Philipp Lahm: Ein Solo mit Folgen
München - Der Blumenstrauß in den Vereinsfarben – und dazu zwei Männer, die nicht süß-saurer hätten lächeln können. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsboss, hatte Philipp Lahm vor dem Pokalspiel gegen Wolfsburg ein optisches Dankeschön für seine 500 Pflichtspiele im Bayern-Trikot überreicht.
Im beiderseitigen Wissen, dass zu diesem Zeitpunkt das Kind schon längst in den Brunnen gefallen war. Der 33-Jährige hört auf, macht diesen Sommer ein Jahr früher Schluss als es in seinem dotierten Arbeitspapier steht und möchte auch nicht sofort als Sportdirektor einsteigen. "Für mich steht fest, dass ich ab Sommer Privatier bin. Wir werden sehen, was dann die Zukunft bringt", sagte der Inventar-Bayer, der in seinen 20 Jahren für den Rekordmeister wohl höchstens 20 Fehlpässe gespielt hat.
Die Bekanntgabe seines vorzeitigen Abschieds samt des Verzichtes auf eine Zusammenarbeit mit den Bossen war ein Alleingang von Lahm, was Rummenigge und Uli Hoeneß, seit Montag nicht nur Präsident, sondern auch wieder Aufsichtsratsvorsitzender, sauer aufstieß.
Lesen Sie hier: Henrichs als möglicher Lahm-Ersatz im Gespräch
Denn bereits am Freitag herrschte Klarheit. Dennoch sagte Hoeneß nun der "Funke Mediengruppe": "Für Philipp Lahm bleibt die Tür bei uns offen. Ich kann mir vorstellen, dass er eines Tages beim FC Bayern arbeitet." Als Sportdirektor ab 1. Januar 2018 oder gleich als Sportvorstand? Oder gar als Nachfolger von Rummenigge, dessen Vertrag als Vorstandsvorsitzender bis 31. Dezember 2019 datiert ist? Alles offen. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur Causa Lahm:
Warum waren die Bosse sauer?
Weil Lahm sie mit dem Vorpreschen düpiert hat. Rummenigge sprach am Mittwoch in einer Erklärung von einem "überraschenden Vorgehen" . "Bis gestern sind wir davon ausgegangen, dass es zu dieser Entscheidung eine gemeinsame Erklärung Philipp Lahms und des FC Bayern München geben wird", erklärte Rummenigge am Mittwoch. Hoeneß betonte, es sei "nicht üblich, mit diesen Dingen vor wichtigen Spielen an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir sahen keine Eile." Dennoch haben sie Lahm verziehen. Hoeneß: "Die Überraschung mit der Bekanntgabe ist für mich eine Marginalie. Da verändert sich nichts. Philipp Lahm hat unseren größten Respekt verdient."
Was war Lahms Antrieb?
Er wollte einen klaren Schlussstrich – konsequent und geradlinig war er schon immer, siehe seinen Rücktritt als Nationalspieler nach dem Gewinn des WM-Titels 2014. "Das Ende", sagte Lahm, "will ich selber bestimmen." Es kursiert das Gerücht, dass Lahm unter Trainer Carlo Ancelotti nicht so happy sei wie mit Taktik-Tausendsassa Pep Guardiola. Also lieber jetzt "Servus sagen" mit der Chance auf drei Titel zum Abschied, als in eine Umbruch-Saison zu gehen.
Wie argumentiert Lahm?
Diplomatisch. Und nennt rein sportliche Gründe. "Ich sehe meinen Führungsstil in der Art, dass ich jeden Tag versuche, mein Bestes zu geben. Ich glaube, dass ich fähig bin, das bis zum Ende der Saison auch abzuliefern. Aber nicht darüber hinaus." Was im Mittelfeld (wie unter Pep) wohl eher möglich gewesen wäre als als Rechtsverteidiger.
Wie liefen die Verhandlungen mit Bayern?
"Es gab insgesamt vier Sitzungen", berichtet Hoeneß, von Rummenigge habe Lahm ein Arbeitspapier bekommen, wie die Aufgabe beschrieben sei. Rummenigge ergänzte, es habe "offene, intensive und konstruktive Gespräche über seine mögliche Einbindung in das Management" gegeben. Schon im November hatte der Aufsichtsrat laut Hoeneß "kontrovers diskutiert" und Lahms sofortigen Einstieg in den Vorstand ausgeschlossen. "Bei uns im Aufsichtsrat sitzen Dax-Vorstände. Für die kommt nicht infrage, dass jemand ohne Berufserfahrung im Vorstand anfängt.
Lesen Sie hier: "Bayern wird 50 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben"
Auch Christian Nerlinger war Sportdirektor und nicht Vorstand. Bei Matthias Sammer war das anders. Er war vorher beim DFB", sagte Hoeneß. Doch Lahm hatte offenbar andere Ansprüche und wollte laut "Sport Bild" auf Augenhöhe mit den Verantwortlichen diskutieren – als Sportvorstand, nicht "nur" als Sportdirektor.
Was macht Lahm ab Sommer?
Sich anderen Dingen widmen. Der Unternehmer ist Gesellschafter des Müsli-Spezialisten "Schneekoppe", hat in "Fanmiles" investiert, ein Berliner Startup, sich in "Danova", einem Nürnberger Anbieter von betrieblicher Gesundheitsvorsorge, eingekauft. Nicht ausgeschlossen, dass sich Lahm mal das Jobprofil des DFB-Sportdirektors anhört, den es seit dem Abschied von Hansi Flick nicht mehr gibt. Eine unwahrscheinliche Variante, weil der bodenständige Familienvater Lahm dann seinen Lebensmittelpunkt nach Frankfurt verlegen müsste.