Ottmar Hitzfeld wird 65: "Ich danke Gott für alles"
AZ: Herr Hitzfeld, Sie werden am Sonntag 65 Jahre alt. Gibt es eine große Feier?
OTTMAR HITZFELD: Nein, das mag ich nicht so, ich werde mit meiner Familie feiern.
Das Renteneintrittsalter liegt für Männer bei 67 Jahren, für 1949 geborene wie Sie bei 65 Jahren und 3 Monaten. Wenn Sie mit der WM ihre Trainerkarriere beenden, sind Sie 65 Jahre und fünf Monate alt.
Nur fünf bis zehn Prozent der Trainer schaffen es, in diesem Job noch bis ins höhere Alter beschäftigt zu sein. Als junger Trainer habe ich mich immer gefragt: Wie will ich denn bis 55 noch beschäftigt sein? Dieser Job ist wie Roulette.
Nach der erfolgreichen Qualifikation mit der Schweiz für Brasilien 2014 haben Sie Ihren Rücktritt angekündigt.
Für die Schweizer war’s eine totale Überraschung. Ich wollte Schluss machen. Als ich zu lange Trainer war in Dortmund und bei Bayern, habe ich erlebt, dass ich am Ende ausgelaugt und ein bisschen ausgebrannt war. Dem wollte ich vorbeugen. Jetzt bin ich gesund und spüre eine riesige Vorfreude auf Brasilien. Dazu kommt: Meine Frau hat wegen meiner Trainerkarriere auf vieles verzichtet.
Wann und wo haben Sie den finalen Entschluss gefasst?
Ich hatte mir lange Gedanken gemacht: Weiter Stress und Druck oder auch mal Ruhe? Die Tendenz war schon 90:10, in Richtung aufhören. Als wir mit der Schweiz nach Albanien geflogen sind, habe ich mir vorgenommen: Wenn wir aussteigen, möchte ich eine Entscheidung haben. Über den Wolken war mir alles klar.
Wer hat bei der Entscheidungsfindung gesiegt: Der Kopf? Der Bauch? Ihre Frau?
Meine Frau war wie immer involviert, aber letztlich habe ich meine beruflichen Entscheidungen immer alleine getroffen. Es war dann ein Zusammenspiel von Vernunft und Bauch.
Würden Sie nochmal mit einem jungen Trainer tauschen wollen, der mit 30 oder 35 Jahren frisch von der Trainerakademie kommt?
Nein, ich habe tolle Zeiten erlebt, alle Facetten des Fußball. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich gehe zwar nur ab und zu in die Kirche, aber danke Gott in einem stillen Moment immer mal wieder für all das, was ich erleben und erreichen durfte. Ich bin zufrieden.
Giovanni Trapattoni möchte auch noch zur WM, ist als Coach der Mexikaner im Gespräch – mit 74 Jahren.
Er ist einzigartig, ein Energiebündel, nicht klein zu kriegen. Ein Jungbrunnen! Diese Vitalität ist toll. Er leitet wohl auch immer noch das Aufwärmprogramm selbst. Ich bin nicht so ein Typ wie Trapattoni.
Einer Ihrer Nachfolger beim FC Bayern, Pep Guardiola, ist auf dem Weg zu seinem ersten Meistertitel. Kann man ihm nach 16 Vorrundenspielen schon gratulieren?
Ja, die Meisterschaft ist fast schon entschieden. Auch wenn die Bayern drei, vier Verletzte haben, sind sie immer noch top. Beim BVB haben sie nicht die Klasse, hochkarätige Ausfälle so zu kompensieren. Bayern ist in den nächsten fünf Jahren nicht mehr einzuholen, sie haben eine Super-Mischung aus jungen, hungrigen und erfahrenen Spielern.
Mit welchem Abschneiden Ihrer Schweizer bei der WM wären Sie zu Ihrem Karriere-Ende zufrieden?
Wir wollen die Gruppenphase überstehen, das Achtelfinale wäre ein Erfolg – danach sind keine Grenzen gesetzt (lacht).