"Pep ist total ansteckend"
Auf der Rechnung hatte ihn niemand so recht. Doch Jan Kirchhoff ist beim FC Bayern eine der positiven Überraschungen des Saisonstarts. Im AZ-Interview spricht er über Wachstumsprobleme und den Bayern-Wahnsinn.
AZ: Herr Kirchhoff, Mario Götze hat als Kind in Bayern-Bettwäsche geschlafen. Sie?
JAN KIRCHHOFF: (lacht) Nein, ich war nie richtig Fan einer Mannschaft. Aber Bayern habe ich immer bewundert.
Von Mainz zum Triple-Sieger – großer Leistungssprung.
Die Qualität meiner Mitspieler ist brutal hoch. Wahnsinn, was da auf mich zukommt. Ich muss mich erst ans Tempo und die Handlungsschnelligkeit gewöhnen. Das war – oder ist – ein Riesenschritt für mich. Aber dieser Herausforderung stelle ich mich.
Zweifelt ein Teil von Ihnen daran, es packen zu können?
Vom ersten Moment an waren auch Bedenken dabei. Aber ich will meine Grenzen nach oben ausloten, als Leistungssportler so hoch spielen, wie es geht. Dafür finde ich die perfekten Voraussetzungen vor.
Mit einem riesigen Kader.
Ich gehe ein Risiko ein, klar. Aber ich weiß: Wer nur zweifelt oder gar Angst hat, kommt nicht weit. Klar kann es passieren, dass ich nach einem Jahr sagen muss: Okay, ich habe es nicht geschafft. Aber nach den ersten Wochen fühle ich mich in meiner Entscheidung nur bestärkt.
Ihre Teenagerjahre prägten zwei Phasen, in denen Sie je ein Jahr gar nicht spielten.
Ich hatte ganz früh mit Wachstumsproblemen im Knie zu kämpfen. Und als ich zu den Profis kam, streikte die Achillessehne. Das war schwer zu ertragen, eine schwierige Zeit. Aber es hat mich als Person weitergebracht.
Weil Sie Ihre zweite Ausfallzeit 2010 nutzten, um in Ruhe Ihr Abi zu machen?
Rückblickend war’s trotzdem – auch ohne Fußball – eine sehr schöne Zeit. Nicht immer Leistungsdruck ausgesetzt zu sein; ganz normal zur Schule zu gehen; abends mit meinen Freunden weggehen zu können, ohne morgens auf dem Platz stehen zu müssen. Aus dieser Zeit sind mir die besten Freunde erhalten geblieben.
Drei Jahre später spielen Sie bei Bayern unter Guardiola.
Ein Traum. Surreal, fast schon abstrakt, dass ich jetzt im Kader der momentan besten Mannschaft der Welt stehe. Ein überragendes Gefühl. Ich muss mir immer wieder in Gedanken rufen, wie unglaublich es ist, hier sein zu dürfen. Ich bin glücklich und stolz.
Sie sind immerhin der einzige Bayern-Neuzugang, der beim Bundesliga-Auftakt eingewechselt wurde. Behagt Ihnen die Jokerrolle?
Total! Ich denke in kleinen Schritten, bin um jede Minute froh, die ich spielen kann. Es gibt nichts zu meckern.
Die Gretchenfrage: Innenverteidiger oder Sechser?
Die Position des alleinigen Sechsers liegt mir, es macht wahnsinnig Spaß. Unter Pep Guardiola sind das Aufgaben, die ich gut erfüllen kann. Ich würde mich sowieso nie über eine Position beschweren, auf der ich spielen darf – da kann er mich auch als Linksaußen aufstellen. (lacht)
Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Pep Guardiola?
Seine Ansprachen sind sehr detailliert, die Übungen erklärt er sehr konkret, sie sind gut durchdacht. Bei taktischen Abläufen unterbricht er oft. Bei Spielformen lässt er viel laufen, ruft von außen rein.
Und wie ist er so, als Typ?
Wenn er dich auf etwas hinweist, fühlst du dich nie angegriffen. Du weißt einfach: er will dir etwas beibringen, er versucht dich besser zu machen. Er hat eine wahnsinnig begeisternde Art an sich. Und seine Augen leuchten. Er ist total ansteckend!
Was sind Ihre nächsten Ziele?
Aktuell habe ich Adduktorenprobleme. Ich muss mich körperlich stabilisieren, dass ich einen Schritt zulegen, noch aggressiver spielen kann. Der Rest kommt von alleine.
Wie gefällt Ihnen die Stadt?
Super gut! Ich fühle mich sehr wohl, es ist total angenehm, sich privat in der Stadt zu bewegen. Es ist wie ein großes Dorf. Ich Freude mich auch schon auf die Wiesn, die ja irgendwo zum Münchner Lebensgefühl gehört.
Werden Sie erkannt?
Bislang kann ich mich relativ frei und unbedarft bewegen, was sehr angenehm ist. Nach dem Feierabend gehe ich oft mit meiner Freundin, die mein Ruhepol ist, zu zwei, drei Hotspots, die wir schon für uns entdeckt haben. Dort kann ich entspannen und ein bisschen runterkommen.
Wo sitzen Sie in der Kabine?
Zwischen Dante und Diego Contento, zwei super Kerle. Hier herrscht Gott sei Dank kein angstvoller Respekt voreinander; eigentlich sind alle sehr aufgeschlossene Charaktere, dich mich toll aufgenommen haben. Vor allem David Alaba ist wahnsinnig zugänglich und sensibilisiert dafür, sich um die Neuen zu kümmern. Das ist sehr gut hier.
Und wenn Alaba mal ins Wienerische fällt...
...dann habe ich wahrscheinlich keine Chance. Auch bei Bairisch. Aber ich lerne gerne neue Sprachen. (lacht)