Ottmar Hitzfeld - Der Janus-Trainer

Fast müsste sich Ottmar Hitzfeld zweiteilen. Er ist noch immer Bayern-Trainer und als künftiger Trainer der Schweiz muss er sich auf eine nationale Aufgabe vorbereiten. Der Bayern-Hitzfeld und der Schwyzer Ottmar- die AZ macht den Vergleich.
von  Abendzeitung
Illustration
Illustration © az

Fast müsste sich Ottmar Hitzfeld zweiteilen. Er ist noch immer Bayern-Trainer und als künftiger Trainer der Schweiz muss er sich auf eine nationale Aufgabe vorbereiten. Der Bayern-Hitzfeld und der Schwyzer Ottmar- die AZ macht den Vergleich.

Am Montagabend ist er unter großem Beifall in Zürich vorgestellt worden. In den nächsten Monaten ist er der Janus-Trainer. Wie der römische Gott mit den zwei Gesichtern wird er zwei Dinge im Blick haben müssen. Der Bayern-Hitzfeld und der Schwyzer Ottmar: Die AZ hat die beiden miteinander verglichen und bemerkenswerte Unterschiede festgestellt.

Seine Ziele

FC Bayern: Hier die Meisterschaft (es wäre Hitzfelds fünfte mit Bayern), den Uefa-Cup und den DFB-Pokal aufzuzählen, wäre zu schlicht. Hitzfeld ist längst der erfolgreichste Bayern-Trainer aller Zeiten. Nun geht es darum, dieses Bild mit einem furiosen Finale zu festigen. Und allen zu zeigen: Seht, was ihr an mir gehabt habt.

Schweiz: Die WM-Teilnahme 2010 in Südafrika. Vor allem aber will er weiter als Erfolgstrainer wahrgenommen werden. „Das war früher so, ist bei Bayern so und wird nun nicht anders sein, Ottmar will immer das Beste“, meint der Schweizer Ex-Nationalspieler Stéphane Chapuisat (38), der mit Hitzfeld in Dortmund unter anderem die Champions League gewann (1997).

Sein Standing

FC Bayern: Trotz des bevorstehenden Abschieds ist es gut. Oder gerade deswegen? „Ein Supertrainer“ sei Hitzfeld, hat Topstar Franck Ribéry gesagt. Für Oliver Kahn ist er „der Beste für Bayern“. Auch mit Blick auf bevorstehende Titelfeiern stärken ihn die Bosse inzwischen. Manager Uli Hoeneß: „Ottmar ist keine ,lame duck’“. Keine lahme Ente also. Die Bayern sind entschlossen, den verdienten Trainer als lebende Legende abtreten zu lassen.

Schweiz : Enorm. „Die ganze Nation freut sich auf so einen hochkarätigen Trainer“, so Chapuisat. Zweimal war Hitzfeld Welttrainer des Jahres, das schmückt die stolze Schweiz. Seit Hitzfeld den FC Aarau (1984 bis ’88) trainiert und zum Pokalsieg geführt hat, ist sein Ansehen nur gewachsen.

Seine Außenwirkung

FC Bayern: Googelt man den Namen Hitzfeld, erhält man im Internet 1,73 Millionen Treffer. Als Bändiger der schwierigsten Startruppe des Landesm als Champions- League- und Weltpokal-Gewinner hat sich HitzfeldWeltruhm erarbeitet. Bayern sei Dank. Darum hat ihn Premiere als Kommentator verpflichtet, darum ist Hitzfeld als Seminar-Redner gefragt. Popularität, die gewinnträchtig ist.

Schweiz: Gering. Bei Qualifikationsspielen rückt er in den Blickpunkt, sonst kaum. Die Strahlkraft der EM in der Schweiz verpasst Hitzfeld, er fängt erst danach an.

Seine Chefs

FC Bayern: Für Uli Hoeneß ist Hitzfeld „ein Freund“ und Gesprächspartner abends beim Rotwein. Der Manager ist Hitzfelds verlässlichste Größe in der Klubspitze. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge („Fußball ist keine Mathematik“) hat mit seiner Spitze gegenHitzfeld dessen Abgang eingeleitet. Seit klar ist, dass er geht, erträgt Hitzfeld die Kritik von Franz Beckenbauer leichter. Zumal der Trainer in der Öffentlichkeit stets allen Watschn brav standhielt: „Der Franz darf alles sagen.“

Schweiz: Der Nationalmannschaftsdelegierte Ernst Lämmli und Verbandspräsident Ralph Zloczower sind mehr Freunde denn Vorgesetzte. Mit ihnen spricht Hitzfeld schwyzerdütsch, man duzt sich. Vor allem Lämmli ist Hitzfeld seit langem verbunden. Er war schon dessen Präsident beim FC Aarau.

