Peps Sehnsucht nach dem Top-Top-Top-Quartett

München - Mit „hätte“, „wenn“ und „aber“ braucht man natürlich gar nicht erst anzufangen, schon klar. Aber ärgerlich ist diese Verletzten-Misere beim deutschen Rekordmeister schon. Ausgerechnet jetzt, in der so genannten Crunch-Time, wo es darauf ankommt, gegen die besten Teams Europas das eigene Top-Niveau abzurufen, ist das Bayern-Lazarett so prominent besetzt, dass es als Fan schon weh tut.
27 Mann stark war Pep Guardiolas Kader zu Saisonbeginn – nur sieben Kicker kamen bislang verletzungsfrei durchs Bundesliga-Jahr, unter anderen die Weltmeister Jérôme Boateng, Thomas Müller, Manuel Neuer und Mario Götze. Nach Adam Riese waren in dieser Spielzeit also schon 20 Bayern-Profis verletzt oder krank. Unangefochtener Tabellenführer in der Wertung der am meisten verpassten Bundesliga-Spiele ist der 40-Millionen-Euro-Mann Javi Martínez mit 30 Partien.
Danach folgen Franck Ribéry (18) und Holger Badstuber (17). Insgesamt haben Bayern-Kicker in dieser Saison mehr als 200 Spiele versäumt. Im Halbfinal-Rückspiel gegen die Überflieger des FC Barcelona (bei Andruck dieser Ausgabe nicht beendet) fehlt ein Quartett aber besonders arg.
Lesen Sie auch: FC-Bayern-Umbruch nach Ü30-Stars - schwierige Aufgabe
David Alaba: Österreichs Sportler des Jahres ist einer, den die Bayern gegen die High-Speed-Ungeheuer aus Katalonien wirklich gut hätten brauchen können, egal ob im Mittelfeld oder auf der linken Außenbahn gegen diesen Dribbel-Irrwisch Lionel Messi. „Er wird in Spanien als Waffe gegen Messi sehr geschätzt“, sagte Bodo Illgner, Weltmeister und früherer Torhüter von Real Madrid, der AZ. Doch Ende März zog sich das Multi-Talent beim Testspiel Österreichs gegen Bosnien-Herzegowina einen Innenbandriss im linken Knie zu: das Saison-Aus? Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge klagte: „Das tut uns natürlich weh, weil David in einer guten Verfassung war und wichtige Tore erzielt hat mit seinen Freistößen.“ Egal, Alaba selbst zählt zu den größten Optimisten in der Stadt. Der österreichischen „Kronenzeitung“ sagte er: „Wir gewinnen das Rückspiel mit 4:0. Und ich hoffe, dass ich dann im Finale aufgestellt werde.“
Arjen Robben: Auch der Holländer war in Top-Form – bis ihn gleich zwei Verletzungen lahm legten. Gerade hatte er seinen Bauchmuskelriss auskuriert, da ereilte ihn im dramatischen Pokal-Fight gegen Borussia Dortmund das nächste Unheil: Muskelfaserriss in der Wade, Saison-Aus. Gerade in der Champions League hatte der Niederländer in den vergangenen Jahren oft zu seiner besten Form gefunden, nicht nur im Finale 2013 gegen den BVB. Stattdessen: Tribüne, Zivilklamotten statt kurzer Hose – die Höchststrafe für Robben. Dessen Offensivstärke hätte den Katalanen sicher ein paar Kopfschmerzen bereitet.
Franck Ribéry: Never ending story: So könnte das Kapitel heißen, das die mysteriöse Knöchelverletzung des Franzosen beschreibt. Beim federleichten 7:1 gegen Schachtjor Donezk hatte sich der Flügelstürmer verletzt, ein paar Tage Pause lautete die Diagnose. Das war im März. Zwei Monate später ist Ribéry immer noch am Knöchel verletzt, kann noch nicht einmal laufen. Keine Chance auf ein Comeback. Was genau da kaputt ist? Weiß kein Mensch, sagt kein Mensch. Nur so viel ist klar: Niemand ärgert das mehr als den Franzosen selbst, der die Auftritte auf der großen Königsklassen-Bühne über alles liebt. Und wer weiß, wie viele Gelegenheiten der 32-Jährige noch hat, in einem Champions-League-Finale zu landen? Die Namen diverser Nachfolger kursieren längst.
Holger Badstuber: Der Ober-Pechvogel der vergangenen Jahre. Unfassbar, diese Krankengeschichte: ein Kreuzbandriss nach dem anderen. Und als er endlich wieder auf dem Weg zu alter Stärke ist, folgt der nächste Rückschlag: Riss des Oberschenkelmuskels. Die nächste Operation, wieder in Vail/Colorado. Seine Zuversicht hat er dennoch nicht verloren: „Ich bin trotz alledem positiv und werde völlig gesund zurückkehren. Ich weiß, dass beim FC Bayern alles für mich getan wird, um wieder als wichtiger Bestandteil der Mannschaft zurückzukehren.“
Sein gutes Auge und sein souveränes Stellungsspiel hätte Pep Guardiola allerdings gerne gegen Barcelonas Wundersturm eingesetzt – genau wie Ribéry, Robben und Alaba. Alle unverzichtbar oder, wie Guardiola gerne sagt: top, top, top. Einsetzen kann Guardiola alle vier wohl erst wieder in der neuen Saison. Bis dahin bleibt die Sehnsucht nach dem Top-Top-Top-Quartett.