Philipp Lahm: Engel oder Rebell?

Vorstandskritiker Lahm zahlt 25.000 Euro Strafe und hat sich am Montag beim Vorstand des FC Bayern für seine Kritik entschuldigen müssen. Dennoch hat er gewonnen: an Ansehen bei den Fans. Und auch die Bosse wollen ihn künftig öfter anhören
MÜNCHEN Da treffen sich ja genau die Richtigen am Dienstag in Herzogenaurach. Michael Ballack und Philipp Lahm. Der eine, der Kapitän der Nationalelf, hatte das Interview des Jahres 2008 gegeben, Lahm nun die gedruckte Fundamentalkritik des Jahres 2009 auf dem Gewissen. Beide handelten im eigenen Interesse, aber auch für die Mannschaft – für das DFB-Team und wie im Fall Lahm für den FC Bayern.
Lahm und Ballack sowie Bundestrainer Joachim Löw präsentieren in der fränkischen Konzernzentrale von Adidas das deutsche WM-Trikots für Südafrika 2010. „Er wollte sicherlich wachrütteln, wollte positive Impulse setzen, hat Dinge angesprochen“, bemerkte Nationalmannschafts-Wortführer Ballack im TV-Sender „Sky“, gab aber zu bedenken: „Im Endeffekt ist alles, was an die Öffentlichkeit geht, immer gefährlich.“ Er spricht aus Erfahrung. Vor einem Jahr hatte seine öffentlich geäußerte Kritik am Führungsstil von Löw für eine langanhaltende Krise gesorgt.
Der Disput mit Lahm ist angeblich bereits Geschichte. „Für beide Seiten ist die Angelegenheit vom Wochenende damit erledigt“, hieß es am Montagnachmittag in einer Pressemitteilung des Vereins. Um 12.47 Uhr war Lahm auf dem Vereinsgelände an der Säbener Straße vorgefahren und hatte sich mit dem kompletten Vorstand um Rummenigge, Hoeneß und Hopfner zusammengesetzt. Das Ergebnis lau Erklärung: „In einem sehr offenen, ausführlichen und konstruktiven Gespräch hat sich Philipp Lahm für die Art und Weise seiner Aussagen und den eingeschlagenen Weg entschuldigt. Philipp hat eingesehen, dass es besser gewesen wäre, mit seiner Meinung direkt den Weg zum Vorstand zu suchen.“ Mehr noch: Seine Meinung ist gefragt. Lahm wurde „ermutigt und auch aufgefordert, künftig seine Meinung im direkten Dialog mit den Verantwortlichen zu besprechen“. Als Lahm das Büro verließ, sagte er lediglich: „Es war konstruktiv wie immer.“ Fünf Worte nach über zwei Stunden.
Auf seiner Facebook-Seite hatte Lahm, der am Mittwoch wird, ausgerichtet: „Es war ein turbulentes Wochenende für mich. Vielen Dank für die vielen aufbauenden Worte!“ Zahllose Mails bestärkten Lahms Vorstoß. Die Bayern sanktionierten ihn mit 25000 Euro Geldstrafe. Ihn, der zum ersten Mal als Rebell aufgefallen war. Ihn, der nie in der Tradition eines Stefan Effenberg oder Paul Breitner stand. Ihn, der eher als Gutmensch aufgefallen war.
Lahm ist eher der Typ wie ihn sein Ex-Trainer Felix Magath beschrieb, der „liebe, nette Schwiegersohn“. Einer, der geben kann, der nicht nur seine Karriere, sein Gehalt sieht. Lahm engagiert sich mehr als andere Profis, ist SOS-Kinderdorf-Botschafter, unterstützt „Bündnis für Kinder“ und den Welt-Aids-Tag 2009. Mehr Engel als Rebell?
Nun hat er sich ein neues Profil gegeben, die Fans weiß er künftig hinter sich. Bleibt er bei Bayern, dürfte er irgendwann Kapitän werden.
Doch aktuell lauern Gefahren nach seinem Alleingang: „Das wird brutal für Lahm. Seine Leistung wird nach jedem Spiel geradezu seziert werden“, meint Ex-Bayern-Kapitän Effenberg bei „stern.de“ und glaubt: „Die Mitspieler werden ihm jetzt eher distanziert gegenübertreten. Sein Ansehen im Team wird dadurch leiden.“ Mit Kapitän Mark van Bommel hat sich Lahm am Telefon schon ausgesprochen.
Patrick Strasser