Peps Lebenswerk: Ein süßer Tod
München - Drei Spiele noch. Dann ist Pep Guardiola beim FC Bayern Geschichte. Mit dem 2:1 gegen Atlético Madrid, dem dritten Aus im Halbfinale der Champions League, steht fest: Seine Mission, den Verein auf Europas Thron zu führen, Triumphe wie das Triple 2013 zu wiederholen, hat er nicht erfüllt. Es war ein großes Halbfinale, dieses Pep-Finale. Dieses 2:1 war Guardiolas beste, wirklich spielerisch wertvollste Niederlage und zugleich sein schlimmster, traurigster Sieg. Im Sommer zieht er weiter, heuert bei Manchester City in der Premier League an, bereit für die nächste Herausforderung.
Was bleibt von Pep?
Mit „Thiago oder nix!“ fing alles an. Riva del Garda, der 11. Juli 2013: Pep Guardiola, seit wenigen Tagen Bayern-Trainer, testet sein Machtpotenzial aus. Er will seinen Lieblingsspieler vom FC Barcelona an seine neue Wirkungsstätte holen: Thiago Alcantara, ein Name wie der eines expressionistischen Malers.
Guardiola, als Architekt der neuen Bayern verpflichtet, arbeitet in jeden Tagen am Fundament einer Mannschaft, die seine Handschrift tragen soll – auf seinen Landsmann, eingeplant als Vorarbeiter und Vordenker, will der Spanier nicht verzichten.
Mit seinen deutlichen, aufgrund der Sprachbarriere ungestüm-fordernd klingenden Worten, schafft Guardiola an jenem Sommertag am Gardasee das prägende Zitat seiner drei Jahre währenden Ära. An einem Ort, der ihm nicht gefiel. Zu viele Fans, zu viele Touristen, zu viel Folklore. Willkommen beim FC Bayern!
Er musste sich anpassen, es akzeptieren. Auch ein Satz, der seine Regentschaft in München kennzeichnen sollte: „Ich muss mich anpassen.“ Eine andere Kultur, ein anderer Verein. Eine neue Liga ist wie ein neues Leben.
Verliebt wirkten anfangs beide, Verein wie Neuankömmling. In nur einem halben Jahr lernte der Katalane sehr passabel Deutsch, wahrlicher besser als viele seiner Kritiker, die glauben, eine Sprache zu beherrschen, sie aber nur in Restaurants anwenden können. Seine erste Kabinenansprache hielt er auf Deutsch. TV-Interviews und Pressekonferenzen gab er von Tag eins an ebenfalls in dieser für ihn sehr fremden Sprache. Deutsch oder nix!
So konnte er sich auf charmante Art verstecken, seine Analysen waren schwach, weil nicht detailliert. Für seinen Mut erntete er Respekt, dennoch war es sein größter Fehler. Das Sprachgenie, der Mann wechselt – einmal kurz die Augen geschlossen – zwischen Spanisch, Katalanisch, Englisch, Italienisch und Deutsch, gab sich einsilbig nach außen, wurde für die Fans unnahbar, nicht greifbar. Nicht zu verstehen.
Dieser Absolutismus und zugleich diese Überhöhung in der Sprache, alles wirkte immer so, als gäbe es nur Schwarz oder Weiß, führten dazu, dass Guardiola ein Entweder-oder-Trainer wurde. Im Laufe der Zeit mischte sich in seine Übertreibungen mehr und mehr Sarkasmus. Thiago oder nix! Triple oder nix! Alles oder nichts. Drei Mal Meister in drei Jahren – am Samstag in Ingolstadt ist es wohl soweit – ist: wow! Grandios. Und drei Mal Halbfinale in der Königsklasse ist nicht: nix. Doch vier Niederlagen in sechs Partien gegen Real Madrid (2014) und den FC Barcelona (2015) sowie jetzt gegen Atlético Madrid, lediglich zwei Siege – noch dazu Sisyphos-Erfolge weil sie das Ausscheiden bedeuteten – sind eine schlimme Bilanz.
Müller und Boateng: Weltmeister im Unglück vereint
Die Bayern rannten am Dienstag an. Sie rannten schön an. Mit Ball und Verstand. Hat Bayern, früher eher pragmatisch-zynisch und mit dem Dusel im Bunde, je schöner gespielt als über weite Strecken – eigenartigerweise meist nur im Herbst – einer Saison? Pep hat sie auf ein neues Niveau gehoben, geprägt. Durch Ballbesitz dominieren, dieser Systemfußball begeisterte inklusive der Leidenschaft und der Mentalität von Spielern wie Arturo Vidal und Thomas Müller, die nie wirklich die Seinen waren, die er aber über die Zeit akzeptierte.
„Es gewinnt nicht immer der Bessere im Fußball“, sagte Müller, der Elfmeterversager in der Nacht auf Mittwoch geknickt, murmelte noch „gemein und unfair“. Ihm verzeihen die Fans am ehesten. Das Aus gegen Atlético war heldenhaft, nicht stümperhaft wie die beiden Jahre zuvor als sich Guardiola verzockte, weil vercoachte. Anspruch und Wirklichkeit lagen nur Zentimeter auseinander in diesem Schlachtengemälde eines fesselnden Fußballspiels. Ein Tod, ein süßer Tod. „Ich habe mein Bestes getan, habe mein Leben gegeben für diesen Verein, für diese Spieler“, bilanzierte Guardiola melancholisch, „es war eine Ehre, mit ihnen zu arbeiten.“
Im Sommer übernimmt Carlo Ancelotti, ein Typ wie Jupp Heynckes – sagt man. Der Fokus wird sich wieder ändern. Hauptsache Pokale. Peps Erbe, der Spielstil, kann die Grundlage sein.
Ein großes Spiel, das Pokalfinale am 21. Mai gegen Borussia Dortmund, hat Guardiola noch vor sich. „Es tut mir leid. Titel sind Nummern. Statistik ist Statistik.“ Doch auch er weiß: es ist die Währung des Fußballs, Trophäen stehen schwarz auf weiß. Das schöne, perfekte Spiel, sein ewiger Antrieb, ist vergänglich wie die Liebe. Thiago spielte am Dienstag übrigens keine Minute. Welch’ Pointe.