Niklas Süle: "Will zeigen, dass Bayern einen guten Mann geholt hat"

Der Abwehr-Riese Süle kam im Sommer für 20 Millionen Euro Ablösesumme von der TSG Hoffenheim zum FC Bayern München.
Herr Süle, in Hoffenheim haben Sie gesagt, dass Sie vom Busfahrer bis zur Putzfrau jeden kennen. Wie weit sind Sie beim FC Bayern schon?
Weiter als ich gedacht habe, wenn ich ehrlich bin (lacht). Ich habe schon so ziemlich viele kennengelernt, mit den Namen ist es noch etwas schwierig, weil es hier weit mehr Mitarbeiter als Spieler gibt. Aber ich komme gut zurecht. Ich bin jedenfalls auf dem Weg, dass es so wird wie in Hoffenheim.
Auf dem Platz könnte es schneller zum Ernstfall kommen, als gedacht. Jerome Boateng und Javi Martinez sind nicht fit. Sind Sie bereit, kann es losgehen?
Ich würde das nicht als Ernstfall bezeichnen, dass ich spielen darf. Ich bin hier hergekommen, um meine Spiele zu machen. Sonst hätte ich mich der Aufgabe gar nicht gestellt, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass ich mich hier durchsetzen kann. Dass es schwer ist, ist klar. Ich hatte jetzt einen langen Urlaub, bin aber auf einem ganz guten Level. Es ist natürlich schade für die beiden, die angeschlagen sind. Aber wir sind noch am Anfang der Saison. Wenn ich jetzt schon meine Chance bekommen sollte, Freude ich mich.
Carlo Ancelotti hat gesagt, dass die Innenverteidigung beim FC Bayern der beste Mannschaftsteil ist. Es gibt vier hochkarätige Spieler. Gehören Sie zur besten Abwehr Europas?
Wenn man sieht, welche Probleme Bayern letztes Jahr hatte gegen Real Madrid, als man personell auf dem Zahnfleisch gegangen ist, sieht man, dass es wichtig ist, zu rotieren. Bei dem Plan, den die Bayern haben, in drei Wettbewerben bis zum Ende mitzuspielen, sowieso. Das war für mich ein Grund, zu Bayern zu wechseln: Weil ich hoffe, dass ich hier meine Chancen bekomme. Natürlich ist es am besten, wenn alle fit sind. Ich denke, dass wir vier sehr gute Innenverteidiger haben und jeder zum Einsatz kommen wird.
Haben Sie denn nun die beste Innenverteidigung in Europa?
Das wage ich nicht zu beurteilen, ich bin erst zwei Wochen hier. Mit Mats und Jerome haben wir zwei amtierende Weltmeister auf dieser Position. Sie gehören auf jeden Fall zu den Besten der Welt, das ist ja ganz klar. Auch die große Qualität von Javi Martinez ist bekannt. Ich Freude mich, von allen drei viel zu lernen. Sie sind ja doch ein Stück älter als ich.
Am Samstag steht die erste Pokalrunde in Chemnitz an. Sind Sie bereit für die Startelf?
Ja, klar. Ich würde mich sehr Freude, wenn ich spielen darf. Ich durfte schon im Supercup eine halbe Stunde spielen, sogar einen Elfmeter schießen. Es war nach dem langen Urlaub ein super Gefühl, mal wieder vor Zuschauern zu spielen, das Kribbeln wieder zu haben.
Wer ist Ihr sportliches Vorbild?
Man schaut sich natürlich Sachen an von Spielern, die auf meiner Position spielen. Die schon das erreicht haben, was du auch erreichen willst. Da gehören die drei (Hummels, Boateng und Martínez, d. Red.) natürlich auch dazu. Das Niveau hier ist einfach riesig.
Sie haben als Vorbild auch mal Joshua Kimmich genannt.
Ich finde es super, wie er seinen Weg gegangen ist. Das könnte ich mir genauso vorstellen. Er ist Stammspieler in der Nationalmannschaft, wir kennen uns schon, seit ich elf Jahre alt bin. Wir haben ein gutes Verhältnis, haben auch beim Confed Cup viel unternommen. Auf dem Platz ist Jo ein wichtiger Ansprechpartner für mich. Er ist den Weg von ganz weit unten bis in die Nationalmannschaft gegangen. Er ist ein Paradebeispiel, wie man sich das vorstellt. Er hat hart an sich gearbeitet, das werde ich genauso tun.
Waren Sie eigentlich schon immer Verteidiger - oder wollten Sie nicht lieber Stürmer werden?
