Pep Guardiola: Mensch, nicht nur Maschine
Der oft unnahbare Pep Guardiola vergießt nach dem Pokalsieg, seinem allerletzten Spiel mit dem FC Bayern, Tränen. "Die letzten fünf Monate waren nicht einfach", sagt der künftige ManCity-Coach.
München - Sie zählten gemeinsam. Eins, zwei, drei – und hoch mit dem Ding! Weil Pep Guardiola einige Zentimeter größer ist als Philipp Lahm, stemmte der Trainer den DFB-Pokal euphorisch empor, Lahm bekam für einen Moment nicht mal mehr eine Hand dran.
Danach küsste Guardiola den Pott mit geschlossenen und immer noch feuchten Augen. Geschafft. Gewonnen. Geschafft. Alles vorbei. Mission beendet, Job erfüllt. In den nationalen Wettbewerben.
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Zuvor musste alles raus bei Guardiola. Die Anspannung, der Druck, schließlich diese Nervenschlacht gegen Borussia Dortmund mit dem Adrenalin-Zuschlag Elfmeterschießen. Als es vorbei war, als der FC Bayern mit 4:3 gewonnen hatte, fiel beim Spanier die emotionale Schranke. Als Douglas Costa den letzten Elfmeter verwandelte, wurde binnen Sekunden aus dem Trainer Guardiola, dem besessenen Arbeiter, der Mensch Pep.
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Der 45-Jährige schaute zu seiner Familie auf die Tribüne, dann übermannte es den Spanier, er schlug die Hände vors Gesicht, die Tränen schossen ihm in die Augen. Er drückte, herzte, umarmte seine Spieler – keinen so lange und innig wie Kapitän Philipp Lahm – und wirkte völlig entrückt. Erledigt und erlöst. Weil seine Bayern gewonnen hatten, das zweite Double in seiner dreijährigen Amtszeit, den siebten Titel insgesamt. Noch mehr aber: Weil es vorbei war. Bis zur letzten Sekunde hatte er gecoacht, gecoacht, gecoacht, seinen Job gelebt.
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Auf der Pokalparty der Bayern in der Hauptstadt-Repräsentanz der „Telekom“ holte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge den Trainer mit den Worten „Komm’ her, Pep!“ auf der Bühne nach vorne. Da war Guardiola wieder ganz der Alte, zurückhaltend, fast schüchtern. „Wir haben von Pep viel gelernt“, sagte Rummenigge und sprach von „drei großartigen Jahren“, legte dabei die Hand väterlich auf dessen Schulter.
Um dann doch noch in der Wunde der Saison, dem Aus im Halbfinale der Champions League – wie schon in den beiden ersten Jahren – zu bohren. „Was mich ein bisschen ärgert, muss ich nach wie vor sagen, ist, dass wir nicht noch eine Woche zusammenleben“, sagte Rummenigge und spielte auf das verpasste Finale am 28. Mai an. So mündeten drei Jahre Pep Guardiola beim FC Bayern, mit all dem Dominanz- und Ballbesitzfußball, am Ende in ein schnödes Elferschießen. Bayern siegte, weil beim BVB mit Sven Bender und Sokratis zwei Spieler den Nerventest nicht bestanden, bei Bayern versagte lediglich Joshua Kimmich.
"... dann können die Dämme auch mal brechen"
Im Sommer startet Guardiola seine nächste Mission in der Premier League, übernimmt das Projekt Manchester City. Für drei Jahre. Seine plötzliche Nahbarkeit, seine Emotionen, seine Tränen – all die Szenen vor der Fankurve, als ihn die Spieler in die Luft warfen – veränderten den Eindruck des scheidenden Trainers. Zur Erleichterung kam beim Abschied doch noch: Wehmut. „Mich freut es für Pep. Wenn alles vorbei ist, können die Dämme auch mal brechen“, sagte Thomas Müller, „dann kann er endlich mal Mensch sein – und nicht immer nur Maschine.“
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Nach der Bekanntgabe seines Wechsels Anfang des Jahres „waren die letzten fünf Monate nicht einfach für mich“, sagte der Trainer, „viele Leute sprechen über viele Sachen. Wenn du nicht gewinnst, dann bist du schuld.“ Dennoch sei es „die richtige Entscheidung“ gewesen, zu Bayern zu gehen.
„Ich werde diese wunderbaren Spieler vermissen.“ Und sie ihn. „Er hat uns gefördert und gefordert, das Niveau unserer Mannschaft noch einmal angehoben“, meinte Lahm. 161 Spiele Pep sind Geschichte. Eine Woche, „vielleicht zehn Tage“, bleibt Pep noch in München. Rein privat. Am 11. Juli fängt Carlo Ancelotti an. Dann versucht der Italiener Titel zu gewinnen – und die Herzen der Fans.