewig lächelnden Lebemann wächst. „Bei Claudio passt es noch nicht“, stellt auch Sportchef Klaus Allofs fest, „ihm fehlen die Automatismen und die Sicherheit.“
Und vielleicht mangelt es auch am letzten Willen, an der letzten Konsequenz, an der letzten Verbissenheit. Hätten sonst die Wortführer Per Mertesacker und Torsten Frings unverhohlen die Abteilung Angriff für die Nachlässigkeiten im Abschluss gerügt?
Pizarro hat bislang zwar fast jeden Autogramm- und Interviewwunsch erfüllt, doch die Gegenleistung auf dem Platz ist eher gering. Ordentliches Debüt gegen Schalke, schwache Leistungen gegen Gladbach (trotz eines Tores) und Cottbus, desaströser Auftritt gegen Famagusta (ausgewechselt). War es Zufall, dass der sonst so besonnene Frank Baumann nach dem Fehlstart in die Champions League zur Generalabrechnung ansetzte? „Wir haben ein Einstellungsproblem. Der unbedingte Siegeswille fehlt, ich vermisse den Erfolgshunger", polterte der 32-Jährige, „einige sind zu sehr damit beschäftigt, wie sie selbst dastehen." Solche Sätze hatte der Franke an der Weser noch nie benutzt. Ein verzweifelter Weckruf. Mit seiner Kardinalkritik meinte der Kapitän eben auch Pizarro, der von sich selbst sagt, er sei manchmal zu egoistisch. Und die schönen Seiten des Fußballs (und des Lebens) genießt halt keiner so gern wie der Familienvater, dessen Tochter Antonella und Sohn Claudio junior in Bremen geboren wurden; Ehefrau Karla und die drei Kinder wohnen indes weiter in London.
Pizarros lukrativer Ausleihvertrag mit Werder – Chelsea bezahlt einen Teil seines opulenten Gehaltes weiter – läuft nur ein Jahr; besonders der Rückkehrer ist also auf Erfolgserlebnisse angewiesen. Wie viel Prozent fehlen ihm an seiner Form? „Wenn ich gegen die Bayern zwei, drei Tore schieße, dann fehlen vielleicht nur noch zehn Prozent. Wenn nicht, vielleicht 50 Prozent." Typisch „Pizza“. Ein Spruch rettet die Situation.
Besonders motiviert dürfte Werders Nummer 24 heute auf jeden Fall sein. „Das Spiel gegen die Bayern ist die Chance, unsere Situation entscheidend zu verbessern", sagt die Chelsea-Leihgabe, die den deutschen Meister als „großen internationalen Verein" betrachtet. „Werder will da noch hin", sagt Pizarro, der noch regen Kontakt zu Martin Demichelis und Bastian Schweinsteiger unterhält. Und dann gibt es noch eine Verbindung zum FC Bayern: Pizarros jüngerer Bruder Diego spielt bei den Bayern-Junioren, war mit den Profis bereits auf der Thailand-Reise dabei und wird heute in der Arena genau hinschauen. „Er hat das Zeug, ein europäischer Spitzenspieler zu werden und eifert mir nach", sagt Claudio über Diego, „er ist auf einem guten Weg." Nicht, dass sich die familiäre Vorbildfunktion noch umkehrt.
Frank Hellmann