Niederlage gegen Chelsea: Der absolute Albtraum
Die Endspiel-Pleite des FC Bayern in der Champions League gegen Chelsea schmerzt wie keine Niederlage zuvor. Die AZ war dabei beim Trauer-Bankett im Postpalast.
München - Am Ende geht gar nichts mehr. Nicht einmal der geordnete Abmarsch. Es ist halb vier in der Früh, als „The Red’n’Blue Experience“ den Postpalast leergeklimpert haben, die Schweinsteigers, Neuers und Müllers das Weite suchen – und kein Taxi finden. Jupp Heynckes ergeht es nicht besser, genervt fragt der Coach den Chauffeur des Präsidenten: „Bruno, gibt’s hier keinen Fahrservice?“
Es hätte ein Festbankett werden sollen, doch nach der Tragödie im Finale dahoam, dem verlorenen Elfmeterschießen im Champions-League-Finale von München, haben die Bayern zu ihrem eigenen Begräbnis geladen. Zum Leichenschmaus gibt es Lachscarpaccio und Filet vom Oberländer Rund mit Flusskrebsen, doch schon bei der Trauerrede ist den meisten der 500 Gästen der Appetit vergangen. In einer sehr guten Ansprache berichtet Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef, von seiner Fahrt von Fröttmaning zum Postpalast: „Ich bin an Heerscharen von Bayern-Fans vorbeigefahren, die aus dem Olympiastadion kamen, vom Public Viewing. Es war eine unglaubliche Trauer zu spüren. Die ganze Trauer, auch die Wut, die wir alle ein Stück mit uns tragen, wird erst morgen früh, wenn wir wach werden, zum Tragen kommen.“
Noch trauriger? Noch wütender? Für Arjen Robben, der während Rummenigges Rede den Kopf auf den Tisch gelegt hat, und Bastian Schweinsteiger, dem auch die Streicheleinheiten seiner Freundin Sarah nicht helfen, ist das unfassbar. „Noch bitterer, noch brutaler“ als der Sekundentod von Barcelona, das 1:2 in der Nachspielzeit gegen Manchester im Finale 1999 sei dieser Niederlage, bemerkt Rummenigge. Als „absoluten Albtraum“ bezeichnet Sportdirektor Christian Nerlinger diese Dramaturgie, „wie ein schlechter Film“: Das ersehnte 1:0 durch Müller (83.). Das unverdiente 1:1 durch Drogba bei Chelseas einziger Chance kurz vor Schluss. Robbens verschossener Elfmeter in der Verlängerung, bei dem Schweinsteiger nicht hinschauen mag und dem Holländer den Rücken zukehrt. Dann Schweinsteiger selbst, wie er im Elfmeterschießen im entscheidenden Moment scheitert, dann sein Gesicht unterm Trikot versteckt. All die Roten auf dem Boden, als die Blauen aus Chelsea den Pott klauen. „Unsere Stadt. Unser Stadion. Unser Pokal!“ – der wunderbare Choreographie der Fans vor Anpfiff folgen bittere Tränen. Und dann dieses Bild, wie Susi Hoeneß sich von hinten um ihren Uli schwingt und versucht, ihren Mann, den Präsidenten, zu trösten. Doch das bayerische Herz blutet. „Ich habe keinen klaren Kopf, keine Orientierung“, sagt Hoeneß später und beklagt das Fehlen von Spielern, die sich zerreißen: „Ich habe heute keinen Jeremies gesehen“. Jeremies, einer der Helden von 2001, die für Bayern die Champions League gewannen. Zuletzt sah man ihn beim Privatkonzert der „Toten Hosen“ in seinem Hobbykeller abrocken. Er gehört zur privaten Schafkopfrunde des Präsidenten – der von den Verlierern dieses Finals kaum jemanden zum Karteln an den Tegernsee einladen wird. Er würde jetzt gern die Mannschaft verändern, doch wie wird sein Freund Jupp Heynckes diesen Neustart hinbekommen?
Als Hoeneß um 3:40 Uhr den Postpalast verlässt, bemerkt er nicht, dass Heynckes schon länger da steht und nicht wegkommt. Bruno, der Chef-Chauffeur, hat für seinen Boss einen Fahrer organisiert.
Der Trainer schaut derweil tatenlos zu, wie die Fußballfrauen der Bayern die Abreise regeln: Sie sind mit dem Mannschaftsbus gekommen und fahren auch jetzt gemeinsam wieder ab. Die Frauen, letzten Samstag DFB-Pokalsieger, haben übrigens auch den einzigen Titel des FC Bayern in diesem Jahr gewonnen.