In der U15 bin ich sogar als Stürmer nach Hoffenheim gewechselt und habe da auch meine Buden gemacht. Doch dann ging es immer weiter zurück. Mein damaliger U17-Trainer hat gesagt, der ist relativ schnell und groß, der hat eine passable Technik, also kann er auch gut Innenverteidiger spielen. Von da an habe ich Innenverteidiger gespielt.
Macht es denn genau so viel Spaß, wie Stürmer zu sein?
Klar, das ist mein Beruf, das ist das, woran ich gemessen werde. Lewy wird an seinen Toren gemessen, ich daran, dass ich defensiv den Laden sauber halte. Das macht auch Spaß.
Daniel van Buyten kam auch manchmal nach vorne und hat seine Tore gemacht.
Das kann ich mir auch vorstellen, das ist schon super. Die Laufwege habe ich noch drin. Aber es wird wahrscheinlich weniger der Fall sein.
Waren Sie eigentlich ein guter Schüler?
Ich bin gar nicht gern in die Schule gegangen. Der Ehrgeiz, den ich für den Fußball entwickelt habe, hat mir da gefehlt. Ich war sehr froh, als ich das für meine Verhältnisse ordentlich beendet habe (mit dem Abschluss Mittlere Reife, d. Red.). Da hätte ich aber auch noch mehr machen können. Das bereue ich heute.
Sie wirken sehr selbstbewusst, gefestigt. Gab es in Ihrem Leben schon mal etwas, wovor Sie Angst hatten?
Jeder hat mal Angst, aber Angst hemmt, sie hindert dich. Vor Prüfungen war ich sicher nervös, besonders bei Matheprüfungen.
Vor Elfmetern allerdings nicht, wie man im Supercup gegen Dortmund gesehen hat. Da haben Sie ganz sicher verwandelt.
Ich war überrascht, dass ich als sechster Schütze ran durfte. Thomas Müller hat mich gefragt, ob ich schießen will. Ich habe gesagt, dass ich schießen würde, weil ich auch bei Olympia getroffen habe (im Finale bei der Niederlage gegen Brasilien, d. Red.). Deshalb hatte ich ein gutes Gefühl und er ging ja auch rein.
Apropos Angst: Vor zwei Jahren hatten Sie einen Kreuzbandriss. Wie groß war damals Ihre Sorge, dass die Karriere vorbei sein könnte?
Nullkommanull. Das wäre auch die falsche Herangehensweise bei einer solchen Verletzung. Wenn du jung bist, ich war damals 19, ist so ein Rückschlag natürlich schwer für den Kopf. Aber ich hatte vorher keine einzige schwere Verletzung. Mein Bruder hatte einen Kreuzbandriss, mein Vater, beide haben sich davon erholt. Sie haben aus Spaß gesagt: Erst jetzt bin ich ein richtiger Süle. Mein Bruder hat in New York anschließend auf Kunstrasen gespielt, er hatte nicht annähernd die Möglichkeiten in der Reha wie ich. Also habe ich mir gedacht: Warum sollte es bei mir nicht auch wieder klappen?

Süle präsentiert sein Maori-Tattoo. Foto: GES/Augenklick
Ihre Tattoos fallen ins Auge. Sie sind von den Maori inspiriert. Was fasziniert Sie an dem Kämpfervolk aus Neuseeland?
Es ist eine gewisse Art von Kunst, die mich beeindruckt. Natürlich hat es auch den Hintergedanken mit dem Kampf. Aber so viele Gedanken habe ich mir eigentlich nicht gemacht. Ich wollte Maori-Tattoos, sie sollen gut aussehen, das war's. Klar: Wer auf diesem Niveau spielt wie ich, hat das Gen drin, immer gewinnen zu wollen. Das ist bei Bayern ziemlich wichtig.
Können Sie den Tanz der Rugbyspieler auch?
Nein, aber ich habe ihn mir schon oft angeschaut.
Ihr Trainer Carlo Ancelotti wurde kürzlich gefragt, wer die Champions League in der kommenden Saison gewinnen werde - und antwortete: "Mein Bayern." Ist der Triumph in der Königsklasse auch Ihr großes Ziel in Ihrer ersten Spielzeit in München?
Mein Ziel ist es, hier erst mal Fuß zu fassen, mich ins Team einzubringen. Das wurde mir bis jetzt wirklich leichtgemacht. Ich will mich hier weiterentwickeln, den nächsten Schritt in meiner Karriere gehen. Ich bin erst 21. Das kann ich nirgendwo besser machen als hier, wo ich gegen die besten Spieler spiele. Ich will mich hier durchsetzen und zeigen, dass Bayern einen guten Mann geholt hat.
