Nübels Dilemma: Neuers Kronprinz darf nur unter einer Voraussetzung spielen

München - Vor dem Gastspiel des FC Bayern bei Atlético Madrid (21 Uhr im Liveticker der AZ) hatte Alexander Nübel eine makellose Bilanz. In seiner Karriere kassierte der Keeper zuvor kein Gegentor in der Champions League, kein einziges! Okay, er stand bisher auch erst in zwei Partien über die volle Spielzeit im Kasten - aber immerhin. Dass Nübel dabei nicht das Bayern-Dress, sondern ein Schalke-Trikot anhatte, macht die Miniserie bei allem Respekt noch wertvoller.
Man stelle sich das einmal vor: Vor etwas mehr als zwei Jahren spielt der FC Schalke, heute krisengeschüttelter Tabellenletzter der Bundesliga, tatsächlich Champions League und erreichte unter Trainer Domenico Tedesco in einer Gruppe mit dem FC Porto, Galatasaray Istanbul und Lokomotive Moskau das Achtelfinale. Aus heutiger Sicht: völlig verrückte Zeiten.

Und weil Stammkeeper Ralf Fährmann verletzt fehlte, durfte der damals 22-jährige Nübel als Ersatztorhüter zwei Mal ran und hielt seinen Kasten sauber: ein 0:0 bei Galatasaray und ein 2:0 gegen die Türken.
Nübel feiert internationales Debüt beim FC Bayern
Am fünften Spieltag dieser Champions-League-Vorrunde ist Nübels internationales Debüt für den FC Bayern vorgesehen. Eine erste, echte Bewährungsprobe für den Sommer-Neuzugang vom FC Schalke. Trainer Hansi Flick gewährt Nationalkeeper Manuel Neuer eine Pause und ersparte ihm die Reise nach Madrid zum tabellarisch bedeutungslosen Spiel. "Alexander macht einen guten Eindruck und zeigt im Training seine Qualität", lobte Flick den 24-Jährigen, "das hat er schon im Pokal gemacht." Beim 3:0 gegen den fünftklassigen FC Düren Mitte Oktober war Nübel allerdings nicht wirklich gefordert worden.
Mit seiner Rolle als Stellvertreter und Kronprinz hat er sich (vorerst) abgefunden. Seit Sven Ulreich Anfang Oktober zum Hamburger SV gewechselt ist, konnte sich Nübel als fixe Nummer zwei etablieren. Sein Selbstbewusstsein ist auf stabilem Niveau. "Ich weiß, was ich kann. Der FC Bayern hat mich nicht ohne Grund geholt", meinte Nübel. Der ehemalige U21-Nationaltorhüter (17 Einsätze) weiß aber auch: "Ich brauche Zeit. Es war einer der größtmöglichen Schritte." Nicht nur der zum größten und erfolgreichsten deutschen Verein, sondern eben auch der Schritt in die Konkurrenz zum aktuell besten Torhüter der Welt.
Geduldiger Nübel
Also versuche er, hinter Neuer "so lange wie möglich geduldig zu bleiben. Wie es dann läuft, wird man sehen". Sein Vertrag läuft bis 2025, der von Neuer lediglich bis 2023. Ob Deutschlands Nummer eins dann mit 37 Jahren wirklich Schluss macht?
Aktuell kann Nübel, der vom hohen Trainingsniveau unter Torwartcoach Toni Tapalovic begeistert ist, von Neuer nur lernen. "Das ist sehr hilfreich, damit ich mich weiterentwickeln kann", befindet Nübel. Zu Einsätzen wird er kaum kommen, sollte Neuer verletzungsfrei bleiben. Denn der ehrgeizige Platzhirsch nimmt ungern Auszeiten, zu viele Spiele (genau 54) hat er durch seine Mittelfußbrüche in den Jahren 2017 und 2018 verpasst. Was Nübel bleibt: Nur die Hoffnung auf einen Neuer in Weltklasseform. Wie? Ja, denn: Wenn die Nummer eins für tabellarisch redundante Spiele wie bei Atlético oder gegen Moskau (9.12.) sorgt, darf der Stellvertreter ran. Wobei Letzteres noch nicht geklärt ist.
Gewinnt Bayern den Meistertitel vor dem 34. Spieltag, winken Nübel im Frühjahr weitere Einsätze. Aber nur dann. Die bei seiner Unterschrift für den ablösefreien Wechsel angeblich vertraglich garantierten Einsätze waren stets dementiert worden. Die Crux: Läuft's bei Bayern mal schlechter, bekommt Nübel keine Bonusspiele. Und es müsste schon grauenvoll bei Neuer und den Münchnern laufen, sollte Flick seiner Nummer eins wegen einer Leistungsdelle eine Pause geben. Kaum vorstellbar. Nübel, ein Supertalent im Dilemma.