Philipp Lahm: Smart, aber hart
Wie Philipp Lahm, der oft zurückhaltend wirkende Kapitän, das Ruder an sich riss. Er kritisierte intern die „sehr risikoreiche“ Spielweise van Gaals und sieht nun sich und die Bayern-Stars in der Pflicht.
München - Laut ging es am Mittwoch zu am Trainingsplatz, laut und deftig. Es ist wieder Spannung im Bayern-Kader, die nötige Aggressivität ist zurück. Breno foulte Gomez, in einem anderen Zweikampf bekam Robben eins auf die Nase, die kleine Blutung wurde mit Papier gestoppt. Halb so wild. Und doppelt so gut.
„Unser neuer Trainer Andries Jonker hat uns in die Pflicht genommen“, erzählte Kapitän Philipp Lahm hinterher, „man merkt, dass auf dem Platz viel mehr gesprochen wird. Das ist gut.“ Es soll keine One-way-Kommunikation sein wie zuletzt unter Louis van Gaal. Denn der hörte zwar die Meinungen der Spieler, ließ aber am Ende nur eine zu: seine. Nach und nach resignierten die Profis, Arjen Robben und Franck Ribéry sprachen daher letzte Woche beim Vorstand vor. Doch in erster Linie war es Lahm, der das Stimmungsbild innerhalb der Mannschaft zu den Bossen transportierte.
Vom Vorstand und Präsident Uli Hoeneß darauf angesprochen, gab der 27-Jährige Auskunft über das mehr und mehr zerrüttete Verhältnis zum Trainer. Nach außen pries sich der Holländer stets selbst als „Kommunikator“, intern hörte er nicht auf die Signale aus der Mannschaft.
Der Hauptvorwurf: das riskante Abwehrverhalten, die Vorgabe, alles spielerisch lösen zu wollen. „Wir haben sehr, sehr risikoreich nach vorne gespielt, standen dadurch zu weit auseinander und haben dem Gegner so zu viele Torchancen ermöglicht“, sagte Lahm am Mittwoch. Es ging also um mehr – um die Ausrichtung einer Mannschaft, die Grundphilosophie auf dem Platz. Mehrfach hatten Meinungsführer van Gaal darauf hingewiesen, defensiver agieren zu wollen – ohne Erfolg. Diese Sturheit war einer der Gründe für die Entlassung van Gaals am Samstagabend nach dem 1:1 in Nürnberg.
Für den Vorstand war klar, dass Lahm und sein Stellvertreter Bastian Schweinsteiger diesen Schritt gutheißen würden. Auch, weil es eine Vorgeschichte zum Patzer von Keeper Thomas Kraft beim Club gab. Im Donnerstags-Training war ihm derselbe Fehler unterlaufen. „Thomas, hör’ endlich auf mit deinen Lupfern!“, soll ihn Lahm ermahnt haben und danach sei es laut „Sport-Bild“ zu einem deftig-lauten Anpfiff von van Gaal gegenüber Lahm gekommen.
Erst Hoeneß, dann Ribéry, nach dem Torwart-Wechsel zudem Sportdirektor Nerlinger und Vorstandsboss Rummenigge, und am Ende auch Schweinsteiger und Lahm. Van Gaal hatte zu viele Leute gegen sich aufgebracht. Und gerade die Meinung des Nationalelf-Kapitäns zählt viel beim FC Bayern. Vor allem, da sich Lahm immer politisch korrekt und in der Öffentlichkeit zurückhaltend äußert, intern jedoch klar Stellung bezieht. Eben smart, aber hart.
„Ich habe meine Meinung immer offen mitgeteilt, und auch die Mannschaft hat das so gesehen“, sagte Lahm zum Vorwurf des Risiko-Fußballs, den van Gaal spielen ließ. Der Kapitän weiter: „Aber im Vordergrund steht immer der Erfolg, ganz besonders beim FC Bayern. Und wenn der ausbleibt, muss gehandelt werden.“ Der Lauf der Dinge.
Am Sonntag (15.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) gegen Leverkusen steht die Mannschaft in der Pflicht.