Spüren Sie Druck oder Ansporn bei diesem Vorhaben?
Ansporn. Zu einer gewissen Zeit ist Druck im Fußball gut, aber für mich ist es Ansporn. Ich will es mir selbst beweisen, sonst keinem. Ich wollte den Schritt gehen, damit ich sehe, ob es klappt oder nicht.
Haben Sie damit gerechnet, dass auch Sebastian Rudy so einen guten Start hier hinlegt?
Das war mir klar, sehr klar sogar. Sebastian wird oft unterschätzt. Das, was der im letzten Jahr für uns geleistet hat in Hoffenheim, ist Wahnsinn. Das kommt oft öffentlich nicht so rüber, aber er war ein unglaublich wichtiger Spieler für uns. Nicht, weil er die Binde am Arm hatte, sondern wegen seiner Leistung. Ich habe selten mit jemandem gespielt, der so ruhig am Ball ist. Mit den super Kickern, die wir hier in der Mannschaft haben, ist das für ihn natürlich perfekt.
Zum Einstand haben Sie beide gesagt, Sie haben Alleinstellungsmerkmale. Werden Sie trotzdem als Doppelpack gesehen?
Ich wurde bis jetzt noch nicht als Teil eines Doppelpacks gesehen. Aber natürlich spielen wir schon sehr lange zusammen. Es ist ja auch nicht so, dass wir zueinander gesagt haben: Wir gehen jetzt beide zum FC Bayern, wir machen das nur zusammen. Das war mein eigener Weg und Sebastians eigener Weg, den wir beide mit unseren Leuten besprochen haben.
Um sich hier durchzusetzen, muss man professionell sein…
Ich weiß, was Sie jetzt sagen! Es geht um meine angebliche Vorliebe für Fastfood und Burger. Das hat unser Trainer Julian Nagelsmann in Hoffenheim einmal rausgehauen – und seitdem werde ich ständig darauf angesprochen. Er hat das vor allem gesagt, weil ich in der Jugend gerne Burger gegessen habe und er mich auch seit der Jugend kennt. Aber das ist schon lange vorbei. Sonst hätte ich nie zu so einem Verein wie den FC Bayern gehen können.
Wie schwer war es denn, die Vorliebe links liegen zu lassen?
Es ist nicht schwer. Das ist mein Beruf, ich kann das nicht mehr so machen wie früher in Hoffenheim. So ist es halt! Du musst hier jeden Tag 100 Prozent an dein Maximum gehen im Training, sonst schaffst du das gar nicht. Ich bin den Weg ja bewusst gegangen, weil ich wusste, ich muss jetzt noch professioneller werden. Ab und an gönne ich mir nach wie vor was, wenn ich denke, dass es an der Zeit ist. Das macht ja jeder. Dann esse ich auch mal einen Burger (lacht).
Haben Sie denn schon das bayerische Essen ausprobiert?
Klar, die Biergärten sind super. Und ich habe schon auch etwas auf der Karte gefunden, das gesund war (lacht).
Beim Confed Cup sagten Sie vor laufenden Kameras, Sie seien ein "Lebemann"…
Das stimmt, aber ich habe diesen Begriff von Gerhard Delling komplett falsch aufgenommen und interpretiert. Ich dachte, ein Lebemann sei jemand, der sein Leben genießt. Das versucht ja jeder – und das heißt nicht, dass man in seinem Job nicht trotzdem professionell arbeiten will. Ich gehe gerne essen und ich bin gerne mit meinen Freunden unterwegs. Das habe ich unter Lebemann verstanden – und nicht die Definition, die ich dann später gelesen habe. Das war unpassend!
Wo wohnen Sie in München?
Wir sind nach Grünwald gezogen. Meine Freundin und ich fühlen uns sehr wohl, wir haben etwas sehr Schönes gefunden, auch unser Hund ist da. Und auch mein Bruder macht nun seinen Master in München. Ich bin sehr froh, dass alle hier sind.
Wer kocht im Hause Süle?
Ich kann nicht kochen (lacht), in Sinsheim habe ich nicht einmal gekocht. Aber meine Freundin hat jetzt jeden Tag gekocht – das ist schon ganz gut.
Auto oder Rad?
Ich habe noch kein Fahrrad bekommen… fahre aber ohnehin gerne mit dem Auto.
