„Perfektionist“ Heynckes auf letzter Mission

Jupp Heynckes hat einen klaren Auftrag: Er soll den FC Bayern wieder zur Nummer 1 in Deutschland machen. Das Arbeitsklima konnte der Trainer rasch verändern, die Umstellung der Spielweise benötigt Zeit: Der „Perfektionist“ orientiert sich am FC Barcelona.
München/Braunschweig – Der kluge Mann baut vor. Jupp Heynckes weiß, dass er beim FC Bayern München zum Erfolg verdammt ist. Trotzdem sieht sich der erfahrene Fußballlehrer am Ende der Saisonvorbereitung praktisch noch ganz am Anfang seiner dritten und letzten Mission beim Rekordmeister. „Man braucht einfach Zeit“, sagte der 66 Jahre alte Trainer vor dem ersten Ernstfall am Montagabend im DFB-Pokal beim Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig.
Der von ihm eingeleitete „Prozess“ sei „nicht in vier Wochen perfekt umzusetzen“, betonte Heynckes und bat um Geduld. Denn seine Ansprüche sind hoch, sehr hoch. „Ich bin ein Perfektionist.“
Auch wenn Heynckes einräumt, dass „meine Karriere als Trainer sich dem Ende zuneigt“, betrachtet er seinen Zweijahresvertrag in München nicht als gut dotierten Übergang in den nahenden Ruhestand. Nein, bei seinem Lieblingsclub fühlt er einfach sich, „als wenn ich nach Hause gekommen bin“. Es sei für ihn eine Aufgabe, „die mich erfüllt“.
Und ausfüllt. Vorstand-Freund Heynckes richtet die Bayern nach den Turbulenzen der Louis-van-Gaal-Ära neu aus – sportlich und im Umgang miteinander. „Mit allen seinen Facetten, die er mitbringt, ist er der ideale Trainer für uns“, schwärmt Sportdirektor Christian Nerlinger, der besonders die „menschlichen Qualitäten“ von Heynckes hervorhebt.
Heynckes vermittelt einem Spaßkicker wie Franck Ribéry wieder Freude an seinem Tun. Er kümmert sich aber auch um die Hinterbänkler in dem für 44 Millionen Euro aufgemotzten Luxuskader. Es sind viele kleine Gesten, die Wirkung erzielen. So ließ er etwa Ivica Olic, der sich nach seiner langwierigen Knieverletzung wieder herangekämpft hat, „aber zwangsläufig noch Defizite hat, in Testspielen als Kapitän auflaufen. „Das mache ich nicht ohne Grund“, erläuterte Heynckes: „Das ist ein Stück Motivation.“
Heynckes fördert junge Spieler wie den Österreicher David Alaba oder Nationalspieler Toni Kroos, der unter ihm aufblüht wie einst bei Bayer Leverkusen. Er fordert aber auch. Das ewige Talent Breno (21) muss jetzt liefern. „Er muss jetzt mal Kontinuität in seine Arbeit bekommen und richtig fit werden“, sagte Heynckes erst am Sonntag. Der Brasilianer muss in dieser Saison beweisen, „ob er das Niveau hat, um ganz oben – also beim FC Bayern – mitzuspielen.“
Das Arbeitsklima zu verändern, war für Heynckes kurzfristig möglich. Die Spielweise umzustellen, ist das eigentliche Problem. „Hier ist das Hauptaugenmerk in den letzten Jahren immer wieder auf Ballbesitz, Positionsspiel, Offensivspiel gelegt worden“, betonte Heynckes. Um aber wieder Titel zu erringen, sei eine bessere Balance zwischen Offensive und Defensive der Schlüssel.
Und da ist Champions-League-Sieger FC Barcelona der Maßstab für Heynckes. Und das gar nicht so sehr wegen des „Superfußballs“, den Lionel Messi & Co. zelebrieren könnten, sondern wegen des perfekt funktionierenden Defensiv-Teamworks. „Was mir an Barca besonders imponiert, ist, wie sie ihr Pressing umsetzen, wie bei Ballverlust alle Automatismen greifen, um wieder den Ball zu erkämpfen.“
Für Heynckes ist es eine Herausforderung, dieses für ihn „im modernen Fußball unabdingbare“ Verhalten auch fast nur offensiv denkenden und handelnden Stars wie Robben und Ribéry zu vermitteln. „Das kriegt man nicht von jetzt auf gleich hin. Aber wir arbeiten daran – und es wird funktionieren.“ Muss es auch, schließlich hatte Heynckes bei seinem Arbeitsbeginn in München versprochen: „Der FC Bayern wird ein ganz anderer sein als letztes Jahr.“