Peps Abschied: Warum Bayern nie eine Chance hatte
München - Ganz nebenbei ließ Pep Guardiola dann sogar einen Blick in das Innenleben seiner Familie zu. Als die Frage gestellt wurde, welche Rolle seine Frau Cristina bei der Entscheidung über seine Zukunft gespielt habe, ob sie ihn vielleicht vom Bleiben überzeugen wollte, weil sie und die drei Kinder sich in München doch so wohl fühlten in den vergangenen zweieinhalb Jahren, antwortete der Trainer ganz ohne Umschweife: "Nein, sie hat nichts gesagt. Sie meinte nur: Wenn du eine Entscheidung triffst, gehen wir."
Pep, der Chef. Offenbar nicht nur in seinem Trainerjob, sondern auch Zuhause. Wie, bitteschön, sollte es dann Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß oder Matthias Sammer gelingen, den Coach in München zu halten, wenn nicht mal seine Frau ein echtes Mitspracherecht hatte?
Der Dienstagmittag an der Säbener Straße, der erste Auftritt Pep Guardiolas nach der Bekanntgabe seines Abschieds zum Saisonende, lieferte eine präzise Antwort auf diese Frage: Der FC Bayern hatte nie eine Chance, seinen Trainer zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen. Kein Szenario wäre vorstellbar gewesen, um Guardiolas Meinung zu ändern. Er wollte weg, und offenbar war zumindest ihm das auch schon länger klar. Nur ließ er den Klub und die Öffentlichkeit nicht an seinen Gedanken teilhaben.
"Der Grund, dass ich nicht meinen Vertrag verlängere, ist sehr einfach", sagte Guardiola zu Beginn seiner Ausführungen, die er gut vorbereitet hatte und in nahezu perfektem Deutsch vortrug: "Ich will in England in der Premier League trainieren. Ich will diese Emotionen dort erleben. Das ist der einzige Grund. Es ist ein großes Risiko, nach England zu gehen. Ich weiß das. Aber ich mag das."
Guardiola wirkte gelöst wie lange nicht. Die ständigen Nachfragen zu seiner Zukunft hatten gegen Ende der Hinrunde schwer auf dem Trainer gelastet. Zum Teil auch selbst verschuldet, weil er länger als nötig seine Entscheidung für sich behielt. Denn wie er nun betonte, habe er dem Verein schon früh gesagt, "dass es vielleicht das Beste für alle ist, wenn ich etwas anderes mache. Wir haben im September und Oktober über das Thema immer wieder mal gesprochen."
Sei's drum: Auf dem Podium sah man an diesem Tag den charmanten Pep, den nahbaren, den lustigen, der er ja durchaus sein kann, wenn man ihn nicht mit Fragen nervt, die ihm nicht passen.
"Wäre ich 55 oder 60 Jahre alt wie mein Vorgänger Jupp Heynckes", sagte er, "würde ich hier bei Bayern München bleiben, bis Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß oder Matthias Sammer sagen: Pep, es ist genug, geh' nach Hause."
Doch er sei eben erst 44 Jahre alt, "ich bin jung genug, ich brauche in diesem Moment meiner Karriere eine neue Herausforderung." Wie genau diese neue Aufgabe aussehe, ob es Manchester City werde, wie alle vermuten, wollte Guardiola nicht verraten.
Aber er zeigte offen seine Vorfreude über das neue Leben auf der Insel und erklärte die Notwendigkeit eines Wechsels: "Ich glaube, drei Jahre sind genug. Ich mag neue Restaurants in neuen Städten, ich will neue Leute, neue Stadien kennenlernen. Das ist es, was ich will."
Nicht mal die Spieler des FC Bayern, die von Guardiola einmal mehr als "großartige Profis" geadelt wurden, konnten an diesem Entschluss etwas ändern. Der Katalane ließ mit seinen Worten keinen Zweifel, dass für ihn dieses Verhältnis zwischen ihm und seinen Spielern zwar von großem Respekt und auch sportlicher Zuneigung geprägt war ("Ich bin jeden Tag glücklich, hier herzukommen und mit diesen Spielern zu arbeiten"), er aber immer auf Abstand blieb, um die Verbindung nicht zu eng werden zu lassen.
"Ich habe nur mit wenigen Spielern darüber gesprochen", sagte Guardiola, als er gefragt wurde, wie er der Mannschaft seinen Abschied mitgeteilt habe. "In Katar werden wir vielleicht drei oder fünf Minuten darüber sprechen." Mehr nicht.
Die Bayern, das wurde deutlich, waren für ihn stets ein Projekt, ein sportlicher Lernprozess auf seiner erst zweiten Trainerstation. Er wollte vor allem sich selbst testen, weiterentwickeln. "Das Wichtigste für mich ist, meinen Spielern mit meiner Erfahrung und meiner Spielweise zu helfen, diesen Wahnsinnssport Fußball zu verstehen", sagte Guardiola. Titel? Gern, aber nicht um den Preis. Wichtiger war ihm stets die Spielweise, die Erkenntnis, dass seine Ideen eine Mannschaft besser machen.
Das ist eben der Anspruch dieses Mannes, sein Antrieb, der trotz aller Fokussierung auf die eigene Person Demut nicht ausschließt. "Ich bin hier, um mein Bestes zu geben, das werde ich bis zum Schluss machen", sagte er. "Und ich werde, wenn ich gehe, nur ein kleiner Teil in der großen, großen Geschichte dieses Vereins sein."
Die Bayern, allen voran die Vereinsspitze um Karl-Heinz Rummenigge, hätte es indes gern gesehen, wenn Guardiola weitergemacht und zu einer der wichtigsten Figuren des Klubs aufgestiegen wäre. Aber dieser Wunsch blieb verwehrt.
"Ich hoffe, Kalle ist okay und nicht so traurig", sagte Guardiola, der ankündigte, keinen Spieler aus dem aktuellen Bayern-Kader zu seinem neuen Klub locken zu wollen. "Es tut mir leid, wenn die Leute hier enttäuscht sind. Sie haben um mich gekämpft, sie haben alles gemacht, sie wollten mich halten. Aber es geht nicht ums Geld, es geht nicht um bessere Spieler, nicht um die Stadt, nicht um die Familie. Ich brauche eine neue Situation für mich. Ich denke, es ist auch gut für den Verein, zu wechseln. Ich denke, es ist gut für alle."