Seine Stars

FC Bayern: Weltmeister Luca Toni, die Vizeweltmeister Ribéry und Sagnol, Altmeister Kahn (38), dazu Lucio und Wunschspieler Zé Roberto: Die Zusammenarbeit mit dieser Weltauswahl sei ein Riesenspaß und eine Ehre, so Hitzfeld. In dieser Hinsicht wird er sich umstellen müssen.

Schweiz: Alexander Frei (Dortmund) ist der herausragende Akteur. Chapuisat: „Das ist eine ausgeglichene Truppe, die keine Probleme bereitet.“ Querelen mit egozentrischen Stars muss Hitzfeld kaum befürchten.

Seine Fans

FC Bayern: Er genießt es, wenn das Stadion singt: „Ottmar Hitzfeld, du bist der beste Mann.“ Manchmal erhebt sich Hitzfeld dann, winkt lächelnd zur Südkurve. Bundesweit zehn Millionen Bayern-Sympathisanten hinter sich zu wissen, ist schön.

Schweiz: Unter Vorgänger Jakob „Köbi“ Kuhn (64) stieg die Schweiz in sieben Jahren zur Fußballnation auf, ist bei Turnieren nun Geheimfavorit statt Kanonenfutter. Da ist es schwer, auf Anhieb so populär zu sein wie der Vorgänger. Hitzfelds Plus: „Seine Zeit als Spieler in der Schweiz (zweimal Meister mit Basel, d.Red.) ist vielen im Gedächtnis“, sagt Chapuisat.

Seine Gegner

FC Bayern: Ob in der Meisterschaft oder im Uefa-Cup, die Bayern sind Favorit. „Wir können uns nur selbst schlagen“, hat Stürmer Klose gesagt. Hitzfelds Feind ist möglicher Schlendrian im Team.

Schweiz: Die sportlichen sind eher läppisch, in der WM-Qualifikation warten Griechenland, Israel, Moldawien, Lettland, Luxemburg. Medial gefährlich werden könnte ihm der „Blick“, die größte Boulevard-Zeitung. Hitzfeld pflegt ein gutes Verhältnis zum Blatt.

Sein Partner

FC Bayern: Michael Henke (50) ist Hitzfelds Assistent und loyaler Begleiter. Im Juni trennt sich das Gespann – nach 17 Jahren.

Schweiz: Michel Pont, der schon Kuhn als Assistent dient, bleibt Co-Trainer. Er ist auch Dolmetscher. Hitzfeld: „Ich spreche ja leider kein französisch wie viele meiner künftigen Spieler.“

Sein Arbeitspensum

FC Bayern: Drei Spiele die Woche, tägliches Training, Analysen, Sitzungen, dazu anstrengende Reisen und der Erfolgsdruck nagen an Hitzfeld (59). Nach seiner ersten Bayern-Zeit war er ausgebrannt. Jetzt sind es noch knapp drei Monate.

Schweiz: Bis Jahresende wird Hitzfeld mit der Schweiz gerade vier Spiele bestreiten, dazu kommen Spielbeobachtungen. Da bleibt locker Zeit, um für den Sender Premiere zehn bis 15 Partien zu analysieren.

Sein Wohnort

FC Bayern: Ottmar und Beatrix Hitzfeld wohnen im Herzogpark, die Wohnung (100 qm) haben sie möbliert angemietet. So lässt es sich schnell weiterziehen.

Schweiz Noch unklar. Hitzfeld hat seit Jahren ein Chalet in Engelberg und in seiner Heimat Lörrach gerade ein Haus gebaut.

Seine Perspektive

FC Bayern: Er kann Jürgen Klinsmann eine größtmögliche Hypothek hinterlassen. Als Bundestrainer hat Klinsmann bis 2006 altgediente Bundesliga-Trainer mit seinem Modernisierer-Anspruch und vermeintlichen Innovationen durchaus genervt. Ab 1. Juli muss sich der Neue an Hitzfelds Hinterlassenschaft messen lassen. Die Liga schaut gespannt hin.

Schweiz: Als Vorruheständler gefeiert zu werden, schmeichelt. Ein netter Karriere- Ausklang, der mit über 600 000 Euro im Jahr vergütet wird. So viel verdiente noch kein Schweizer Nationaltrainer. Als Bayern-Trainer verdient Hitzfeld aber geschätzte 3,5 Millionen Euro pro Saison. ill/chp

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.