Zwei Anekdoten müssten Sie bitte aufklären: Stimmt es, dass Sie als Jugendlicher mal so lange gekickt haben, bis die Polizei kam?
Auch die Geschichte wurde in Hoffenheim erzählt, von Alexander Rosen. Das ist aber schon sehr, sehr lange her. Da war ich 15. Wir haben nachts um ein Uhr noch die Flutlichter angemacht, am nächsten Tag war frei, haben noch aufs Tor geschossen. Der Nachbar, in dessen Garten das Fluchtlicht geleuchtet hat, hat die Polizei gerufen. Am nächsten Tag gab es ein bisschen Ärger.
Dabei wollten Sie doch trainieren?
Ja, aber wir waren unaufgewärmt – das mussten wir schon zugeben (lacht).

Abwehr-Hüne Niklas Süle und AZ-Reporter Maximilian Koch. Foto: AZ
Die zweite: Stimmt es, dass ein türkischer Junioren-Nationaltrainer Sie aufgrund Ihres Namens in den Kader berufen wollte?
Das war in der U16. Da hatte ich jemanden an der Leitung, der auf Türkisch mit mir gesprochen hat. Das war der deutsche Vertreter der türkischen Nationalmannschaft. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht verstehe, dann hat er auf Deutsch gefragt, ob ich türkische Vorfahren hätte, weil mein Name so klingt. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich ihn leider enttäuschen muss. Ich hatte aber so oder so schon für die U16 beim DFB gespielt. Und auch wenn nicht: Es wäre ja nicht gegangen (lacht).
Julian Nagelsmann kennen Sie seit Ihrer Jugend. Würden Sie sich Freude, wenn Sie irgendwann nochmal mit ihm zusammenarbeiten könnten?
Ich kenne Julian jetzt schon seit der U 15, da war er mein Co-Trainer. Wir haben ein super Verhältnis, höchstprofessionell. Immer zur richtigen Zeit locker, dann aber auch so, dass er mir mal einen Arschtritt gibt. Das hat er bei jedem Spieler bei uns sehr gut gemacht. Ich habe mich sehr wohl gefühlt, als er unser Cheftrainer wurde. Fachlich habe ich so etwas vorher auch noch nicht erlebt, wie er das ganze Spiel sieht in seinem jungen Alter, ist schon Wahnsinn.
Würden Sie ihm zutrauen, irgendwann Bayern zu trainieren?
Ich denke, dass es für ihn richtig gut ist, jetzt in seine zweite richtige Saison mit Hoffenheim zu gehen. Wir haben letztes Jahr viel geleistet, weil wir eine Riesen-Truppe hatten, das lag nicht nur allein an ihm. Aber er hat einen sehr, sehr großen Anteil daran.
Was – außer dem Altersunterschied – ist die größte Umstellung von Julian Nagelsmann auf Carlo Ancelotti?
Ich bin sehr positiv angetan von Herrn Ancelotti. Ich finde das Training sehr gut, es macht Spaß, da ist auch immer Taktik dabei.
Staunen Sie im Kreisel beim Training noch über das Tempo?
Es ist schon sehr, sehr schnell. Aber das Niveau in Hoffenheim war auch nicht schlecht. Da war schon auch Tempo drin. Nur dass hier weniger technische Fehler gemacht werden. Das ist erstaunlich, schon wirklich gut.
Ist es vom Kopf her anstrengender?
Auf jeden Fall. Es geht alles schneller. Wenn der Ball ein Stück wegspringt, ist schon der nächste da und nimmt ihn dir ab. Das kannte ich so noch nicht.
Was wird schwerer: Stammspieler bei der WM in Russland zu werden – oder beim FC Bayern?
Die Konkurrenten sind die gleichen… es ist gleich schwer. Ich rede ja noch nicht mal von der WM. Ich bin sehr froh gewesen, dass ich beim Confed Cup dabei sein durfte, davor schon ein paar Mal. Ein paar Länderspiele habe ich jetzt schon gemacht und ich weiß: Es gibt nichts Schöneres, als für Deutschland zu spielen. Wenn du dich bei Bayern durchsetzt, hast du natürlich gute Karten. Aber da sind schon auch andere überragende Spieler im DFB-Team, nicht nur von Bayern.
Ihr Hund heißt Django – sind Sie Quentin-Tarantino-Fan?
Nein, ich bin kein Western-Fan. Der ist mir nachts eingefallen, dann habe ich meine Freundin gefragt, wie sie den Namen findet. Sie fand ihn gut – und er passt perfekt.
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