Ottmar Hitzfeld im AZ-Interview über den FC Bayern München und die neue Saison

Der 69-jährige Ottmar Hitzfeld trainierte den FC Bayern von 1998 bis 2004 und 2007/08, holte in München sieben Mal den Meistertitel und drei Mal den Pokal. 2001 führte er die Bayern zum Triumph in der Champions League.
AZ: Herr Hitzfeld, der FC Bayern hat sechs Meisterschaften in Folge gewonnen. Sehen Sie aktuell irgendein Szenario, dass der Meister 2019 nicht wieder aus München kommt?
OTTMAR HITZFELD: Nein, derzeit sehe ich keine Mannschaft, die an den FC Bayern herankommt. Aber ich möchte auch betonen, dass eine Meisterschaft immer eine großartige Leistung ist, niemals ein Selbstläufer. Man muss stets hart dafür arbeiten, über eine gesamte Saison hinweg. Wie ich gesehen habe, vermittelt Niko Kovac das seiner Mannschaft, man muss sich in der Vorbereitung eben auch mal quälen.
Was macht denn die Qualität des FC Bayern im Jahr eins nach der Rückkehr von Jupp Heynckes aus?
Sie spielen auf konstant hohem Niveau, auch wenn dabei am Ende der vergangenen Saison nur ein Titel herausgesprungen ist. Im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid hat ja nur ein Tor gefehlt, um das Finale zu erreichen. Da geht es dann immer um Kleinigkeiten. Es steckt großes Potenzial im Kader, auch Franck Ribéry und Arjen Robben sind im hohen Alter noch ungemein ehrgeizig, wollen sich behaupten gegen die jüngere Konkurrenz, wollen Leader in der Mannschaft sein. Außerdem hat ja auch Robert Lewandowski nach seinen Abwanderungsgedanken wieder die Kurve bekommen.
Hitzfeld: Dortmund nicht auf Augenhöhe – noch nicht
Ungewöhnlich für den FC Bayern ist, dass man keinen Cent an Ablöse für neue Superstars ausgegeben hat. Leon Goretzka kam ablösefrei vom FC Schalke 04, die Transfersumme für Serge Gnabry, der ein Jahr an die TSG Hoffenheim ausgeliehen war, hat man bereits im vergangenen Sommer an den SV Werder überwiesen.
Für mich haben die Bayern mit Goretzka und Gnabry zwei hervorragende Spieler geholt, die enorm wichtig sind, um den Konkurrenzkampf zu schüren. Somit können die Spieler noch bessere Leistungen abrufen. Es geht nicht darum, ob man Geld ausgibt oder nicht – aber niemanden vor einer Saison zu verpflichten, wäre nicht ideal.
Wer wird Zweiter hinter Bayern? So lautet eine beliebte Frage vor nahezu jeder Saison zuletzt. Anders gefragt: Wer könnte dem Abo-Meister eventuell ein paar Sorgen bereiten?
Borussia Dortmund. Sie sind Bayerns stärkster Gegner, aber nicht auf Augenhöhe – noch nicht.
Oha! Der BVB erwächst wieder zu einem ernsthaften Bayern-Konkurrenten?
Die letzte Saison war für die Dortmunder enttäuschend. Trainer Peter Stöger hat es am Ende immerhin noch geschafft, dass man sich für die Champions League qualifiziert hat. Durch einige Transfers wie etwa Axel Witsel oder Thomas Delaney hat man neue Konkurrenzsituationen geschaffen, sie bemühen sich ja darum, noch einen Mittelstürmer zu holen. Für die Bundesliga wäre es wichtig und interessant, wenn der BVB weiter eine positive Entwicklung nimmt.
Ottmar Hitzfeld. Foto: Patrick Seeger/dpa
Hitzfeld: Tedesco ist ein überragender Trainer
Was mit Lucien Favre zusammenhängen könnte. Was halten Sie vom neuen Trainer des BVB, der nach seinen erfolgreichen Bundesliga-Stationen Hertha BSC und Mönchengladbach nun das Abenteuer Dortmund wagt?
Für mich ist Lucien der richtige Mann im richtigen Moment für den BVB. Er ist ein ausgewiesener Fachmann, das hat er auf all seinen Stationen bewiesen. Ein akribischer Arbeiter, der die Dortmunder weiterentwickeln wird, um nach dem Jahr der Krise den Anschluss an die Bayern wiederherzustellen.
Und wer sichert sich die Tickets für die Champions League? Wen sehen Sie hinter Bayern und Dortmund auf Rang drei und vier?
Von ihrem Potenzial her Leipzig und Schalke. Die Königsblauen haben eine überragende Saison gespielt, sich mit Platz zwei belohnt. In meinen Augen haben sie mit Domenico Tedesco einen überragenden Trainer. Die Leipziger haben im Übergangsjahr mit Ralf Rangnick einiges vor, sich mit technisch starken Spielern gut verstärkt.
Was halten Sie von der Variante, dass Sportdirektor Rangnick für eine Saison einspringt – bis Julian Nagelsmann, noch in Hoffenheim, ab Sommer 2019 übernimmt? Es ist ungewöhnlich, einen Trainer so früh zu verpflichten. Aber es war eine kluge Entscheidung, alles andere – etwa mit einem externen Übergangstrainer – wäre kompliziert und schwierig geworden. Nun kann und wird man sich bereits mit Nagelsmann austauschen, was die Kaderplanung für die Saison 2019/20 betrifft.
Das harte Training des Niko Kovac