Ottmar Hitzfeld: „Mit 60 beginnt die Jugend des Alters“

Ottmar Hitzfeld , der ehemalige Bayern-Trainer, feiert am Montag Geburtstag – und freut sich über das Votum der AZ-Leser, die ihn zum "Trainer des Jahres 2008" gewählt haben.
von  Abendzeitung
Ottmar Hitzfeld mit seiner Frau Beatrix: Seinen 60. feiern sie auf den Malediven.
Ottmar Hitzfeld mit seiner Frau Beatrix: Seinen 60. feiern sie auf den Malediven. © dpa

Ottmar Hitzfeld , der ehemalige Bayern-Trainer, feiert am Montag Geburtstag – und freut sich über das Votum der AZ-Leser, die ihn zum "Trainer des Jahres 2008" gewählt haben.

AZ: Herr Hitzfeld, wem haben Sie den rot-weißen Blumenstrauß vom FC Bayern gegeben, den Sie am 17. Mai in der Allianz Arena zu Ihrer Verabschiedung erhalten haben?

OTTMAR HITZFELD: Meiner Frau natürlich.

Zu Weihnachten und rund um den Jahreswechsel waren in allen Medien noch einmal Fotos und TV-Bilder von diesem Tag zu sehen gewesen. Wie erging es Ihnen, als Sie gesehen haben, wie Sie Ihre Tränen hinter dem Blumenstrauß verstecken wollten?

Ich habe innerlich sofort den Druck wieder gespürt.

Wie bitte? Es war ein Festtag. 70000 im Stadion, alles in rot-weiß, blauer Himmel. Danach wurde die Meisterschale überreicht, Sie wurden wie kaum ein zweiter Trainer von den Fans mit Ovationen gefeiert.

Das war gewaltig, unvergesslich. Ein sehr intensiver Moment. Dennoch ist es so, dass ich sofort die ganze Verantwortung wieder gespürt habe, die du als Bayern-Trainer hast. Das holt mich sofort wieder ein. Außerdem hatte ich mir doch so stark vorgenommen, keine Tränen fließen zu lassen. Ich habe danach sehr, sehr viele positive Reaktionen von allen Seiten bekommen.

Nicht allein deshalb, sondern allen voran, weil Sie zum Abschied noch einmal das Double mit Bayern gewonnen haben, wurden Sie von den AZ-Lesern zum Trainer des Jahres 2008 gewählt.

Das freut mich sehr, weil es eine Auszeichnung ist, die direkt von den Menschen kommt. Ein Dankeschön allen AZ-Lesern. Vor allem, weil ich schon ein halbes Jahr wieder weg aus München bin, deshalb ist das nicht selbstverständlich.

Am Montag feiern Sie Ihren 60. Geburtstag. Nur eine Zahl oder doch ein Einschnitt?

Mit 60 beginnt die Jugend des Alters. Mir geht’s blendend.

Als wir in Dubai mit Uli Hoeneß über Ihren Geburtstag sprachen, sagte er: ,Er schaut wieder aus wie 55, seit er nicht mehr bei Bayern arbeitet’. Stimmt das so?

Ich fühle mich jünger als 60, ja. Ich bin entspannter, gelassener.

Wie zeigt sich das im Alltag?

Ich rege mich im Straßenverkehr nicht mehr so leicht auf oder werde in der Schlange beim Einkaufen im Supermarkt nicht mehr unruhig. Ich kann es auch jetzt so richtig genießen, mit Freunden abends zusammenzusitzen. Früher sind selbst dann immer wieder die Gedanken abgeschweift. Nun habe ich mehr innere Ruhe.

Und im Job?

Als Schweizer Nationalcoach habe ich nicht mehr diese ständige Belastung, die ich über zwei Jahrzehnte als Vereinstrainer hatte seit 1983. Nun sind meine Batterien aufgeladen, ich habe viel mehr Lebensqualität. Ich konnte ganz entspannt Weihnachten und Silvester verbringen, zum Ski fahren gehen – ohne ständig an die kommende Rückrunde und all die Vorbereitungen zu denken. Und den Geburtstag verbringe ich alleine mit meiner Frau auf den Malediven.

So etwas war früher nicht möglich. Auch Ihren Geburtstag mussten Sie meist in irgendeinem Trainingslagerhotel feiern.

Richtig. Dass wir zu zweit für zehn Tage auf die Malediven fliegen, ist auch ein Dankeschön an meine Frau für all die Jahre. Wir sind zwölf Mal umgezogen während meiner Karriere, sie musste Freunde verlassen, kam immer wieder in ein neues Umfeld.

Hätten Sie zu Beginn Ihrer Trainerkarriere gedacht, dass Sie mit 60 noch aktiv sind?

Klar. Als ich 35 war, habe ich mir gedacht, ich muss auf jeden Fall bis 65 arbeiten, bis zur Rente.

Und jetzt? Wie lange wollen Sie noch?

Mal sehen. Die Aufgabe macht mir unheimlich Spaß. An einer WM teilzunehmen, ist ein Traum, den ich mir erfüllen will. Südafrika 2010 ist daher ein großes Ziel.

Als Abschluss Ihrer Trainerlaufbahn.

Das weiß ich noch nicht. Ich gehe aber davon aus, dass das mein letzter Trainerjob ist. Mein Ziel ist: Ich möchte gesund aufhören. Ich habe noch meinen Job als Experte bei Premiere. Das macht mir unheimlich Spaß, weil ich so das Bundesliga-Geschehen hautnah verfolgen kann und immer wieder frühere Spieler oder Bayern-Verantwortliche treffe.

Wie beurteilen Sie die Arbeit Ihres Nachfolgers Jürgen Klinsmann?

Er macht einen sehr guten Job, die Bayern sind auf dem Weg, wieder das Double zu gewinnen – das sagt doch alles. Hoffenheim darf man nicht unterschätzen, aber Bayern macht’s. Sie machen die Big Points – wie beim 2:1 im Dezember. Sie haben bislang auch international gut gespielt. Gegen Sporting Lissabon konnten Sie sich in der Champions League behaupten. Ich traue ihnen das Halbfinale zu, sogar das Finale.

Und wie lange hält Ihr Nachfolger Jürgen Klinsmann beim FC Bayern durch?

Weiß ich nicht. Ich wünsche ihm, dass er den richtigen Zeitpunkt zum Abschied findet. Denn bei meinen Vorträgen sage ich immer: Ein Jahr als Bayern-Trainer entspricht fünf Jahren Lebenszeit.

Interview: Patrick Strasser

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.